Kurz und knapp – darum geht’s

Eine einsame Landstraße bei Magdeburg, mitten in der Nacht: Unvermittelt rast ein SUV auf eine Frau zu, die schwer verletzt wird und ins Koma fällt. Unfall, Suizid? Eigentlich ist Kommissarin Doreen Brasch gar nicht zuständig, doch auf seltsame Weise fühlt sie sich dem Opfer nahe. Wer ist diese Frau? Die Polizei weiß nichts über sie, nur ihren Vornamen: Sarah. Brasch beginnt zu ermitteln und stößt auf den schillernden Architekten René Tamm, den Sarah kurz zuvor getroffen hat. Doch warum behauptet Tamm, sie nicht zu kennen? Je mehr die Kripo über Sarah herausfindet, desto klarer zeigen sich die Konturen eines erschütternden Schicksalsschlags … Zu sehen am 02.02.2025 um 20:15 Uhr im Ersten.

Inhalt der Polizeiruf-110-Folge „Widerfahrnis“

Ein schöner Anblick sind Opfer von Verkehrsunfällen nie. Trotzdem verstört Doreen Brasch das, was sie hier, mitten im Nirgendwo zwischen Magdeburg und Gommern, vorfindet: eine Frau um die 40, auffallend gut gekleidet, so als hätte sie sich zurechtgemacht für einen besonderen Anlass. Nun liegt sie regungslos und mit schweren Blutwunden im Straßengraben: Schädelbruch, Polytrauma. Aber: Noch lebt sie, trotz der schweren Kollision mit einem silbergrauen SUV. Doch wer ist diese Frau, was hat sie hier gesucht in dieser einsamen Gegend?

Das Unfallopfer ist nicht bei Bewusstsein und liegt im Koma, also beginnt die hartnäckige Kriminalistin Brasch mit ihren eigenen Recherchen im Polizeiruf 110 „Widerfahrnis“ – zum Leidwesen ihres Chefs, Kriminalrat Lemp, der den Vorfall am liebsten sofort zu den Akten legen würde. Entweder war es ein Unfall oder Selbstmord, und silberne „Straßenpanzer“ gibt’s wie Sand am Meer, konkrete Spuren: Fehlanzeige. Wie soll man unter diesen Umständen den flüchtigen Fahrer finden? Erschwerend kommt hinzu: Über das Opfer ist nichts bekannt, ja, tatsächlich: nichts. Kein Perso, kein Führerschein am Tatort, nichts, was über die Identität der Frau Aufschluss geben könnte. Zwar sagt die Prostituierte Dorota, die in einem schäbigen Wohnwagen in der Nähe ihre Dienste anbietet, dass sie die Frau schon mal flüchtig gesehen habe, mehr weiß sie aber auch nicht.

Ein Handy am Unfallort ist da schon aufschlussreicher. Es gehört Berna Kandemir, die der Unbekannten erst vor wenigen Wochen Obdach gewährt hat. Und von Berna erfährt Kommissarin Brasch zumindest ihren Vornamen: Sarah. Viel mehr weiß die alleinerziehende Studentin auch nicht zu berichten, denn offenbar war Sarah stets sehr schweigsam. Eines Tages stand sie einfach vor dem großen Wohnblock, nur bepackt mit einem zerfledderten Rucksack, und schaute hinauf zu Bernas Wohnung. Was ihr zugestoßen ist, warum sie Zuflucht bei einer komplett fremden Frau gesucht hat – Berna kann darüber nur spekulieren, womöglich ist sie vor ihrem Expartner geflohen. Bernas kleine Tochter Aylin hat Sarah jedenfalls sofort ins Herz geschlossen, also durfte sie bei ihnen wohnen – wenn sie als Gegenleistung Bernas Reinigungsjob in einem Hotel übernimmt.

Die Abmachung hat zuerst gut funktioniert, doch seit ein paar Tagen ist alles anders. Sarah ist nicht mehr zur Schicht gegangen, hat sich stattdessen irgendwo rumgetrieben – wahrscheinlich mit Bernas Corsa, den sie Sarah überlassen hat und nun vermisst. Tatsächlich kann das Kripoteam im MDR-Polizeiruf 110 „Widerfahrnis“ sehr genau feststellen, seit wann „alles anders“ ist: seit dem Tag nämlich, als Sarah während ihres Putzdienstes im Hotel Exzelsior René Tamm getroffen hat. Ihre zufällige Begegnung mit dem stadtbekannten Architekten wurde von einer Kamera dokumentiert, und Sarahs Überraschung ist nicht zu übersehen, während Tamm selbst dem flüchtigen Kontakt mit einer x-beliebigen Reinigungskraft überhaupt keine Bedeutung beizumessen scheint. Und so gibt sich der selbstbewusste Baukünstler, der gerade einen neuen Großauftrag an Land gezogen hat, betont ahnungslos, als Brasch ihn nach dem Unfallopfer fragt – freilich nicht ohne gleichzeitig in gönnerhafter Pose eine großzügige Spende für einen Trauerhilfeverein anzubieten. Dabei lebt Sarah zu diesem Zeitpunkt noch.

Warum verschweigt Tamm, dass er Sarah begegnet ist? Warum behauptet er, sie nicht zu kennen? Und dann diese Bestürzung in Sarahs Gesicht, in dem Moment, als sie ihn erkennt … Die beiden sind sich im Hotel nicht zum ersten Mal über den Weg gelaufen, das steht für Brasch fest. Sie bohrt tiefer. Und so findet die Ermittlerin im TV-Krimi „Widerfahrnis“ heraus, dass René Tamm in Gommern wohnt. Der Unfallort liegt auf seinem täglichen Arbeitsweg. Und für seine Gattin Emma ist Sarah keineswegs eine Unbekannte: Mehrfach sei diese Frau ihrem Mann bis nach Hause gefolgt, sie hätten sich von ihr belästigt gefühlt.

Brasch ist sich sicher: Irgendetwas verbindet den Stararchitekten und die mysteriöse Unbekannte. Aber was? Erst nach und nach wird das dunkle Geheimnis für alle sichtbar …

Der 20. Fall aus Magdeburg – gewidmet Pablo Grant

Bereits zum 20. Mal ermittelt Hauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts, ebenso lange ist Felix Vörtler als Kriminalrat Uwe Lemp dabei. Über die besondere Beziehung der beiden Filmfiguren zum Drehort sagt Vörtler: „Warum die drei – Brasch, Lemp und Magdeburg – so gut zusammenpassen, kann ich nicht sagen. Aber mich fasziniert, dass sie trotz aller Verletzungen weitermachen und somit wachsen. Sie leben!“

Eine besondere Bedeutung kommt dem Film auch deshalb zu, weil es der letzte mit Pablo Grant in der Rolle des Kriminalobermeisters Günther Márquez ist: Nur zwei Monate nach Ende der Dreharbeiten, die vom 14. November bis zum 14. Dezember 2023 stattfanden, verstarb der Schauspieler und Musiker am 6. Februar 2024 an den Folgen einer Thrombose im Alter von erst 26 Jahren. Im Gedenken an Pablo Grant ist der „Polizeiruf 110: Widerfahrnis“ ihm gewidmet.

Im TV zu sehen ist die Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks am Sonntag, den 2. Februar 2025 um 20:15 Uhr im Ersten.

Polizeiruf-Kritik

Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
Ein Krimi der leisen Töne, der gerade deshalb tief berührt: Nicht die klassische Polizeiarbeit mit harten Fakten steht im Vordergrund, sondern der emotionale Zugang, die Gefühlsebene der Figuren. Immer tiefer werden die Zuschauenden in Sarahs Geschichte, in die Tage unmittelbar vor dem Unfall hineingezogen – und somit auch in ihr Lebensschicksal, dessen brutaler Wucht sich am Ende niemand entziehen kann. Das alles ist schauspielerisch und dramaturgisch bravourös umgesetzt, vor allem durch das geschickte Zusammenspiel der zwei Zeitebenen. Berührend und spannend zugleich: unbedingt einschalten!

Besetzung

Hauptkommissarin Doreen Brasch – Claudia Michelsen
Kriminalrat Uwe Lemp – Felix Vörtler
Kriminalobermeister Günther Márquez – Pablo Grant
René Tamm – Stephan Kampwirth
Emma Tamm – Martina Ebm
Sarah – Mareike Sedl
Dorota – Iza Kala
Berna Kandemir – Rona Özkan
Aylin Kandemir – Soraya Maria Efe
u. v. a.

Stab

Drehbuch – Zora Holtfreter, Lucas Thiem
Regie – Umut Dağ
Kamera – Moritz Anton
Musik – Iva Zabkar
Casting – Mai Seck, Rietz Casting
Kostümbild – Manuela Nierzwicki
Szenenbild – Juliane Hoffrecht
Schnitt – Harald Aue
Licht – Ron Rakowski
Ton – Benjamin Schubert
Maske – Annette Kamont, Britta Karbach
Produktionsleiter – Jörg Kuhlmann
Herstellungsleiter – Jeffrey Budd (filmpool fiction), André Naumann (MDR)
Producerin – Susanna Enk
Produzentin – Iris Kiefer
Redaktion – Denise Langenhan, Johanna Kraus, Adrian Paul