Kurz und knapp – darum geht’s
Johann Kampenrath, ein auf Militaria spezialisierter Auktionator, wird in seinem Büro tot aufgefunden – erstochen mit einem wertvollen Dolch aus der Kolonialzeit. Während Kommissar Flemming und seine Kollegin Miriam Koch zunächst einen Raubmord vermuten, führen die Ermittlungen in verschiedene Richtungen: zur seltsam anhänglichen Schwester des Opfers, zu protestierenden Studenten und in die zwielichtige Welt der Militaria-Sammler. Als die Ermittler erfahren, dass Kampenrath seine Schwester Cornelia verlassen und zu seiner Ex-Frau ziehen wollte, geraten sie immer tiefer in ein Netz aus Lügen, falschen Fährten und einer gefährlich obsessiven Geschwisterliebe…
Inhalt der Tatort-Folge „Tod eines Auktionators“
Nebelschwaden wabern durch die Straßen Düsseldorfs, als der Student Christoph Eckstein das Auktionshaus betritt. Sein Atem gefriert in der kalten Luft des Gebäudes, während er sich umschaut. Die Vitrinen glänzen unter dem harten Neonlicht und spiegeln kostbare Relikte der deutschen Kolonialgeschichte – darunter ein besonders wertvoller Dolch, der einst Carl Peters gehörte, einem berüchtigten deutschen Kolonialisten.
Kommissar Flemming steht später am gleichen Ort. Seine müden Augen mustern den Tatort, während er sich Notizen macht. Der Auktionator Johann Kampenrath liegt tot vor ihm, erstochen mit eben jenem Dolch, der jetzt verschwunden ist. „Ein Raubmord?“, fragt Miriam Koch, seine Kollegin, skeptisch. Flemming schweigt. Etwas an dieser Szene stimmt nicht. Die Überwachungskamera zeigt einen flüchtenden Studenten, doch der Instinkt des Kommissars sagt ihm, dass hier mehr dahintersteckt.
„Den Studenten haben wir schnell gefunden“, berichtet Koch später im Präsidium. „Aber er behauptet, Kampenrath sei schon tot gewesen, als er kam.“ Flemming reibt sich die Schläfen. Er leidet unter Kopfschmerzen – wie so oft in letzter Zeit. Doch der Fall lässt ihm keine Ruhe.
Die Ermittlungen führen Flemming und Koch in eine bizarre Welt zwischen Familiendramen und deutschnationalen Kunstsammlern. „Warum lebt ein erwachsener Mann mit seiner Schwester zusammen?“, murmelt Flemming, nachdem er Cornelia Kampenrath getroffen hat – eine Frau, die in schwerer, dunkler Kleidung durch das prunkvolle Haus schreitet wie eine Königin durch ihr Reich. Ihre Stimme klingt brüchig, wenn sie über ihren Bruder spricht: „Johann war mein ein und alles.“ Zu viel Emotion schwingt mit in diesen Worten.
Die Spur des Dolches führt die Ermittler derweil durch die Stadt. Wie eine unsichtbare Schnur zieht sie sich von spielenden Kindern, die ihn finden, bis zu einem schäbigen Hinterzimmer eines Antiquitätenladens, wo alte Männer mit glänzenden Augen auf Trophäen der Vergangenheit bieten. Die Verehrung deutscher Kolonialgeschichte wirkt hier wie eine Religion, deren Anhänger sich im Verborgenen treffen.
„Er wollte wieder zu seiner Ex-Frau ziehen“, sagt diese, als Miriam Koch sie in München aufsucht. „Nach zehn Jahren wollte er plötzlich alles hinter sich lassen – auch seine Schwester.“ Die Puzzle-Teile beginnen, sich zusammenzufügen.
Als die Ermittlungen zu stocken drohen, greift Flemming zu einem Trick: Er lässt ein Überwachungsvideo installieren, das die Wahrheit ans Licht bringen soll – wie ein Spinnennetz, in dem sich die Lügen verfangen. Die Jagd nach der Wahrheit gleicht einem Schachspiel gegen einen unsichtbaren Gegner, bei dem Flemming längst ahnt, wer am Ende im Schachmatt stehen wird.
Hinter den Kulissen
Die Dreharbeiten zur 313. Tatort-Folge „Tod eines Auktionators“ fanden im Frühjahr 1995 in Düsseldorf statt. Unter der Regie von Peter Schulze-Rohr verkörperten Martin Lüttge als Kommissar Flemming und Roswitha Schreiner als Miriam Koch bereits zum zehnten Mal das Ermittlerteam der Rheinmetropole.
Das Auktionshaus, in dem weite Teile der Handlung spielen, wurde in den historischen Räumen der Villa Horion am Düsseldorfer Rheinufer inszeniert. Für die Szenen im Antiquitätenladen nutzte das Produktionsteam einen echten Trödlerladen in der Düsseldorfer Altstadt, dessen originale Patina perfekt zur düsteren Stimmung des Films passte.
In den Nebenrollen glänzten unter anderem Martina Gedeck als verschlossene Schwester Cornelia und Ulrich Matthes als Student Christoph Eckstein. Die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Kolonialgeschichte, die der Film schon 1995 leistete, gilt heute als seiner Zeit voraus – ein Thema, das erst Jahre später breitere gesellschaftliche Diskussionen auslösen sollte.
Bei der Erstausstrahlung am 25. Juni 1995 in der ARD sahen 5,95 Millionen Zuschauer zu, was einem Marktanteil von 22,04 Prozent entsprach. Die Kritiken fielen gemischt aus: Während die meisten Rezensenten die atmosphärische Dichte und die komplexe Handlung lobten, bemängelten andere die etwas steife Inszenierung.
Nach der Ausstrahlung kursierten in Fankreisen Theorien über die wahre Natur der Beziehung zwischen Johann und Cornelia Kampenrath, die über die angedeuteten inzestuösen Tendenzen hinausgingen. Der WDR sah sich sogar veranlasst, in einem Statement klarzustellen, dass der Film keine expliziten Aussagen über eine tatsächliche körperliche Beziehung der Geschwister mache, sondern lediglich eine ungesunde emotionale Abhängigkeit darstelle.
Der Tatort mit der Nummer 313 aus Düsseldorf. Der Hauptkommissar Flemming von der Mordkommission ermittelt in einem, anfänglich als Raubmord angesehenen, Tötungsdelikt. Unterstützt wird er hierbei von seiner Mitarbeiterin Miriam Koch. Ein solider abgedrehter Kriminalfilm um den bärbeißigen aber liebgewonnenen Mordermittler, welcher sich nebenbei um ein dunkles Kapitel aus der deutschen Kolonialzeit zur Kaiserzeit beschäftigt, im damaligen Reichstag mit demokratischen Deckmäntelchen abgesegnet. Ein politisierter Tatort-Fernsehfilm von mäßiger Spannung aber dennoch interessant zu sehen, schon der Meinungsfreiheit wegen. Schön zeigt der Tatort auch ein allgemeines Bild und Geschehen der 1995iger Jahren in der Landeshauptstadt auf. Für mich ab und an sehenswert.
Da über die Weihnachtsfeiertage im linearen TV wieder nur Mist lief und TO-Wh. Mangelware sind, habe ich mir mit meiner Holden zwei Flemming-Aufzeichnungen aus dem Dezember von der Festplatte gegönnt – zum ersten die #313:
Flemming gibt diesmal nicht ganz so den Grantler, ist angesichts des gehobenen gesellschaftlichen Umfelds etwas konzilianter – lag’s vllt. an der Möhre, die er knabberte? Oder etwa an der Goethe-Lektüre?
OK, zwei kurze Wutausbrüchen hat ihm das Drehbuch dann doch zugestanden.
Bzgl. der Kolonialproblematik könnte die Folge durchaus von heute sein – Slogan anno 2020: „Dekolonisiert euch!“ Nur der Umgang mit Kindern wäre wohl so nicht mehr vermittelbar: Da gab’s noch was an die Backen (aber hat es uns geschadet?).
Und zum Schluß der nette Hinweis: „Man sollte öfter mal lesen – und nicht so viel fernsehen!“
Anm.: Ausgenommen natürlich die TO-Klassiker! Davon kann’s nie genug geben!
Gut besetzter und durchgehend unterhaltsamer Flemming Tatort. Das ist mir 4 Sterne wert.
Weiß jemand, wer den Auktionator im »Hinterzimmer [wo sich] mehrere ältere Sammler von Militaria fast darum schlagen, die Mordwaffe zu ersteigern« spielt? Der Dunkle mit den dicken Augenbrauen?
@PP
Den spielte der äußerst vielseitige Gunther Schoß (5x am TO beteiligt) mit seiner markanten Stimme, deretwegen er in zahlreichen Hörspielen und als Off-Sprecher leicht erkennbar ist; er war zudem Moderator der MDR-Geschichtsmagazine „Barbarossa“ und „Geschichte Mitteldeutschlands“.