Zürich, die glitzernde Metropole an der Limmat, ist ein Tatort-Schauplatz der Kontraste, der seit 2020 von einem ungewöhnlichen Ermittlerinnenduo beleuchtet wird und dabei stets die gesellschaftlichen Abgründe hinter der bürgerlichen Fassade erkundet.
Die Ermittler-Generationen
Grandjean und Ott
Seit dem Jahr 2020 prägt das ungleiche Duo Grandjean und Ott den Züricher Tatort. Die frankophone, analytische Isabelle Grandjean, ehemals am Internationalen Gerichtshof in Den Haag, und die intuitive, empathische Profilerin Tessa Ott, Tochter aus gutem Hause, bilden ein Team, dessen Stärke in der produktiven Spannung ihrer gegensätzlichen Herangehensweisen liegt. Während Grandjean in „Blinder Fleck“ für ein traumatisiertes Mädchen sogar eine Rap-Einlage hinlegt, um dessen Vertrauen zu gewinnen, wagt Ott in „Seilschaft“ zunehmend riskante Alleingänge, getrieben von ihrer Empathie für die Opfer. Ihre Fälle führen sie von den Hochsicherheitstrakten der Finanzdistrikte, wie in „Risiken mit Nebenwirkungen“, wo sie einen Pharmariesen unter Druck setzen, bis in die dunkelsten Ecken der Kunstszene, wie in „Schattenkinder“, wo sie einer sektenartigen Kommune auf die Spur kommen. Die sich stetig entwickelnde Beziehung der beiden, gekennzeichnet durch den Wechsel zwischen formellem „Sie“ und vertrautem „Du“, wird in „Schoggiläbe“ auf eine harte Probe gestellt, als eine Schießerei ihr Vertrauen zueinander fundamental erschüttert und schließlich festigt.
Der Ort als Ermittler
Zürich selbst ist in jeder Folge ein essenzieller Mitspieler. Die Serie nutzt die Stadt als Mikrokosmos, in dem die Konflikte der globalisierten Welt aufeinandertreffen. Die glitzernde Fassade des Banken- und Pharmastandorts, die noblen Villen am Zürichberg und die idyllische Uferpromenade kontrastieren scharf mit den Schauplätzen der Verbrechen: den verlassenen Lagerhallen in „Schattenkinder“, den anonymen Hochhaussiedlungen in „Risiken mit Nebenwirkungen“ oder dem düsteren Wald im Zürcher Oberland in „Blinder Fleck“. Die Stadt mit ihrer Geschichte – von den Jugendunruhen der 80er, die in „Züri brännt“ thematisiert werden, bis hin zur hochtechnologisierten Gegenwart in „Kammerflimmern“ – liefert stets den Nährboden, auf dem die Verbrechen gedeihen, und zwingt die Ermittlerinnen, sich in diesen unterschiedlichen Welten zurechtzufinden.
Die Entwicklung des Tatort Zürich
Der Züricher Tatort hat sich von Anfang an als ein Ort für komplexe, gesellschaftlich relevante Krimis etabliert, die oft aktuelle Technik- und Moral-Debatten aufgreifen. Während der allererste Fall, „Züri brännt“, noch die historisch aufgearbeiteten Wunden der Stadt erkundete, bewegen sich die späteren Folgen mutig in die Gegenwart und Zukunft: Sie thematisieren die Abgründe des globalisierten Kapitalismus, die Ethik der Biotechnologie, die Gefahren der Digitalisierung und die Schattenseiten der Kunst- und Schickeria-Szene. Was alle Folgen verbindet, ist der schonungslose Blick hinter die perfekte Oberfläche der Schweiz und die konsequente Fokussierung auf die menschlichen Dramen, die sich in diesem Spannungsfeld abspielen. Grandjean und Ott nähern sich diesen Themen stets aus ihrer je eigenen Perspektive – mal nüchtern-analytisch, mal einfühlsich-intuitiv – und bilden so eine konstante Klammer über die Jahre.