Kurz und knapp – darum geht’s
Ein junger Computerhacker namens Michael Grabowski, genannt „Ikarus“, wird tot aufgefunden, nachdem er am Vortag für Chaos in Berlin gesorgt hatte, indem er alle Ampeln der Stadt auf Grün schaltete. Die Kommissare Till Ritter und Robert Hellmann zweifeln an der offiziellen Selbstmordtheorie und beginnen zu ermitteln, stoßen dabei jedoch auf unerwarteten Widerstand. Die BKA-Beamtin Hanna Kunig scheint alles zu unternehmen, um die Berliner Ermittler auszubremsen. Hinter dem Fall verbirgt sich offenbar ein weit reichender Skandal, der vertuscht werden soll. Als die Kommissare einer Spur nachgehen, die zu einem Milliardenauftrag mit chinesischen Geschäftspartnern führt, geraten sie in ein gefährliches Netz aus Wirtschaftsspionage und Vertuschung…
Inhalt der Tatort-Folge „Tödliches Labyrinth“
Frustriert klappt Kommissar Till Ritter seinen Aktenordner zu, während die Neonröhren im Präsidium unbarmherzig flackern. Der Herbstregen peitscht gegen die Fenster. Ritter ist psychisch angeschlagen – erst kürzlich musste er in Nothilfe für seinen Kollegen Robert Hellmann einen Tatverdächtigen erschießen. Doch für Selbstmitleid bleibt keine Zeit, denn ein rätselhafter Todesfall wartet auf die beiden Ermittler.
Ein junger Mann liegt zerschmettert auf dem Asphalt vor dem Berliner Forum-Hotel – Selbstmord, wie es offiziell heißt. Doch etwas stimmt nicht. „Der Junge hat gerade alle Ampeln Berlins auf Grün geschaltet und das komplette Verkehrssystem lahmgelegt. Warum sollte er sich danach umbringen?“, murmelt Ritter, während er nachdenklich zum Fenster hinausschaut, wo Berlin im grauen Nieselregen versinkt.
Der tote Hacker hatte sich einen Namen gemacht – Michael Grabowski, genannt „Ikarus“, ein tragisch-ironischer Name für jemanden, der vom Dach fiel. Seine Ausrüstung ist teuer, sein Konto weist hohe Bareinzahlungen auf. Die Gerichtsmedizinerin geht von Selbstmord aus, doch die Kommissare haben ihre Zweifel. „‚Er war kein Selbstmörder'“, behauptet seine Mutter mit tränenerstickter Stimme.
Doch je tiefer die Ermittler graben, desto dichter wird der Nebel um den Fall. Wie ein digitales Labyrinth, in dem jeder Pfad in eine Sackgasse führt. In der Wohnung des Toten treffen sie überraschend auf eine Frau, die sich als Computerspezialistin Hanna Kunig vom BKA vorstellt. Ihre Präsenz gleicht einem Eisblock, der langsam den Ermittlungsfluss der Berliner Kommissare einfriert. Bei jedem Schritt vorwärts werden Ritter und Hellmann zurückgedrängt, Akten verschwinden, der Fall soll zu den Akten gelegt werden.
In der Berliner Hackerszene stoßen die Kommissare auf Ruth Brauner, Tochter des Leiters der Verkehrsleitzentrale und genannt „Lady Cyber“. Hellmann spürt, dass sie mehr weiß, als sie zugibt. „Sie waren dort, auf dem Dach, oder?“, fragt er im Verhör, doch Kunig geht dazwischen. Die Spannung zwischen den Beamten wächst, als auch ihr Vorgesetzter Wiegand sie unter Druck setzt, den Fall abzuschließen.
Der ausgeschnittene Wirtschaftsartikel in Ikarus‘ Wohnung führt die Ermittler zur Telekommunikationsfirma SMS-Elektronik, die kurz vor einem Milliardengeschäft mit chinesischen Investoren steht. Die blinkenden Lichter auf dem Dach des Hotels in jener Nacht werfen nur spärliches Licht auf ein Netz aus Intrigen. Was die Ermittler dabei entdecken, lässt sie erschaudern. Denn der scheinbar einfache Hack in die Verkehrsleitzentrale war nur der Anfang eines viel größeren Plans…
Hinter den Kulissen
Die vom SFB (Sender Freies Berlin) produzierte Tatort-Folge 430 „Tödliches Labyrinth“ wurde in Berlin gedreht. Regisseur Dieter Berner setzte dabei auf authentische Berliner Locations – vom imposanten Forum-Hotel bis hin zu den damals noch raueren Ecken der Hauptstadt.
In den Hauptrollen agierten Dominic Raacke als Till Ritter und Stefan Jürgens als Robert Hellmann, die hier erst ihren zweiten gemeinsamen Fall bearbeiten. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Fedor Mosnak und Christian Jeltsch, die mit diesem Krimi ein für die späten 1990er Jahre noch relativ neues Thema aufgriffen: das Hacken und die damit verbundene Cyberkriminalität.
Die Erstausstrahlung am 12. Dezember 1999 fiel in eine Zeit, als das Internet gerade begann, in deutschen Haushalten Einzug zu halten, und der Y2K-Bug weltweit für Verunsicherung sorgte. Mit 6,95 Millionen Zuschauern erreichte die Folge einen beachtlichen Marktanteil von 19,05 Prozent. Die Kritiken fielen positiv aus – TV Spielfilm kommentierte treffend: „Guter Computerkrimi, einloggen lohnt sich“.
Nach der Ausstrahlung kursierten in frühen Internetforen zahlreiche Diskussionen über die technische Authentizität der dargestellten Hacking-Szenen. Besonders bemerkenswert war die Tatsache, dass die Folge „Tödliches Labyrinth“ einer der ersten deutschen Fernsehkrimis war, der sich intensiv mit den Möglichkeiten und Gefahren der damals noch jungen digitalen Welt auseinandersetzte – lange bevor „Cybersicherheit“ zum allgegenwärtigen Schlagwort wurde.
Besetzung
Kommissar Ritter – Dominic Raacke
Kommissar Hellmann – Stephan Jürgens
Hanna – Nina Franoszek
Lady Cyber – Shira Fleisher
Wiegand – Veit Stübner
u.a.
Stab
Drehbuch – Fedor Mosnak
Regie – Dieter Berner
Kamera – Charles Finkbeiner
Schnitt – Kerstin Kexel
Musik – Andreas Bick
Produktion – SFB
Der Tatort Nummer 430 mit den beiden Spitzenbeamten des Berliner Landeskriminalamtes – Morddezernat – Ritter und Hellmann. Ermittelt wird in Sache Selbstmord eines Computerfachmannes, ein illegaler Hacker, frech, forsch, gaunerhaft, tot. Der Selbstmord entpuppt sich als Mord, ein spannender Tatort-Thriller um das Thema Wirtschaftsspionage entwickelt sich, in dem verschiedene Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland, auffällig und weniger auffällig, auftreten und auch die Chinesen vor Ort in der Bundeshauptstadt in Erscheinung treten. Ein Labyrinth tut sich für die Hauptkommissare Ritter und Hellmann auf, wer gegen wen, wer mit wen, wer ist wer? Ein sehr sehenswerter und wiederholungswürdiger Tatort-Spionage-Thriller par exellence, erstaunlicherweise bislang meinungslos und augenscheinlich auf dem Bildschirm vernachlässigt. Zusätzlich sehenswert erscheint die Ende der 1990iger Jahre schon benutzte Technik und das bauliche Berlin mit seiner belebenden Straßenszene.
Diesen Tatort habe ich gestern zum ersten mal gesehen. Es war eine herrliche Zeitreise! Der Tatort an sich war ebenfalls sehr spannend und sehr sehenswert.