Kurz und knapp – darum geht’s
Ein toter Matrose treibt im Kanal von Saarbrücken – der Franzose Jérôme Boucher wurde ermordet. Kommissar Max Palu und sein Assistent Gregor stoßen bei ihren Ermittlungen auf das altersschwache Frachtschiff „Die Möwe“, auf dem das Opfer zuletzt gearbeitet hat. Der Fund von Kokainspuren an Bord führt die Ermittler tief in die Drogen- und Dealerszene, während die finanziellen Sorgen der Schiffseigner weitere Fragen aufwerfen. Als Palu und Gregor der Wahrheit immer näher kommen, geraten sie selbst ins Fadenkreuz skrupelloser Drogenhändler, die vor nichts zurückschrecken…
Inhalt der Tatort-Folge „Die Möwe“
Frühnebel liegt über dem träge fließenden Saarkanal, als ein Spaziergänger eine grausige Entdeckung macht: Im kalten Wasser treibt die Leiche des französischen Matrosen Jérôme Boucher. Kurz darauf radelt Kommissar Max Palu, wie so oft auf seinem Drahtesel, zum Tatort. Der Ermittler mit der markanten Brille und dem unverkennbaren Saarländer Dialekt nimmt sofort die Fährte auf – eine Fährte, die ihn und seinen stets loyalen Assistenten Gregor zunächst zum Arbeitsplatz des Toten führt.
Die „Möwe“ ist ein in die Jahre gekommener Frachtkahn, dessen Eigner Norbert Krause nach 40 Jahren in den Ruhestand gehen will. Das altersschwache Schiff knarzt und ächzt unter den Schritten der Ermittler, als sie an Bord gehen. „Es riecht nach Öl, Schweiß und Resignation“, bemerkt Palu, während er die engen Kajüten inspiziert. Die Befragungen führen schnell zu einem Streit zwischen dem ermordeten Matrosen und seinem Chef – ging es um Geld für die dringend benötigte Renovierung des Schiffes? Oder steckt mehr dahinter?
Die Ermittlungen nehmen eine unerwartete Wendung, als Spürhunde an Bord Kokainspuren sichern. „Wer hätte gedacht, dass dieses rostende Gefährt zum Drogenkurier taugt?“, murmelt Palu, während er vom Deck aus beobachtet, wie am Ufer zwei Männer mit Ferngläsern die Polizeiarbeit beobachten. Die Spur führt in die Drogenszene von Saarbrücken, wo der dem Alkohol nicht abgeneigte Kommissar auf seinen alten Informanten Marcel trifft. „Die großen Fische schwimmen immer stromaufwärts“, verrät dieser kryptisch in einer verrauchten Hafenkneipe.
Parallel verfolgen Palu und Gregor die finanzielle Misere der Schifferfamilie Krause. Sohn Werner und dessen Frau Sybille kämpfen mit Millionenschulden für einen neuen Eurofrachter, während der Banker Decker auf Tilgung drängt. Die Versteigerung der alten „Möwe“ droht – ein Motiv für eine Verzweiflungstat? Wie Eisschollen auf dem winterlichen Kanal treiben die verschiedenen Verdächtigen vor den Augen der Ermittler: der drogenabhängige „Zecke“, die zwielichtigen Dealer Thomas Fahnenburg und Malte Chiric, die überforderte Schifferfamilie.
Die Ermittlungsarbeit gleicht einer Fahrt durch neblige Gewässer – jede Aussage bringt neue Widersprüche, jede Spur verzweigt sich in ungeahnte Richtungen. „In der Binnenschifffahrt gelten eigene Gesetze“, erfährt Palu von einem alten Kapitän am Kai, „Ehre und Schulden wiegen hier schwerer als anderswo.“ Der Kriminalhauptkommissar ahnt, dass die Lösung des Falls in der Vergangenheit des ermordeten Matrosen liegen könnte, der in Frankreich bereits als Dealer aktenkundig war.
Als ein weiterer Todesfall die Ermittlungen verkompliziert, müssen Palu und Gregor alle Register ziehen. Bei einer nächtlichen Observation am nebelverhangenen Kanal kommen sie der Wahrheit gefährlich nahe – zu nahe für die Drahtzieher, die nun auch die Ermittler ins Visier nehmen…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Die Möwe“ ist die insgesamt 450. Folge der traditionsreichen Krimireihe und wurde am 13. August 2000 im Ersten ausgestrahlt. Für Jochen Senf in der Rolle des fahrradfahrenden Kommissars Max Palu war es bereits der 11. Fall im Saarland. Unter der Regie von Hans Noever entstand der Film in Saarbrücken und Umgebung, wobei besonders die atmosphärischen Aufnahmen am Saarkanal und im Milieu der Binnenschifffahrt für authentisches Lokalkolorit sorgen.
Neben den Stammdarstellern Jochen Senf (Max Palu) und Willi Fries (Assistent Gregor) konnte die Produktion mit Karin Baal und Tilo Prückner zwei namhafte Gaststars verpflichten. In weiteren Rollen sind Klaus Barner als Schiffseigner Norbert Krause und Martin Feifel als drogenabhängiger „Zecke“ zu sehen.
Bei seiner Erstausstrahlung erreichte „Die Möwe“ 4,93 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 19 Prozent. Die Kritiken fielen gemischt aus – während einige Rezensenten die atmosphärische Darstellung des Saarländer Milieus und die authentische Darstellung der Binnenschifffahrt lobten, bemängelten andere das eher gemächliche Erzähltempo. Im Verlauf seiner Karriere löste Kommissar Palu insgesamt 18 Fälle für den Tatort und etablierte sich mit seiner bodenständigen Art als beliebte Figur der Krimireihe.
Nach der Ausstrahlung sorgte besonders die realitätsnahe Darstellung der Probleme der Binnenschifffahrt für Diskussionen. Branchenkenner bestätigten die im Film thematisierten wirtschaftlichen Schwierigkeiten vieler traditioneller Schifferbetriebe im Konkurrenzkampf mit moderneren Transportunternehmen – ein Stück Zeitgeschichte, das der Tatort „Die Möwe“ dokumentarisch einfing.
Besetzung
Kommissar Max Palu – Jochen Senf
Gregor, sein Assistent – Willi Fries
Sybille Krause – Susanna Simon
Werner Krause – Pierre Besson
Zecke – Martin Feifel
Anja – Anna Thalbach
Ciric – Christian Wittmann
Marcel – Tilo Prückner
Pauline Fèvre – Carina Barone
Fahnenburg – Holger Handtke
Ingrid – Ingrid Braun
Else Krause – Karin Baal
Norbert Krause – Klaus Barner
Stab
Regie – Hans Noever
Musik – Frank Nimsgern
Buch – Erhard Schmied
Bilder: SR/Gerhard Heisler
Der Tatort Nummer 450 aus Saarbrücken mit Hauptkommissar Palu von der Mordkommission. Er ermittelt in einem verschachtelten Tatort-Spielfilm, aufgrund eines Tötungsdeliktes, später kommt ein weiteres dazu. Zusätzlich wird der Film mit einer Drogenstory aufgefüllt, mit prekären pekuniären Verhältnisse von Unternehmern, Interessen der Binnenschifffahrts-Lobby, Palus Privatleben. Ein sich zäh und langsam dahin schleppender Tatort-Fernsehfilm, den man sich aufgrund der sympathischen Darsteller durchaus ansehen kann. Ansonsten scheint die Ära Palu langsam dem Ende entgegen zu radeln.