Kurz und knapp – darum geht’s
Die reiche Boutiquenbesitzerin Cora Winter wird erdrosselt in ihrer Badewanne aufgefunden – ein Mord, der weit mehr verbirgt, als zunächst vermutet. Während die Polizei den Fall schnell abschließen will, beginnt der Journalist Alex Lutinsky eigene Ermittlungen und stößt auf ein gefährliches Netz aus Waffenhandel, Kokainschmuggel und rechtsradikalen Verbindungen. Seine Recherchen führen ihn zu ehemaligen SS-Kameraden aus Bolivien und einem Drogenring, der bis in die Wiener Unterwelt reicht. Als Lutinsky der Wahrheit zu nahe kommt, wird er selbst zur Zielscheibe skrupelloser Verbrecher …
Inhalt der Tatort-Folge „Der Schnee vom vergangenen Jahr“
Ein grausiger Fund erschüttert die Wiener Gesellschaft: Die erfolgreiche Modeschöpferin und Boutiquenbesitzerin Cora Winter liegt tot in ihrer Badewanne, erdrosselt von unbekannter Hand. Die Beamten Hegner und Navratil übernehmen den Fall, doch während sie sich auf den offensichtlichen Verdächtigen konzentrieren, wittern andere bereits eine größere Geschichte dahinter.
Der Journalist Alex Lutinsky, ein alter Freund von Kommissar Hegner, kannte das Opfer oberflächlich und wird in die Ermittlungen eingeweiht. Was als journalistische Neugier beginnt, entwickelt sich schnell zu einem gefährlichen Katz-und-Maus-Spiel. „Den General gibt es nicht“, behauptet einer der mysteriösen Unbekannten, die Lutinsky abpassen und nach dem Tod Winters befragen. Doch der Journalist lässt sich nicht abschrecken und folgt ihnen bis zu einer Villa, wo er seinen ersten wichtigen Hinweis findet.
Lutinskys Artikel mit Andeutungen über östliche Geschäftspartner und Hintergründe des Mordes bringt den Stein ins Rollen. Der Geschäftsmann Tarachabi, der angeblich mit Winter Baumwollkleider gehandelt hatte, sucht den Journalisten auf und droht ihm wegen seiner Berichterstattung. Schnell wird klar: Es ging nie um Kleidung, sondern um Waffenhandel.
Die Ermittlungen führen Lutinsky in die düstersten Ecken der Stadt – zu rechtsradikalen Buchhandlungen, zwielichtigen Autohändlern und schließlich in die Rotlichtszene. Jeder Schritt bringt neue Erkenntnisse über ein Netzwerk, das von ehemaligen SS-Kameraden aus Bolivien bis zu Wiener Kokainschmugglern reicht. Seine Wohnung wird durchsucht, er wird verfolgt und bedroht, doch Lutinsky gibt nicht auf.
Während die Polizei mit dem Geständnis des verwirrten Johann Kahr zufrieden ist, der behauptet, Winter aus verschmähter Liebe getötet zu haben, bohrt Lutinsky tiefer. Mit einem raffinierten Trick – er tauscht echtes Kokain gegen Milchpulver aus – lockt er die wahren Hintermänner aus der Reserve. Seine Recherchen enthüllen ein perfides System: Schneider, ein rechtsradikaler Buchhändler, ließ über alte Kameradschaften Kokain aus Bolivien liefern, das über Cora Winter an den Geschäftsmann Kellermann verkauft werden sollte.
Hinter den Kulissen
„Der Schnee vom vergangenen Jahr“ war ein außergewöhnliches Experiment in der Tatort-Geschichte: Als einzige Folge der Reihe setzte sie einen Journalisten statt eines Polizisten als Hauptermittler ein. Miguel Herz-Kestranek, der zuvor bereits in drei Tatort-Folgen den Inspektor Ullmann gespielt hatte, übernahm die Rolle des hartnäckigen Reporters Alex Lutinsky. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Milo Dor, während sein Sohn Milan Dor die Regie führte.
Die Produktion entstand 1986 als siebte von insgesamt 13 österreichischen Tatort-Folgen, die der ORF zwischen 1985 und 1989 völlig außerhalb der offiziellen ARD-Gemeinschaftsproduktion realisierte. Diese „unterschlagenen Tatorte“ wurden zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk als Koproduzent gedreht, aber ihre Erstausstrahlung am 12. Oktober 1986 erfolgte zunächst nur in Österreich. Deutsche Zuschauer bekamen die Folge erst ein halbes Jahr später am 27. Juni 1987 im Bayerischen Rundfunk zu sehen – und das auch nur ein einziges Mal.
Heute gelten diese 13 Sonderproduktionen als wahre Raritäten und stehen bei Tatort-Sammlern hoch im Kurs. Die Senderechte sind mittlerweile abgelaufen, Wiederholungen scheinen ausgeschlossen. Mehr noch: Der ORF hat sogar die ursprünglichen Produktionsunterlagen vernichtet. In keiner offiziellen ARD-Listung tauchen diese Folgen auf – ihre Existenz gleicht fast einem Staatsgeheimnis.
Alexander Wagner verkörperte den resignierten Kommissar Hegner, während Oliver Stern als sein Kollege Navratil zu sehen war. Weitere markante Rollen übernahmen Robert Dietl als der verwirrte Kahr, Eduard Linkers als rechtsradikaler Buchhändler Schneider und Miodrag Andric als zwielichtiger Autohändler Zecchi. Die Geschichte um Korruption, alte Nazi-Seilschaften und internationale Drogengeschäfte war selbst für Tatort-Verhältnisse ungewöhnlich düster und vielschichtig. Ernst Petz fungierte als Redakteur dieser besonderen Tatort-Reihe, die ihm dank zusätzlicher Budgetmittel künstlerische Freiräume ermöglichte.