Von Rekordquoten bis zum Giftschrank: Das Jahr 1975 markierte einen Wendepunkt in der Geschichte des Tatorts. Der Spiegel blickt zurück auf ein Jahr voller Kontroversen, Innovationen und unvergesslicher Kriminalfälle.

Die Quotenkönige

Während die Bundesrepublik in der Ölkrise schwitzte, fesselten die Sonntagabend-Krimis ein Millionenpublikum an die Bildschirme. Mit „Schöne Belinda“ (Folge 54) erreichte der Tatort einen beachtlichen Marktanteil von 70 Prozent – ein Wert, von dem heutige TV-Produzenten nur träumen können. Doch nicht nur Kommissar Lutz konnte punkten: Auch Haferkamp in Essen und Veigl in München lieferten Quote en masse.

Kontroverse am laufenden Band

Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Berliner Tatort „Tod im U-Bahnschacht“ (Folge 57) sorgte für einen handfesten Skandal. Die explizite Darstellung eines qualvollen Todes führte dazu, dass die Folge kurzerhand in den berüchtigten „Giftschrank“ der ARD verbannt wurde. Erst 17 Jahre später wagte man sich an eine Wiederausstrahlung.

Neue Gesichter, alte Hasen

1975 war auch das Jahr der personellen Veränderungen. Mit Kommissar Schmidt betrat ein neuer Ermittler in Berlin die Bühne. Gleichzeitig feierten altgediente Kommissare wie Finke in Kiel und Marek in Wien weitere Erfolge. Die Gastauftritte von Ermittlern in „fremden“ Städten sorgten für zusätzliche Würze – ein cleverer Schachzug der Produzenten, um die Zuschauer bei der Stange zu halten.

Hollywood lässt grüßen

Apropos Produzenten: Mit Wolfgang Petersen führte bei „Kurzschluss“ (Folge 58) ein Mann Regie, der später in Hollywood Karriere machen sollte. Ein früher Beweis dafür, dass der Tatort als Sprungbrett für internationale Karrieren dienen kann.

Fazit: Ein Jahr der Extreme

Das Tatort-Jahr 1975 war geprägt von Höhen und Tiefen. Rekordquoten standen neben heftiger Kritik, neue Gesichter neben altbewährten Ermittlern. Mit zwölf Folgen in einem Jahr zementierte die Reihe ihren Status als feste Größe im deutschen Fernsehen. Der Tatort bewies einmal mehr, dass er mehr ist als nur ein Krimi – er ist ein Seismograph der gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland.