Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Grundsatzurteil die Weichen für die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gestellt: Der Rundfunkbeitrag ist und bleibt rechtmäßig., Für eine Infragestellung und rechtliche Prüfung des Rundfunkbeitrags hat das Gericht hohe Hürden aufgestellt. In einem solchen Prozess müsste die Programmqualität aller öffentlich-rechtlichen Medienhäuser (ARD-Anstalten, ZDF, Deutschlandradio) über einen längeren Zeitraum (mindestens zwei Jahre) genau unter die Lupe genommen werden. (Aktenzeichen: BVerwG 6 C 5.24)
Beitrag als Garant für Unabhängigkeit
Das Gericht bestätigte das Finanzierungsmodell als verfassungskonform. Die Beitragsfinanzierung ermöglicht, was Marktlogiken oft verhindern: unabhängige Recherche, regionale Berichterstattung und Programmvielalt jenseits von Quotendruck. Sowohl anspruchsvolle fiktionale Formate wie der „Tatort“, aber auch Dokumentationen, investigative Formate und nicht zuletzt ausführliche Nachrichtenmagazine profitieren direkt von dieser Ungebundenheit.
Hohe Hürden für den Erfolg von Klagen
Zwar hat das Gericht entschieden, dass Klagen von Einzelpersonen gegen den Rundfunkbeitrag grundsätzlich möglich sind. Für den Erfolg solcher Klagen haben die Richterinnen und Richter aber sehr hohe Hürden festgelegt. Es reicht keinesfalls aus, dass die klagende Person insgesamt unzufrieden mit dem Angebot des ÖRR ist oder dass ihr einzelne Formate und Sendungen nicht gefallen. Vielmehr muss die Klägerin / der Kläger nachweisen, dass das gesamte Programmangebot aller öffentlich-rechtlichen Sender (ARD-Anstalten, ZDF, Deutschlandradio) auf allen Ausspielwegen (Hörfunk, Fernsehen, digital) „über einen längeren Zeitraum evidente und regelmäßige Defizite in Sachen Meinungsvielfalt erkennen“ lässt. Erst, wenn ein „grobes Missverhältnis zwischen Abgabenlast [also der Höhe des Rundfunkbeitrags] und Programmqualität“ erkennbar wäre, würde die Rechtfertigung für die Einziehung des Rundfunkbeitrags wegfallen. Den Nachweis dafür, dass eine solche eklatante Schieflage im Programm tatsächlich vorhanden ist, hat der Kläger / die Klägerin zu erbringen, und zwar durch umfangreiche wissenschaftliche Gutachten, die einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren in den Blick nehmen müssen.
Zwar bedeutet dies einen hohen bürokratischen (und auch finanziellen) Aufwand sowohl für die Klägerseite als auch ggf. für die Rundfunkanstalten, die evtl. wertvolle Ressourcen in Gegengutachten, Stellungnahmen etc. investieren müssten. Andererseits stärkt das Bundesverwaltungsgericht mit der Aufstellung dieser Leitlinien eindeutig die im Grundgesetz (Art. 5) garantierte Rundfunkfreiheit, die den Sendern eine unabhängige, ausgewogene und umfassende Berichterstattung ermöglicht. Diese Rundfunkfreiheit dürfen Gerichte nur bei schwerwiegenden Missständen und unter den oben beschriebenen, sehr voraussetzungsreichen Umständen einschränken.
Wissenschaft als neutraler Schiedsrichter?
Die Universität Mainz zeigte 2023 in einer Studie zwar leichte thematische Schwerpunkte, aber auch eine insgesamt hohe Vielfalt und Ausgewogenheit in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien. Solche Studien könnten künftig eine objektive Grundlage für Programmbewertungen bieten – und damit emotional geführte Debatten versachlichen.
Was bleibt?
Das Urteil ist als klare Stärkung der Rundfunkfreiheit zu verstehen und bestätigt zugleich den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Sender: unabhängig, ausgewogen und umfassend zu informieren, zu bilden und zu unterhalten, und zwar unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und Zwängen, sondern allein dem Gemeinwohl verpflichtet. All dies wird durch die regelmäßige Erhebung des Rundfunkbeitrags ermöglicht. Wer diesen Grundsatz (und damit die Existenzberechtigung des ÖRR insgesamt) infrage stellt, für den gelten hohe rechtliche Hürden, um seine/ihre Sichtweise durchzusetzen.
Angesichts des – auch im europäischen Vergleich – umfangreichen Angebots der öffentlich-rechtlichen Sender und einer Vielzahl von Formaten mit unterschiedlichen politischen Perspektiven und Ausrichtungen – vom linksliberalen „Monitor“ (WDR) bis zum rechtsliberal-konservativen „Klar“ (BR/NDR) – erscheint es sehr fraglich, ob eine Klage aufgrund von angeblicher Unausgewogenheit des Programms gerechtfertigt wäre und Erfolg hätte.
Hinweis der Redaktion:
Dieser Beitrag dient der sachlichen Information über ein komplexes Rechtsurteil. Um einer emotionalisierten und oft unsachlichen Debatte vorzubeugen, haben wir die Kommentarfunktion für diesen Artikel deaktiviert.