Tatort Folge 798: Grabenkämpfe

Kurz und knapp – darum geht’s

Im Streit um die Zukunft des Stuttgarter Kunstareals wird Stefan Aldinger, einer der beiden Geschäftsführer, erschlagen auf dem Gelände aufgefunden. Sofort geraten mehrere Verdächtige ins Visier der Kommissare Lannert und Bootz: die eifersüchtige Ehefrau Elena, der skrupellose Bauunternehmer Walter Rühle, der auf dem Gelände eine lukrative Wohnanlage errichten will, und der Geschäftspartner Timo Holzmann. Als die Ermittler auf eine heimliche Verbindung zwischen dem Opfer und dem Kunsthistoriker Julian Siebert stoßen, geraten sie in einen gefährlichen Strudel aus Leidenschaft, Eifersucht und politischen Machtkämpfen…

Inhalt der Tatort-Folge „Grabenkämpfe“

Graue Wolken hängen über dem Stuttgarter Nordbahnhof, als die Kommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz am frühen Morgen auf dem Gelände des alternativen Kulturareals eintreffen. Die Lichter der Polizeifahrzeuge werfen unruhige Schatten auf den Asphalt, während der Regen das Blut um den reglosen Körper von Stefan Aldinger langsam verwischt. Eine Rohrzange, die vermutliche Tatwaffe, fehlt – der Täter muss sie mitgenommen haben.

Thorsten Lannert wirkt angespannt, seine Stimme klingt rau, als er die ersten Befragungen durchführt. Der wortkarge Ermittler trägt seine persönliche Geschichte wie eine schwere Last mit sich – seit seiner Zeit als verdeckter Ermittler in Hamburg fällt es ihm schwer, Menschen zu vertrauen. Sein Partner Sebastian Bootz hingegen kämpft mit den Nachwirkungen seiner gescheiterten Ehe, die emotionalen Wunden sind noch nicht verheilt. Zwischen knappen Gesprächen über den Fall tauschen sie bedeutungsvolle Blicke aus – beide wissen, dass hier mehr im Spiel ist als ein einfacher Mord.

„Es ist wie ein Minenfeld“, murmelt Lannert, als sie die Wohnung von Elena Aldinger, der Frau des Opfers, betreten. Die professionelle Kickboxerin wirkt am Boden zerstört, doch unter ihrer Trauer lauert etwas Dunkles. Ihre Hände, trainiert für den Kampf, zittern kaum merklich. „Er wollte mich verlassen, obwohl ich sein Kind unter dem Herzen trage“, gesteht sie schließlich. Die Ermittler entdecken eine große Menge Bargeld und erfahren von einem heftigen Streit am Vorabend des Mordes.

Die Spur führt zu Walter Rühle, einem der einflussreichsten Bauunternehmer Stuttgarts. In seinem gläsernen Büro mit Blick über die Stadt thront er wie ein König, der gewohnt ist, dass sich alles nach seinem Willen fügt. „Das Kulturgelände ist ein Schandfleck, der einer modernen Wohnanlage weichen muss“, erklärt er mit schneidender Stimme. Die Gemeinderätin Wilma Fuchs beschuldigt ihn offen, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Als tatsächlich eine Rohrzange in seinem Wagen gefunden wird, scheint der Fall gelöst – doch die Forensik bringt eine überraschende Wendung: Es ist nicht die Tatwaffe.

Der Weg der Ermittlungen gleicht einem Labyrinth aus Widersprüchen und falschen Fährten. In einem schäbigen Café, dessen flackernde Neonreklame die verregnete Straße in unwirkliches Licht taucht, treffen Lannert und Bootz auf Clemens Doll, einen ehemaligen Schulkameraden von Bootz, der als Justiziar für Rühle arbeitet. „Manchmal verkauft man seine Seele Stück für Stück, ohne es zu merken“, sagt er bitter, während der Regen gegen die Fensterscheiben prasselt.

Auf dem Kulturgelände, wo zwischen rostigen Containern und bunten Graffitiwänden neues Leben aus dem industriellen Verfall entstanden ist, begegnen sie Dr. Julian Siebert. Der Kunsthistoriker betreibt dort ein Yogastudio und gibt sich auskunftsfreudig. Doch hinter seiner ruhigen Fassade verbirgt sich ein Geheimnis, das erst ans Licht kommt, als Timo Holzmann, der Geschäftspartner des Toten, bei einer plötzlichen Explosion in seinem Büro nur knapp dem Tod entgeht.

Die Ermittlungen beschleunigen sich wie ein Zug, der führerlos durch die Nacht rast. Während über Stuttgart ein Gewitter aufzieht, setzen die Kommissare die Puzzleteile zusammen und erkennen, dass in diesem Fall die Wahrheit so komplex ist wie die Stadt selbst – mit ihren Gräben zwischen Tradition und Fortschritt, zwischen persönlichen Leidenschaften und öffentlichen Interessen…

Hinter den Kulissen

Der „Tatort: Grabenkämpfe“ ist der achte Fall des Stuttgarter Ermittlerduos Thorsten Lannert (Richy Müller) und Sebastian Bootz (Felix Klare). Produziert wurde der Film von Maran Film und dem Südwestrundfunk unter der Regie von Zoltan Spirandelli, der später viele Tatort-Folgen aus Saarbrücken inszenierte.

In den Gastrollen brillieren Jasmin Gerat als temperamentvolle Kickboxerin Elena Aldinger, Rüdiger Vogler als machtbewusster Bauunternehmer Walter Rühle und Guntbert Warns als Timo Holzmann. Komplettiert wird der Cast durch Birthe Wolter als Lannerts Nachbarin Lona und Carolina Vera als Staatsanwältin Emilia Álvarez.

Die Uraufführung des Films fand am 3. Dezember 2010 bei der Filmschau Baden-Württemberg statt, bevor er am 25. April 2011 zur Hauptsendezeit im Ersten ausgestrahlt wurde. Mit 7,44 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 22,2 Prozent war „Grabenkämpfe“ ein voller Erfolg. In der Gruppe der 14- bis 49-jährigen Zuschauer wurden 2,15 Millionen Zuschauer und ein Marktanteil von 16,2 Prozent erreicht.

Besonders interessant: Die Handlung weist deutliche Parallelen zur damals heftig diskutierten Auseinandersetzung um Stuttgart 21 auf, insbesondere beim Bürgerprotest gegen den geplanten Abriss der Wagenhallen. Die Drehbuchautoren Stefan Cantz und Jan Hinter, die bereits an acht Tatort-Folgen des Münsteraner Teams um Thiel und Boerne mitgearbeitet hatten, bauten zudem eine amüsante Anspielung auf den Münsteraner Rechtsmediziner Prof. Boerne ein: Der Stuttgarter Rechtsmediziner Daniel Vogt (Jürgen Hartmann) beschwert sich nach einer Tagung über die „pausenlosen Schwadronaden des geschätzten Münsteraner Kollegen“.

Mit seinen authentischen Stuttgarter Schauplätzen – von den tatsächlich existierenden Wagenhallen bis zu den Straßencafés auf der Königstraße – bietet „Grabenkämpfe“ nicht nur einen spannenden Kriminalfall, sondern auch ein faszinierendes Porträt der schwäbischen Metropole im Spannungsfeld zwischen kultureller Identität und urbanem Wandel.

Videos zur Produktion

ARD Trailer

Besetzung

Hauptkommissar Sebastian Bootz – Felix Klare
Hauptkommissar Thorsten Lannert – Richy Müller
Kriminaltechnikerin Nika Banovic – Miranda Leonhardt
Staatsanwältin Emilia Álvarez – Carolina Vera
Julia Bootz – Maja Schöne
Gerichtsmediziner Daniel Voigt – Jürgen Hartmann
Lona [Lannerts Nachbarin] – Birthe Wolter
Timo Holzmann – Guntbert Warns
Stefan Aldinger – Christoph Jacobi
Siegfried Eisele – Christian Pätzold
Wilma Fuchs – Annedore Kleist
Elena Aldinger – Jasmin Gerat
Julian Siebert – Arnd Klawitter
u.a.

Stab

Drehbuch – Stefan Cantz, Jan Hinter
Regie – Zoltan Spirandelli
Kamera – Jürgen Carle
Musik – Andy Groll

Bilder: SWR/Stephanie Schweigert

12 Kommentare

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  1. vor 14 Jahren

    + > die Anspielung auf den Kollegen aus Münster (Professor Karl-Friedrich Boerne)

    – > schlechter Klischee-TO

  2. vor 14 Jahren

    Solide inszeniert, allerdings am Ende mal wieder viel Tamtam um irgendwas, was dann mit der Tat gar nicht viel zu tun hatte. Spekulantenkritik ist ja seit Stuttgart 21 voll angesagt(so auch hier), die Geschichte vom verschmähten Sohn hat auch schon einen Bart. Privatkram gibt es leider auch mal wieder, dabei interessieren mich weder Lannerts Nachbarin mit Schrankproblemen noch die Grillfeier von Familie Bootz und daß Bootz Junior Kollegen Lannert nun duzen darf, weil er Onkel Thorsten ja so „cool“ findet.
    Trotzdem besser als das, was es im Vorjahr so zu sehen gab.

  3. vor 14 Jahren

    Zur Zeit spielt ein und derselbe Schauspieler (Arnd Klawitter) gleich in 3 neuen Tatort-Folgen (798/800/801) mit. Gibts keine anderen mehr?

  4. vor 14 Jahren

    Schon sehr fantasiereich, was sich so ein Drehbuchspinner als Krimi ausdenkt. Noch verrückter ist, dass sowas auch noch angekauft wird.

    Live-Sat-Bilder von beliebigem Ort der Welt zu jedem beliebigen Zeitpunkt (auch als Aufzeichnung vergangener Ereignisse) sind der Traum eines jeden Innenpolitikers.

    Gottseidank ist das technisch in absehbarer Zeit (wahrscheinlich nie) möglich. Das ist sogar für Science Fiction schon zu durchgeknallt.

    Das ganze kombiniert man noch mit einer überaus genauen Handyortung und die Fiktion ist komplett.

    Leute, falls ihr keine Drehbücher mit gutem Stoff und realistischer Umsetzung mehr findet, dann lassst es einfach und sendet Sport. Früher war der Tatort ja einmal eine gute Krimiserie…., früher …

  5. vor 12 Jahren

    Diese Folge ist nicht besonders spannend und eher Realitätsfern als Realitätsnah. Zu stark konstruiertes Thema.

  6. vor 12 Jahren

    net so dolle

  7. vor 11 Jahren

    Leider werden nicht alle tatorte des jeweiligen Tages auf dieser Seite angezeigt

  8. vor 11 Jahren

    Ziemlich guter, unaufgeregter, aber spannend konstruierter Tatort, finde ich. Lannertz und Bootz sind eh klasse.

  9. vor 10 Jahren

    Ein ohnehin farbloses Gespann müht sich um Aufklärung eines eher Routinefalles. Dabei fällt auf, dass wider Erwarten wieder einmal jedes Lokalkolorit abgängig bleibt und dass die beiden Ernmittler wie Ermittlungsroboter einer unsichtbaren Schiene folgend dennoch ein Ziel erreichen. Ein Ziel, das dem Zuschauer nicht ohne weiteres schlüssig und ersichtlich erscheint.

  10. vor 10 Jahren

    Ja, das ist halt so ein Krimi, der davon lebt, dass die Ermittler gnadenlos sympathisch sind. Intaktes Familienleben, trotzdem ein Running Gag hier und dort (der Ikea-Einsatz, die Träume vom bezahlbaren Wohnraum mitten in Stuttgart). Und am Tatort die üblichen Verdächtigen mit ein bisschen Schwäbeln und Viertelesgeschlotze. Alles sehr familiär, ohne nun völlig den Fall zu überlagern. Ach ja, der Fall: War’s der Baustellen-Tycoon im S21-Umfeld? Sein biegsamer Adlatus? Die gehörnte Ehefrau? Der Vokuhila-Geschäftspartner? Der schwule Kurator? Die üblichen Leimruten werden für den Zuschauer ausgelegt, und am Ende war’s dann… naja gut, nicht so wichtig.

    Nette Abendunterhaltung, wenn man nicht gerade nervenzerfetzende Spannung oder tiefgründige Gesellschaftskritik erwartet. Solide drei Sterne.

  11. vor 9 Jahren

    Der Tatort mit der Nummer 798 aus Stuttgart. Der Titel zum Film passt wie die Faust auf’s Auge und so werden Grabenkämpfe in aller Regel ja auch durchgeführt. Blutig und brutal. Die Hauptkommissare Lannert und Bootz von der Mordkommission ermitteln in diesem undurchsichtigen Tatort-Fernsehfilm. Die geheime Liebe eines Homo-Pärchens und die durchtrainierte Kampfsportlerin, welche die Ehefrau eines der Liebenden ist, sind Hauptbestandteil dieses soliden gedrehten Tatort-Streifens. Dazu ein kleiner korrupter Bauskandal, Finanzspekulationen und jede Menge zwielichtige Charaktere. Nicht übermäßig spannend aber sehenswert mit altbekannten Darstellern der Stuttgarter Tatort-Gesellschaft. Und die Einlagen mit Lannerts Nachbarin zeigen auch immer, dass der Typ auch noch ein Privatleben hat, neben seinem 911er. Nett.

  12. vor 4 Jahren

    Sehr witzig die Anspielung auf den „Professor aus Münster“, der den Stuttgarter Rechtsmediziner auf einem Kongress stundenlang vollgelabert hat. Man sieht sofort Professor Boerne vor seinem geistigen Auge.

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