Kurz und knapp – darum geht’s

In Saarbrücken nimmt Hauptkommissar Horst Schäfermann eine Einbrecherbande hoch, die Häuser ausraubt, während die Bewohner bei Beerdigungen sind. Bei dieser Gelegenheit lernt er die Witwe des Bankdirektors Gollnick kennen, der sich angeblich selbst getötet haben soll, nachdem er der Unterschlagung von 750.000 DM beschuldigt wurde. Die Frau glaubt nicht an Selbstmord, und Schäfermann wird hellhörig, unterstützt von seiner Tochter Irina, die ebenfalls Nachforschungen anstellt. Als der eigenwillige Ermittler gegen den ausdrücklichen Willen seiner Vorgesetzten weiterforscht und einem in Geldnöten steckenden Pharma-Industriellen auf die Spur kommt, stößt er auf einen raffinierten Giftmord – und einen geplanten weiteren nach dem gleichen Muster…

Inhalt der Tatort-Folge „Wer anderen eine Grube gräbt“

Ruhelos sitzt Hauptkommissar Horst Schäfermann in seinem kargen Büro im Saarbrücker Polizeipräsidium und blättert durch die Akten. Draußen prasselt Regen gegen die Fensterscheiben, während der Kommissar immer wieder auf die Fotos des toten Bankdirektors Gollnick starrt. Etwas an diesem vermeintlichen Selbstmordfall lässt ihm keine Ruhe. Eigentlich sollte er sich freuen – gerade hat er eine Einbrecherbande überführt, die auf Häusereinbrüche während Beerdigungen spezialisiert war. Ein Erfolg, der ihm Anerkennung einbringen sollte, besonders da er trotz fehlenden akademischen Hintergrunds für einen Chefposten im Gespräch ist.

„Mein Mann hat sich nicht umgebracht“, beharrt die Witwe des Bankdirektors mit fester Stimme, als Schäfermann sie befragt. „Und er hat auch kein Geld unterschlagen.“ Ihre Worte hallen in seinem Kopf nach, während seine Vorgesetzten bereits abwinken. Der Bankdirektor – der Unterschlagung von 750.000 DM beschuldigt, gefallen in Ungnade, lebensmüde geworden. Ein klarer Fall, administrativ sauber abgeschlossen. Doch Schäfermann ist ein Mann mit ausgeprägtem Instinkt, und dieser meldet sich nun lautstark. Das verschwundene Geld, der eilig zu den Akten gelegte Fall – für ihn wirkt das wie ein vorschnell zugeklapptes Buch, dessen wichtigste Kapitel ungelesen blieben.

Seine Tochter Irina, selbst kurz vor dem Abitur, teilt seinen Spürsinn. „Da stimmt etwas nicht mit diesem Sannwald“, erklärt sie ihrem Vater eines Abends, nachdem sie selbst begonnen hat, in dem Fall zu recherchieren. Ihre jugendliche Neugier ist wie ein frischer Wind in Schäfermanns festgefahrenen Ermittlungen. Parallel knüpft er Kontakt zu seinem Kollegen Veigl in München – eine Verbindung, die sich als goldrichtig erweisen wird.

Seine Ermittlungen gleichen einem einsamen Marsch gegen den Strom. Die Staatsanwaltschaft blockt ab, die Bank wünscht keine weitere Publicity, und sein Vorgesetzter Grumbach runzelt missbilligend die Stirn, wenn Schäfermann wieder einmal mit dem „erledigten Fall“ ankommt. „’Das ist keine Dienstangelegenheit mehr‘, sagt mir mein Chef“, berichtet Schäfermann frustriert seiner Frau, einer Angehörigen des höheren Dienstes, die seine beruflichen Ambitionen mit einer Mischung aus Sorge und Stolz beobachtet.

Doch wie ein Terrier, der seine Beute nicht loslässt, verfolgt Schäfermann seine Spur. Der Pharma-Industrielle Pallmert, ein alter Schulfreund des Verstorbenen, hat sich auffällig um die Witwe gekümmert. Seine Geschäfte stehen auf wackeligen Beinen – eine Verbindung zum verschwundenen Bankgeld? Der Kommissar tastet sich vor wie auf dünnem Eis. Als ein weiterer Geschäftsmann, Sannwald, plötzlich in ein Waldsanatorium verschwindet, begleitet von einer mysteriösen jungen Frau, verdichten sich Schäfermanns Verdachtsmomente zu einem beunruhigenden Bild.

In seiner Wohnung breitet Schäfermann abends Fotos, Dokumente und Notizen auf dem Tisch aus. Das Licht seiner Schreibtischlampe wirft lange Schatten an die Wand, während er Verbindungen knüpft, die niemand sonst sehen will. Die Verbindung nach München, Pallmerts finanzielle Probleme, eine verzögert wirkende Vergiftung – alles fügt sich langsam zu einem Muster zusammen. Wie Schachfiguren auf einem Brett sieht er die Akteure vor seinem inneren Auge, und mit jeder Stunde wird klarer: Hier wurde nicht nur ein perfider Mord begangen, sondern ein weiterer ist bereits in Vorbereitung…

Hinter den Kulissen

Die Tatort-Folge „Wer anderen eine Grube gräbt“ (Folge 076) wurde vom Saarländischen Rundfunk produziert und feierte am 19. Juni 1977 im Ersten Programm der ARD ihre Premiere. Die Dreharbeiten fanden vom 16. August bis zum 24. September 1976 in Saarbrücken und Umgebung statt. Mit einer beeindruckenden Sehbeteiligung von 54 Prozent zählte sie zu den erfolgreicheren Produktionen der langjährigen Krimireihe in den 1970er Jahren.

Die Hauptrolle des eigenwilligen Kommissars Horst Schäfermann übernahm Manfred Heidmann, für den es der erste Fall als alleiniger Ermittler war, nachdem er bereits seit der zweiten Tatort-Folge „Saarbrücken an einem Montag“ (1970) Teil der Krimireihe war – zunächst als Assistent von Kommissar Liersdahl (Dieter Eppler). Nach drei weiteren Gastauftritten durfte Heidmann mit dieser Folge erstmals als Hauptkommissar in Erscheinung treten.

Ein interessantes Detail für Tatort-Enthusiasten: In einer kleinen Nebenrolle als Mitarbeiter eines Zeitungsverlags ist Jochen Senf zu sehen, der später von 1988 an als Kommissar Max Palu den Nachfolger von Schäfermann im Saarland spielen sollte. Für Fans der Serie ist diese kurze Szene, in der Senf dem Kommissar ein fernkopiertes Foto aushändigt, ein reizvolles Detail der Tatort-Geschichte.

Besonders bemerkenswert ist auch der Gastauftritt des bayerischen Ermittlers Kommissar Veigl, gespielt von Gustl Bayrhammer, der Schäfermann bei seinen Recherchen unterstützt – ein für die damalige Zeit noch ungewöhnliches „Crossover“ zwischen verschiedenen Tatort-Ermittlern.

Der Fall „Wer anderen eine Grube gräbt“ markierte den Beginn einer kurzen Ära für Schäfermann: Nach dieser Episode sollten lediglich drei weitere Fälle mit dem Hauptkommissar folgen, bevor die Figur 1984 aus der Tatort-Reihe ausschied. Diese vergleichsweise kurze Dienstzeit von nur vier Fällen als Hauptermittler macht Schäfermann zu einem der weniger bekannten Tatort-Kommissare – für Krimi-Enthusiasten jedoch ist er ein interessantes Kapitel in der frühen Tatort-Geschichte.

Der Fall selbst gilt heute als charakteristisch für die sozialkritischen Tatort-Produktionen der 1970er Jahre, in denen häufig wirtschaftliche Machenschaften und Korruption in den oberen Gesellschaftsschichten thematisiert wurden. Die Figur des Schäfermann – ein Nicht-Akademiker mit Ambitionen in einer von akademisch geprägten Strukturen dominierten Umgebung – spiegelte zudem gesellschaftliche Spannungen der damaligen Zeit wider.

Besetzung

Kommissar Schäfermann – Manfred Heidmann
Frau Schäfermann – Xenia Pörtner
Irina Schäfermann – Nora von Collande
Sannwald – Arno Assmann
Jutta Glogau – Kathrin Ackermann
Pallmert – Werner Bruhns
Frau Pallmert – Yvonne Krauss
Gerd Pallmert – Matthias Einert
Frau Collnick – Ingrid Resch
Grumbach – Herbert Steinmetz
Baldauf – Karl Josef Cramer
Dr. Müller-Auen – Peter Drescher
Dr. Frossard – Dieter Hufschmidt
Finanzmann – Alexis von Hagemeister
von Mechaff – Horst Naumann
Mann mit Homburg – Rüdiger Weigang

Stab

Drehbuch – Hans Peter Kaufmann
Regie – Günter Gräwert
Kamera – Henning Zick
Kostüme – Beatrice Kothe
Szenenbild – Hans Joachim Strehlow
Schnitt – Elke Niemietzek
Produktionsleitung – Hans Jürgen Niebuhr
Produktion – Hartwig Schmidt