Tatort Folge 683: Kleine Herzen

Kurz und knapp – darum geht’s

Die 18-jährige Anne Kempf versucht als alleinerziehende Mutter ihres vierjährigen Sohnes Tim zwischen mehreren Jobs und alltäglichen Verpflichtungen zu bestehen. Als Katrin Sommer, die Schwester des Kindsvaters, Anne ständig kritisiert und sich ungefragt in die Erziehung einmischt, kommt es zu einem folgenschweren Streit im Park, der mit Katrins Tod endet. Die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr, die erstmals ohne ihren Kollegen Carlo Menzinger ermitteln, versuchen die Wahrheit herauszufinden – während sie nicht ahnen, dass sich parallel ein dramatischer Wettlauf mit der Zeit um das Leben des kleinen Tim abspielt, den Anne in ihrer Überforderung eingeschlossen und vergessen hat…

Inhalt der Tatort-Folge „Kleine Herzen“

Schlaflos liegt Anne Kempf auf ihrem Bett, während die Sommerhitze Münchens durch das gekippte Fenster dringt. Morgen um vier Uhr muss sie wieder aufstehen, Zeitungen austragen, dann im Supermarkt arbeiten, zwischendurch putzen gehen – und immer steht die Frage im Raum: Wer kümmert sich währenddessen um Tim? Mit 14 Jahren wurde sie schwanger, jetzt ist sie 18 und eine alleinerziehende Mutter, die verzweifelt versucht, den Anforderungen des Alltags gerecht zu werden.

In diese angespannte Situation hinein ermitteln die Münchner Hauptkommissare Batic und Leitmayr, nachdem Katrin Sommer tot im Park gefunden wurde. Ohne ihren langjährigen Kollegen Carlo Menzinger wirken die beiden Ermittler ungewohnt zurückhaltend, fast nachdenklich. Besonders Leitmayr scheint die Psyche der jungen Mutter nicht zu durchschauen: „Sie sagt Dinge, die klingen vollkommen plausibel und trotzdem hat man danach das Gefühl, dass da irgendwas nicht stimmt.“

Die Wahrheit kommt nur langsam ans Licht: Anne hatte Katrin nach einem Streit über die Erziehung ihres Sohnes einen Stoß versetzt, wodurch diese unglücklich stürzte und starb. Doch während die Kommissare ermitteln, entwickelt sich im Hintergrund eine weitaus dramatischere Situation. Anne, deren Nervenkostüm einem Spinnennetz im Sturm gleicht, lässt ihren Sohn in der Wohnung einer verreisten Nachbarin eingesperrt zurück – und vergisst ihn dort. Die nächtlichen Straßen Münchens, in denen Anne junge Menschen beim unbeschwerten Feiern beobachtet, werden zum Sinnbild für das Leben, das sie nie haben durfte.

Als Tim in seiner Not zum Telefon greift und einen Notruf absetzt, beginnt ein verzweifelter Wettlauf mit der Zeit. Die Stimme des Jungen im Radio, der nach seiner Mama ruft, während der Regen gegen die Fensterscheiben prasselt, durchdringt die sommerliche Schwüle der Stadt wie ein gellender Schrei. Batic konfrontiert Anne mit der Leiche von Katrin – „Das ist der Tod! Davon gibt es kein Zurück!“ – doch die junge Mutter wirkt wie in Trance, gefangen in einem Netz aus Überforderung und emotionaler Erstarrung, während ihr Kind um sein Leben kämpft.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Kleine Herzen“ wurde vom 4. Juni bis zum 5. Juli 2007 hauptsächlich in München gedreht. Bei der Erstausstrahlung am 16. Dezember 2007 im Ersten verfolgten 7,65 Millionen Zuschauer die ungewöhnliche Episode und bescherten dem Sender einen Marktanteil von 21,1 Prozent.

In den Hauptrollen brillieren neben den Stammkommissaren Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl vor allem Janina Stopper als überforderte Mutter Anne Kempf, Max Mauff als desinteressierter Kindsvater Marc Sommer und der kleine Felix von Opel als Tim. Für ihre beeindruckende Darstellung erhielt Janina Stopper 2008 sowohl den Nachwuchsförderpreis des Bayerischen Fernsehpreises als auch den New Faces Award. Zudem wurde die Episode für den 44. Adolf-Grimme-Preis 2008 nominiert.

Mit „Kleine Herzen“ läutete der Bayerische Rundfunk eine neue Ära ein: Es ist der erste Fall ohne Michael Fitz als Carlo Menzinger, der laut Drehbuch eine hohe Erbschaft erhalten hat und nach Thailand ausgewandert ist. Bemerkenswert ist auch der Cameo-Auftritt der bayerischen Comedygröße Django Asül, der als Platzwart im Mähwagen durch ein Fußballstadion fährt.

Nach der Ausstrahlung wurde „Kleine Herzen“ von Kritikern als herausragende Episode gelobt, die mehr Sozialdrama als Kriminalfilm sei. Der Regisseur Filippos Tsitos und die Drehbuchautorin Stefanie Kremser rückten bewusst die gesellschaftliche Problematik der Teenagerschwangerschaften und Überforderung junger Eltern in den Fokus, anstatt die Ermittlungsarbeit in den Vordergrund zu stellen.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

ARD Trailer

Besetzung

Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Ivo Batic – Miroslav Nemec
Anne Kempf – Janina Stopper
Tim Kempf – Felix von Opel
Marc Sommer – Max Mauff
Herr Kempf – Michael A. Grimm
Frau Kempf – Anke Schwiekowski
Herr Sommer – Eisi Gulp
Filialleiter im Supermarkt – Gerd Lohmeyer
Platzwart der Sportanlage – Django Asül

Stab

Regie – Filippos Tsitos
Buch – Stefanie Kremser
Kamera – Ralph Netzer
Musik – Josepha van der Schoot

9 Kommentare

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  1. vor 13 Jahren

    Sehr zeitgemäßes Thema auch sehr spannend gleichzeitig aber etwas bedrückend und zum nachdenken !!!!

    Lg.

  2. vor 13 Jahren

    extrem gutes psycho-sozial drama, erstklassige schauspielkunst von Janina Stopper ;-

  3. vor 11 Jahren

    Voll überzeugend! Gute Schauspieler. Zunächst nüchtern, wächst die Spannung um den kleinen Tim.

  4. vor 11 Jahren

    Ein Tatort der mir durch und durch ging……bei aller Grausamkeit dem kleinen Tim gegenüber ploppt doch immer wieder Verständnis für diese sehr junge, allein gelassene und mit der Erziehungssituation überforderte Mutter auf. Die Versuche, Ihr Leben mit Kind, Job, Jugendamt etc irgendwie zu organisieren……und ein anstrengendes Kind dazu. Großes Lob an die Schauspielerin die Anna sehr überzeugend dargestellt hat, auch die Situation als sie vermeintlich Ihr Kind „verliert“ und gedanklich eigentlich mit ihm abschließt. Mit Tränen in den Augen habe ich die Bemühungen des kleinen Tims verfolgt seine Situation in der Wohnung zu verstehen und das beste daraus zu machen. Als Mutter waren die gezeigten Szenen teilweise hart an der psychischen Grenze und ich habe permanent mit den Tränen gekämpft…und ging schlaflos ins Bett weil die gezeigten Bilder des Lebens dieser jungen Mutter sicherlich bei einigen Frauen der Realität sehr nahe kommen. Für mich ein sehr gelungener Film mit einer Story die an die Nieren geht.

  5. vor 9 Jahren

    Der Tatort 683 aus München. Eigentlich kein Tatort-Thriller, eher ein Sozialdrama mit Tötungsdelikt. Aber dennoch ermitteln die Münchener Kommissare Batic und Leitmayr in diesem einfühlsamen und tragischen Spielfilm. Der geht unter die Haut, der ruft auf. Aber! Eigentlich kein Tatort-Thriller. Soziale Mißstände muß man nicht auf einer Bühne des Kriminalfilms austragen, um hierbei, noch dazu bei einer über Jahrzehnten beliebten Krimiserie, seine persönlichen Meinungen kund zu tun. Regie führte der Filippos Tsitos, verantwortlich für die Musik zeichnet van der Schoot. Wiederholung für mich momentan nicht aktuell.

  6. vor 9 Jahren

    Einer der besten Tatorte. Eigentlich kein Krimi, eher ein Sozial-Drama. Super Schauspieler.

  7. vor 6 Jahren

    Ich habe es heute zum ersten Mal in Fernsehen angeschaut.
    Ich fand diese Tatort Folge traurig, aber es gibt wirklich solche Fälle. Der Deutsche Staat, besonders die Politikern, sollte mehr um um minderjährige Eltern und deren Kinder kümmern.
    Was für mich sehr gut war, wie der kleine Tim solange telefoniert hat bis ein Fremder Mann gemeldet hat. Der Mann versuchte mit Hilfe eines Radiosenders das Leben von Tim zu retten. Tatort hat zu diesem Folge erwiesen, daß die Kinder auch einen Schutzengel haben.

  8. vor 2 Jahren

    Was für ein Tatort. Mutter mit 14, zwei Jobs, dazu ein Vater welcher sich nicht kümmert. Die Schwägerin, die keine Ahnung hat was für eine Belastung ein Kind im Alltag sein kann (egal in welchem Alter). Sie hat es bestimmt gut meint, aber wer alles besser weiß und die junge Mutter zusätzlich noch in die Ecke drängt, läuft Gefahr einer Wölfin gegenüber zu stehen. Ein wackelndes Gerüst aus Lügen alles nur um mit dem Jungen gemeinsam überleben zu können. Jegliche Unterstützung der Familie und von Bekannten voll ausgereizt. Dann der beinahe Unfalltod, der zu viel war für die Psyche der Anne. Das hilflose Kind in diesem Wohnzimmer, welches aus der Gießkanne trinkt und versucht die Mama anzurufen. Wirklich bedrückend.
    Ich war selbst Mutter mit 17 mein Sohn hatte als Kind optisch Ähnlichkeit mit Tim im Film und er heißt Tom. Anne hat mir sofort das Gefühl zurück gegeben wie es damals war.. nachts putzen zu gehen, das Kind noch im Halbschlaf aus dem Bett holen zu müssen um pünktlich zur Lehrstelle zu kommen und die erste und letzte im Kindi sein, ein ständig schlechtes Gewissen und die abwertenden Blicke der anderen Menschen. Also dieser Tatort hat tiefe Erinnerungen und Gefühle in mir geweckt und dabei hatte ich den Freund und Familie die mich unterstützten. Für mich also ein besonders emotionaler Tatort mit realistischen Problemen junger alleinerziehender Mütter. Ein tolles Team aus München. Danke für den spannenden Abend.

  9. vor 2 Jahren

    @Melanie:

    Toller Kommentar, chapeau! 🎩
    (ich kann das Herzblut hinter Ihren Worten fühlen …) :-)

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