Mit zwei Folgen läutete die ARD 1970 eine neue Ära des Fernsehkrimis ein. Was als Experiment begann, sollte zum Kult werden – und die Nation jahrzehntelang vor den Bildschirm locken.
Der Startschuss
Es war der Abend des 29. November 1970, als sich Millionen Deutsche vor ihren Fernsehgeräten versammelten, ohne zu ahnen, dass sie Zeugen einer Revolution wurden. „Taxi nach Leipzig“, der erste Fall des Hamburger Kommissars Paul Trimmel, markierte den Startschuss für eine Krimireihe, die das deutsche Fernsehen für Jahrzehnte prägen sollte: der „Tatort“ war geboren.
Das Erfolgsrezept
Erfinder Gunther Witte, ein Theaterwissenschaftler, der nach eigenem Bekunden „nichts am Hut“ mit dem Krimi-Genre hatte, schuf mit einfachen Regeln ein Erfolgsrezept: Ein Kommissar im Mittelpunkt, regionale Färbung und die Illusion, jeder Fall könnte so passiert sein. Ein Konzept, das bis heute funktioniert.
Der zweite Streich
Nur zwei Wochen später, am 13. Dezember, folgte mit „Saarbrücken an einem Montag“ der zweite Streich. Die Einschaltquote von 65 Prozent ließ erahnen, dass hier etwas Großes im Entstehen war. Die Zuschauer waren fasziniert von den gegensätzlichen Ermittlern Liersdahl und Schäfermann, die in einem Fall ermittelten, der angeblich auf wahren Begebenheiten beruhte.
Adoptivkinder des Fernsehens
Was die Zuschauer nicht wussten: Die frühen „Tatort“-Folgen waren oft Adoptivkinder. „Saarbrücken an einem Montag“ etwa war ursprünglich gar nicht als Teil der Reihe geplant. Erst als die ARD im Spätsommer 1970 grünes Licht für das „Tatort“-Projekt gab, wurden fertige Krimis kurzerhand umgelabelt.
Vielfalt als Markenzeichen
Doch gerade diese Vielfalt sollte zum Markenzeichen werden. Von Hamburg bis Saarbrücken, vom einzelgängerischen Ermittler bis zum streitenden Duo – der „Tatort“ bot von Anfang an ein Panorama deutscher Befindlichkeiten. Selbst die deutsch-deutsche Teilung fand in „Taxi nach Leipzig“ ihren Niederschlag, als Kommissar Trimmel in die DDR reiste.
Eine Institution wird geboren
50 Jahre später ist der Sonntagabend-Krimi längst Institution. Was 1970 als Wagnis begann, ist heute fester Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses der Nation. Der „Tatort“ – er mordet sich seit einem halben Jahrhundert durch die Republik. Und ein Ende ist nicht in Sicht.