Das Krimi-Flaggschiff der ARD navigierte 1980 durch unruhige Gewässer. Mit umstrittenen Folgen, frischen Ermittlern und dem Abschied einer Ikone zeigte der Tatort, dass er mehr kann als nur Mord und Totschlag.

Tabubrüche und Giftschrank-Kandidaten

Es war das Jahr der Kontroversen. Gleich zwei Folgen landeten im berüchtigten „Giftschrank“ der ARD. „Der gelbe Unterrock“ aus Mainz schockierte mit expliziten Gewaltdarstellungen gegen Frauen. Die Frankfurter Episode „Mit nackten Füßen“ zeichnete ein wissenschaftlich unhaltbares Bild von Epilepsie. Beide Folgen verschwanden für Jahrzehnte in der Versenkung – ein Novum in der Tatort-Geschichte.

Frischer Wind in den Ermittlerbüros

Während altgediente Kommissare wie Trimmel in Hamburg und Veigl in München weiter ermittelten, betrat in Mainz Nicole Heesters als Kommissarin Buchmüller die Bühne – die erste Frau an der Tatort-Spitze. In Essen gab Jörg Hube als Paul Enders ein kurzes Gastspiel. Der Tatort zeigte: Auch bei den Ermittlern ist Diversität Trumpf.

Abschied einer Legende

Mit „Schönes Wochenende“ verabschiedete sich eine Tatort-Ikone: Hansjörg Felmy gab nach 20 Fällen die Dienstmarke des Essener Kommissars Haferkamp ab. Sein Assistent Willi Kreutzer (Willy Semmelrogge) übernahm in „Herzjagd“ kurzzeitig das Ruder – ein Experiment, das ohne Fortsetzung blieb.

Gesellschaftsspiegel und Quotengarant

Der Tatort bewies 1980 einmal mehr seine Vielseitigkeit. Vom Familiendrama in Stuttgart („Kein Kinderspiel“) über Wirtschaftskriminalität in München („Spiel mit Karten“) bis zur Gesellschaftskritik in Bremen („Streifschuss“) – die Reihe blieb ein Seismograph der Bundesrepublik. Und das Publikum dankte es: Mit 45 Prozent Marktanteil war „Schussfahrt“ aus München der Quoten-Überflieger des Jahres.

Fazit: Tatort im Wandel

1980 zeigte der Tatort, dass er bereit ist, Grenzen auszuloten und neue Wege zu gehen. Nicht alles gelang, manches polarisierte. Doch die Reihe bewies: Sie kann mehr als nur Ermittlerroutine. Der Tatort war und blieb das Kronjuwel der ARD – manchmal umstritten, oft brillant, immer relevant.