Wie entsteht die Musik zum Tatort?



Ein Interview mit Komponist Johannes Lehniger

Am 28. März 2016, Ostermontag, betritt erstmals die Schauspielerin Heike Makatsch die Tatort-Bühne: in ihrer Rolle als Hauptkommissarin Ellen Berlinger. In Freiburg geboren und kurz nach der Geburt ihrer Tochter nach England gezogen, kehrt die alleinstehende Ermittlerin nach 15 Jahren in ihre alte Heimat zurück. Ihr erster Fall „Fünf Minuten Himmel“ fordert sie, denn darin gilt es nicht nur, einen brutalen Mord aufzuklären, sondern auch erstmals in das Leben von Tochter Niina zu treten – die hatte Berlinger nämlich damals in Freiburg zurückgelassen.

Für die musikalische Untermalung des neuen Tatorts aus Freiburg war der Musikproduzent, Komponist und Arrangeur Johannes Lehniger verantwortlich. Der Berliner Künstler, für Werbung, Fernsehen und Theater tätig, komponierte 2013 in Zusammenarbeit mit Peter Folk den Soundtrack zum deutschen Kinofilm „Tore tanzt“, schrieb außerdem für mehrere Kurzfilme und eine Dokumentationsreihe die Musik. Uns hat interessiert, wie die Musik zu einem Tatort entsteht: Herr Lehniger war so nett, uns ein Interview zu geben.
 

Tatort-Fans: Nach „Die Feigheit des Löwen“, einer Tatort-Produktion des NDR mit Kommissar Falke und Kollegin Lorenz aus Hamburg, haben Sie nun in einer zweiten Mitarbeit an einem Tatort das Heike Makatsch-Event „Fünf Minuten Himmel“ musikalisch unterstützt.
Wie gehen Sie an ein solches Projekt heran?

Johannes Lehniger: Das kann sehr unterschiedlich ablaufen, je nach dem in welcher Phase man zum jeweiligen Projekt dazu stösst. Nicht selten ist der Film bereits abgedreht und liegt schon in geschnittener Fassung vor. Dann muss es meist sehr schnell gehen. Ohne viel Vorbereitungszeit muss mit der konkreten Vertonungsarbeit begonnen werden. Das ist ein bisschen wie ins kalte Wasser geworfen zu werden. Schöner ist es, sich eingehender mit der Geschichte des Films beschäftigen zu können, bevor man überhaupt eine Note zu Papier bringt. Gewöhnlich beginnt das mit dem Lesen des Drehbuchs, wodurch man erste Bekanntschaft mit der Story und den handelnden Figuren schliessen kann. Bei „Fünf Minuten Himmel“ fanden auch mehrere Vorgespräche mit Regisseurin Katrin Gebbe statt, in denen die dramaturgischen Schwerpunkte besprochen wurden und wir uns auch schon auf eine musikalische Grundstimmung und Stilistik verständigt haben. Eine intensive Beschäftigung im Vorfeld macht das eigentliche Komponieren für den Film auf jeden Fall leichter.
 
Tatort-Fans: Sind Sie ausschließlich in der Postproduktion tätig oder hatten Sie die Gelegenheit, schon während der Dreharbeiten zu „Fünf Minuten Himmel“ Inspirationen für Ihren Score zu sammeln? Haben Sie das Filmset besucht?

Lehniger: Nein, die Dreharbeiten konnte ich leider nicht besuchen. Das passiert auch in den seltensten Fällen. Ich bekam allerdings die Gelegenheit einige Blicke auf das frischgedrehte Rohmaterial zu werfen, was toll war, da ich mir so schon einen visuellen Eindruck verschaffen konnte.
 
Tatort-Fans: Mit welchen Mitgliedern der Produktionscrew haben Sie für das Freiburger Tatort-Projekt zusammengearbeitet?

Lehniger: Die Hauptkommunikation fand zwischen der Regisseurin, dem Producer und mir statt. Gelegentlich hatte ich aber auch mit dem Postproduktionsleiter und der Cutterin zu tun.
 
Tatort-Fans: Lässt man Ihnen freie Hand bei Ihrer Arbeit?

Lehniger: Ich würde sagen: Ja. Allerdings ist Film Teamarbeit und es ist somit erforderlich, sich oft mit den Machern des Films abzustimmen und neben dem eigenen kreativen Input auch auf schon existierende Vorstellungen einzugehen. Zumal man als Komponist meistens erst in der Endphase einer Filmproduktion dazukommt, wenn die meisten Gewerke ihren Teil schon geleistet haben.
 
Tatort-Fans: Wie lange dauert es, die Musik für einen Tatort zu schreiben und zu vertonen?

Lehniger: In der Regel sechs bis acht Wochen.
 
Tatort-Fans: Sind Sie selbst eigentlich auch ein Tatort-Zuschauer?
Wenn ja: Welches Team gefällt Ihnen persönlich am besten?

Lehniger: Ja. Ein sehr treuer sogar. Ich bin grosser Fan von Axel Milberg und Sibel Kekilli vom Kieler Tatort, aber auch das Bremer und Münchner Team mag ich sehr.
 
Tatort-Fans: Begrüßen Sie die neuen sogenannten „Tatort-Events“ mit Ermittlern, die wie Heike Makatsch in der Rolle der Ellen Berlinger nur einmalig in einer Stadt ermitteln?

Lehniger: Durchaus. Ich finde, sie stellen eine Bereicherung der Tatortlandschaft dar. Obgleich ich Heike Makatsch auch gern öfters in dieser Rolle sehen würde.
 
Tatort-Fans: Sie haben in der Vergangenheit Theaterstücke musikalisch untermalt. Welche Arbeit ist spannender: die für die Film- oder jene für die Theaterwelt? Sind die jeweiligen Arbeitsprozesse ähnlich?

Lehniger: Beides ist sehr spannend, aber auch sehr unterschiedlich in der Arbeitsweise. Im Theater ist das performative Moment wesentlich ausgeprägter. Als Musiker auf einer Theaterprobe muss man in der Lage sein, spontan auf die jeweilige Situation zu reagieren. Als Filmmusiker verbringt man eigentlich die meiste Zeit alleine im Tonstudio.
 
Tatort-Fans: Auf welche zukünftigen Projekte dürfen sich die Fans Ihrer Musik freuen?

Lehniger: Am 15. April dieses Jahres wird meine Band TROPIC (www.tropicandme.com) ihr erstes Album bei Motor Music veröffentlichen. Ein Kinofilm ist ebenfalls in Planung.
 
Tatort-Fans: Ist es abzusehen, dass Sie in der Zukunft erneut für eine Tatort-Produktion tätig sein werden?

Lehniger: Aktuell gibt es noch keine konkrete Anfrage, aber ich freu mich, wenn wieder eine Produktion geplant wird.


1 Meinung zum Wie entsteht die Musik zum Tatort?

  • Laura Gerkensmeyer • am 28.3.16 um 23:33 Uhr

    Guten Abend,

    der Film und die Handlung an sich waren in Ordnung. Die Musik war ebenfalls okay, aber viel zu laut. Man konnte den Film überhaupt nicht in aller Ruhe anschauen, weil man ständig mit der Fernbedienung des Fernsehers zugange war, um die Lautstärke vernünftig anzupassen. Es war grausam, wenn die Schauspieler gesprochen haben, konnte man sie nicht hören, da die Musik vorher oder währenddessen zu laut war und umgekehrt genauso. Schrecklich! Dann macht Fernsehenschauen keinen Spaß mehr, wenn man pausenlos damit beschäftigt ist, die Lautstärke zu regeln.

    Folglich wäre es sehr zuvorkommend, wenn man zukünftig bei der Produktion eines Films an der Lautstärke der Musik etwas ändern könnte.

    Gerade für ältere Menschen, die schwerhörig und/oder ein Hörgerät tragen ist diese Lautstärke der Musik anstrengend, gerade weil sie redende Menschen schlechter verstehen als Gesunde UND wenn dann noch zusätzlich die Musik zu laut ist, dann können diese Menschen den Fernseher auch ausstellen, weil es für sie wenig bis keinen Sinn ergibt, einen Film anzuschauen. ABER auch für junge Menschen ist es nicht angenehm.

    Hoffe auf Besserung!

    Viele Grüße

    Laura Gerkensmeyer (Alter: 35 Jahre)


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