Kurz und knapp – darum geht’s

Schock für Isabelle Grandjean: Kurz vor Weihnachten erhält die Züricher Kommissarin einen anonymen Hinweis auf eine Leiche. Schnell wird ihr klar, warum sie persönlich die Adressatin war: Die antike Münze im Mund des Toten erinnert sie fatal an einen Doppelmord in ihrer Heimat, den sie vor vielen Jahren aufgeklärt hat und der den Anfang ihrer steilen Karriere bildete. Der Täter hat damals Suizid begangen, doch gibt es womöglich einen Nachahmer? Die sonst so gewissenhafte Grandjean lässt alle Regeln fahren und ermittelt auf eigene Faust. Für Tessa Ott ist das Verhalten ihrer Kollegin ebenso rätselhaft wie die Inszenierung des Mordes mit mythologischen Anspielungen: Sieht sich der Mörder etwa als „Fährmann“, der seine Opfer ins Totenreich begleitet? Antworten gibt’s am 22.12.2024 um 20:15 Uhr im Ersten.

Inhalt der Tatort-Folge „Fährmann“

„Kennen wir uns?“ Isabelle Grandjean fühlt sich ehrlich überrumpelt, als ein fremder Mann ihr ungefragt ein riesiges Lebkuchenherz in die Hand drückt, wo sie doch nach Dienstschluss einfach nur eine Runde über den festlich beleuchteten Züricher Weihnachtsmarkt drehen wollte. Und dann versucht er auch noch, mit ihr zu flirten, indem er behauptet, er sei todkrank und habe nur noch wenige Monate zu leben. Geschmackloser geht’s ja wohl nicht! Andererseits: Für geschmackvolle Kleidung scheint dieser „Marek aus Warschau“, wie er sich der Kommissarin vorstellt, durchaus einen Sinn zu haben – genauso wie für höfliche Umgangsformen. Charmant und gutaussehend ist er obendrein, also: Warum nicht mal ein Abenteuer wagen und auf ein Weihnachtswunder hoffen? Zumal es Grandjeans Sohn offenbar nicht für nötig hält, seine Mutter an den Feiertagen zu besuchen. Sie wäre also ganz allein in dieser ach so besinnlichen „schönsten Zeit des Jahres“, würde bestenfalls als drittes Rad am Wagen mit Tessa und ihrem Buddy Charlie um die Häuser ziehen. Und so erliegt die sonst so kühl kalkulierende, im Moment aber einfach nur schrecklich einsame Mordermittlerin im Tatort „Fährmann“ der Verführungskunst des geheimnisvollen Marek …

Erwacht aus ihren romantischen Träumen, muss Grandjean feststellen, dass auch die Realität um sie herum plötzlich sehr geheimnisvoll ist. Im Restaurant ihres guten Freundes Milan wurde ein anonymer Brief hinterlegt, adressiert an sie persönlich. Darin: zwei GPS-Koordinaten und ein merkwürdiger Sinnspruch mit Anspielungen auf das Totenreich der griechischen Mythologie. Die Neugierde der ehrgeizigen Ermittlerin ist geweckt. Und tatsächlich: Die GPS-Daten führen sie zu einer Leiche, die an einem naturbelassenen Flussufer außerhalb Zürichs abgelegt wurde. Ein Detail allerdings macht Grandjean stutzig: die altertümliche Silbermünze im Mund des Toten. Ein Gruß aus der Vergangenheit. Und zwar aus Grandjeans eigener Vergangenheit: ihr erster großer Fall vor vielen Jahren in La Chaux-de-Fonds, ein Doppelmord an zwei Arbeitslosen, denen ebenfalls solche Geldstücke in den Mund gelegt wurden. Philipp Tournier, der Täter, war geständig, Grandjean hat ihn persönlich überführt. Es war ein riesiger Ermittlungserfolg und der Startschuss für ihre beachtliche Laufbahn – leider mit einem Schönheitsfehler: Tournier hat sich in der Haft das Leben genommen.
Er selbst kann also nicht für den Toten am Flussufer im TV-Krimi „Fährmann“ verantwortlich sein – aber wer dann? Hatte Tournier damals einen Komplizen? Oder imitiert heute jemand sein Muster? Grandjean zweifelt – an den Fällen früher und heute, vor allem aber an sich selbst. Hat sie damals doch nicht alles richtig gemacht, gar den Falschen überführt? Gegen alle Vernunft beginnt die Fahnderin der Kantonspolizei, die sonst penibel auf die Einhaltung aller Vorschriften achtet, allein zu ermitteln. Sie lässt sich krankschreiben und folgt den Spuren des Falls in ihre alte Heimat, die frankophone Schweiz, sichtet die Akten in der Causa Tournier, versucht mit der Mutter des Täters ins Gespräch zu kommen, doch die blockt erzürnt ab, weil sie Grandjean für den Suizid ihres Sohnes verantwortlich macht. Und kann sie es ihr verdenken? Die Zweifel der Ermittlerin wachsen sich zur Verzweiflung aus, Schuldgefühle machen sich breit. Der Gedanke, dass sie damals einen Unschuldigen verhaftet hat und der wahre Täter all die Jahre unerkannt bleiben konnte, ist für Isabelle schier unerträglich. Anvertrauen kann sie sich nur einem: Marek aus Warschau. Der ermutigt sie, weiterzumachen, nicht aufzugeben. Aber warum schlägt der Mörder gerade jetzt wieder zu? Und warum sendet er ihr persönlich diese kryptischen Botschaften? Will er gar von ihr überführt werden?

Währenddessen versucht auch Tessa Ott, den Mord an dem Unbekannten aufzuklären. Immerhin: Nach mühsamen Recherchen und DNA-Abgleichen kann das Kripoteam die Identität des Toten feststellen: Heinz Hubacher, arbeitslos, gekündigt nach 20 Jahren Berufstätigkeit für ein und dieselbe Firma. Mit Schierling wurde er vergiftet und ist schließlich erstickt. Noch so ein Gruß aus der antiken Totenwelt: Sokrates, der Schierlingsbecher. Dazu die Münze unter der Zunge, der Lohn für die Überfahrt ins Jenseits, damit der „Fährmann“ im gleichnamigen SRF-Tatort die Seelen der Toten sicher über den Styx, den Fluss des Todes, bringt. Mehr Symbolik geht eigentlich nicht, alles sehr dick aufgetragen. Aber wozu?

Lange kann sich Ott keinen Reim darauf machen, warum sich ihre eigentlich treue und pflichtbewusste Ermittlungspartnerin so konsequent verleugnen lässt. Als sie endlich die entscheidende Verbindung entdeckt, beginnt ein brutales Spiel auf Zeit, denn Grandjean ist dem Täter bereits näher, als ihr lieb sein kann …

Hinter den Kulissen

Die Dreharbeiten für den achten Fall des Schweizer Ermittlerinnenduos Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) fanden vom 13. November 2022 bis zum 7. Februar 2023 im weihnachtlich geschmückten Zürich statt; entsprechend stimmungsvoll und festlich wird die Metropole der Deutschschweiz in Szene gesetzt. Außerdem wurde in La Chaux-de-Fonds gedreht, dem Heimatort Grandjeans.

Fans der ARD-Sonntagskrimis werden in Lucas Gregorowicz – hier in der Episodenhauptrolle des todgeweihten Bösewichts Marek – den einstigen Kommissar Adam Raczek aus dem Brandenburger Polizeiruf 110 wiedererkennen. TV-Premiere feiert die Produktion des Schweizer Radio und Fernsehens (SRF) am 4. Advent (22.12.2024) um 20:15 Uhr im Ersten Programm der ARD.

Tatort-Kritik

Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
Keine Spur von Langeweile: Wer alpenländische Gemütlichkeit erwartet, sollte besser zum „Bergdoktor“ umschalten, denn hier geht’s zur Sache: eine ungewohnt emotionale und aufgewühlte Grandjean, der wir in ihre Vergangenheit folgen, dazu als besonderer Reiz der ständige Szenenwechsel zwischen der anheimelnden Vorweihnachtsatmosphäre in der Stadt und der dunklen Welt der Todesmystik, der durch Bildsprache und Schnitte geschickt inszeniert wird. Und über allem die Frage: Was ist ein Menschenleben wert jenseits der kalten ökonomischen Verwertungslogik? Kapitalismuskritik – verpackt in einen spannenden Krimiplot –, die in der Bankenmetropole Zürich genau an der richtigen Adresse landet.

Besetzung

Hauptkommissarin Isabelle Grandjean – Anna Pieri Zuercher
Profilerin Tessa Ott – Carol Schuler
Staatsanwältin Anita Wegenast – Rachel Braunschweig
Kriminaltechniker Noah Löwenherz – Aaron Arens
Charlie Locher – Peter Jecklin
Milan Mandic – Igor Kovac
Mara Mandic – Josephine Jacob
Marek Kowalski – Lucas Gregorowicz
Heinz Hubacher – Peter Portmann
Chantal Tournier – Dominique Bourquin
Thomas Burkhalter – Miro Caltagirone
Susan Guggisberg – Annette Wunsch
Fährmann – Marco Calamandrei
u. v. a.

Stab

Drehbuch – Stefan Brunner, Lorenz Langenegger
Regie – Michael Schaerer
Kamera – Gabriel Sandru
Musik – Mirjam Skal
Casting – Nora Leibundgut
Kostümbild – Rudolf Jost
Szenenbild – Marie-Claude Lang Brenguier
Schnitt – Wolfgang Weigl
Ton – Benoit Barraud
Maske – Marc Hollenstein
Produktionsleitung – Sarah Bossard
Produzenten – Reto Schaerli, Lukas Hobi
Producerin – Jessica Hefti
Redaktion SRF – Fabienne Andreoli, Gabriella de Gara, Tamara Mattle
Redaktion ARD Degeto – Birgit Titze