Kurz und knapp – darum geht’s
In Wien wird ein Student auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums eiskalt erschossen – doch eigentlich galt der Mordanschlag einem anderen: Josef Müller, der in Wahrheit Mirko Gradić heißt und während des Bosnienkriegs penibel Buch über die Gräueltaten seiner serbisch-nationalistischen Miliz „Sveti Tigar“ geführt hat. Als dieser sich der Polizei offenbart, beginnt für Moritz Eisner und Bibi Fellner ein Wettlauf gegen die Zeit, denn die in Wien untergetauchten Kriegsverbrecher schrecken vor nichts zurück, um den vermeintlichen Verräter zum Schweigen zu bringen und setzen sogar seine Familie als Druckmittel ein. Als die Ermittler glauben, die Gefahr gebannt zu haben, tritt plötzlich der gefürchtete Kommandant der „Heiligen Tiger“ selbst aus den Schatten – und stellt Eisner vor eine unmögliche Entscheidung.
Inhalt der Tatort-Folge „Kein Entkommen“
Schweißgebadet und griesgrämig liegt Chefinspektor Moritz Eisner mit Grippe im Bett, während draußen im winterlichen Wien die Kälte das Leben einfriert. „Ich bin im Krankenstand. Ich brauche Ruhe und keine hysterischen Weiber um mein Bett“, blafft er seine Tochter Claudia und seine neue Assistentin Bibi Fellner an. Doch die Nachricht vom Mord an einem Studenten lässt ihn schlagartig genesen – Fellners gespielte Gelassenheit, sie müsse nun wohl „allein dahin“, wirkt wie ein Wundermittel.
Das Opfer wurde auf dem eisigen Parkdeck eines Einkaufszentrums regelrecht hingerichtet – „zur falschen Zeit am falschen Ort“, wie die Täter selbst feststellten. Die Kugeln sollten eigentlich Josef Müller treffen, der mit seiner Grippe im Bett liegt. Dem gelingt die Flucht vor den Angreifern – halbnackt im Schlafanzug springt er aus dem dritten Stock auf ein Autodach, hetzt über vereiste Straßen und durch U-Bahn-Tunnel. In seiner Verzweiflung offenbart er der Polizei seine wahre Identität: Mirko Gradić, ehemals Mitglied der berüchtigten serbischen Miliz „Sveti Tigar“, die für zahlreiche Kriegsverbrechen verantwortlich ist.
In Eisners Büro treffen Welten aufeinander. Die Interpol-Beamtin will den Fall an sich reißen – „Wir untersuchen einen Völkermord“ – doch Eisner beharrt auf seiner Zuständigkeit: „Wollen Sie mit mir Quartett spielen? Wer hat mehr Leichen?“ Der Humor ist ihm trotz Grippe nicht vergangen, während seine Kollegin Fellner, eine trockene Alkoholikerin, mit ihrer übersprudelnden Energie und eigenwilligen Hausmitteln – rohe Knoblauchzehen und heiße Zitrone – gegen die grassierende Grippewelle ankämpft.
Wien, so heißt es im Film, sei die „viertgrößte serbische Stadt der Welt“ – ein Labyrinth aus alten Feindschaften und neuen Identitäten, in dem sich die Kommissare nur mühsam zurechtfinden. Die Jagd auf Gradić und seine Familie gleicht einem Katz-und-Maus-Spiel in einem Minenfeld, bei dem niemand weiß, wer Freund oder Feind ist. Selbst das vermeintlich sichere Polizei-Versteck wird zum Schlachtfeld, als die „Heiligen Tiger“ zuschlagen. „Dreizehn Leichen in weniger als einer Stunde“, bilanziert Eisners entsetzter Vorgesetzter.
Die Gefühle in diesem winterlichen „Tatort“ sind so eingefroren wie die Straßen, während sich die Ermittler einem unsichtbaren Feind stellen müssen. Als sie endlich die Drahtzieher identifizieren – Radovan Jurkic, genannt „Der Schlächter“, und den mysteriösen Anführer Mladen Ivesevic, „Der Heilige“ – schmieden sie einen riskanten Plan. Mit Gradićs grippeerkranktem Sohn Max als unfreiwilligem Köder stellen sie im Krankenhaus eine Falle. Doch niemand ahnt, wie tief die Verschwörung reicht und wie nah der eigentliche Feind bereits ist…
Hinter den Kulissen
Die Dreharbeiten zum Tatort „Kein Entkommen“ fanden vom 16. Februar bis 19. März 2011 in Wien und Umgebung statt. Bemerkenswert ist, dass Fabian Eder in diesem ORF-Beitrag gleich drei zentrale Funktionen übernahm: Er führte nicht nur Regie, sondern war auch für die Kameraarbeit verantwortlich und wirkte am Drehbuch mit.
In den Hauptrollen glänzen Harald Krassnitzer als Chefinspektor Moritz Eisner in seinem bereits 27. Fall und Adele Neuhauser als seine Assistentin Bibi Fellner in ihrem dritten gemeinsamen Einsatz. Die Rolle des Mirko Gradić/Josef Müller wurde überzeugend von Christoph Bach verkörpert, dessen physisch intensive Darstellung in den Fluchtszenen von der Kritik besonders hervorgehoben wurde. Zu sehen sind außerdem Tanja Raunig als Eisners Tochter Claudia.
Mit einer Opferzahl von 15 Leichen stellte „Kein Entkommen“ zeitweise einen traurigen Rekord in der „Tatort“-Geschichte dar. Die Erstausstrahlung am 5. Februar 2012 erreichte in Deutschland beachtliche 7,66 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 20,8% für Das Erste. In Österreich verfolgten 955.000 Zuschauer den Krimi, was einem Marktanteil von 29% entsprach.
Als Inspiration für das Drehbuch diente nach Angaben des Regisseurs insbesondere der berüchtigte serbische Kriegsverbrecher Željko Ražnatović, genannt „Arkan“, und seine Freischar „Arkans Tiger“. Die musikalische Begleitung des Films bildet Robert Schumanns „Von fremden Ländern und Menschen“ aus seinen Kinderszenen op. 15, die als Leitmotiv durch alle familiären Szenen führt und einen bemerkenswerten Kontrast zur Brutalität der Handlung schafft.
Nach der Ausstrahlung wurde der Film von der Kritik für seine geradlinige, thrillerhaft inszenierte Handlung und die beeindruckenden Action-Szenen gelobt. Besonders das Zusammenspiel von Krassnitzer und Neuhauser wurde als eines der besten „Tatort“-Duos hervorgehoben, wobei der offene Schluss – zwei mysteriöse Männer betreten das Krankenzimmer – bei den Zuschauern für Diskussionen sorgte, ob die Bedrohung tatsächlich vorüber sei.
Mehr Klischees konnte man nicht reinpacken oder wie.
Sehr gut! Wirklich sehr spannend!
Wow, was ein Hammerthema. Ich fand ihn unglaublich gut. Man wusste von Anfang an, wer der Mörder war und musste trotzdem bis zum – leider bitteren – Ende mit rätseln.
Ganz groß!
Das interessante Thema des Tatorts hätte wahrlich eine bessere Umsetzung verdient.
Die Stümpereien der Ermittler ließen einem die Haare zu Berge stehen:
– Als man feststellt, dass der Falsche erschossen worden war, eilt man nicht etwa zu dem eigentlich vorgesehenen Opfer, sonder plaudert in Ruhe in einer Kneipe über Anti-Grippe-Mittel
– Ungehindert können die Killer in ein schwer bewachtes Haus eindringen und alle – bis auf die geplanten – umbringen
– Mit dem kranken Kind wird einfach so zum Arzt gefahren anstatt einen Polizeiarzt in das Haus kommen zu lassen
– Kommissar und Kommissarrin gehen natürlich mal wieder alleine ins von Killern wimmelnde Stammlokal und werden trotz heftigstem MP-Geballers nicht mal verletzt
– Nach der finalen Aktion im Krankenhaus werden Eltern und Kind unbewacht dort gelassen
Der Clou war allerdings: Ein Kinderarzt mit Rauschebart – war da nicht was? Ach ja, Radovan Karadžić lässt grüßen! Wer einigermaßen vertraut mit den Ereignissen in Jugoslawien war, wusste spätestens beim Anblick des Arztes, wer der Oberschurke war.
Fazit: Story gut – Umsetzung auf unterstem Niveau.
Klischees. Zoki, geh mal ins Rotlichtviertel groesserer deutscher Staedte. Das war ein erstklassiger Tatort. Wusste schon fuer eine weile das der Doktor was damit zu tun haben koennte.
Werden hier kritische Kommentare eigentlich kommentarlos gelöscht?
Ich hatte heute morgen schon einmal gepostet, der Eintrag ist jetzt aber wieder verschwunden.
Meine Kritik war, dass man ein spannendes Thema dilettantisch umgesetzt hat:
– Nachdem klar war, dass auf dem Parkplatz der Falsche ermordet wurde, suchen die Kommisare nicht umgehend das eigentlich gemeinte Opfer auf, sondern ergehen sich in Fachsimpeleien über Anti-Grippe-Mittel.
– In einem schwer bewachten Haus können die Killer alle Wachpersonen problemlos töten – die eigentlich gemeinte Familie des Deserteurs kommt aber ungeschoren davon.
– Es wird mit Mutter und Kind der Kinderarzt aufgesucht, statt einen zuverlässigen Mediziner in das Versteck kommen zu lassen.
– Die Kommissare stürmen (wie leider so oft im Tatort) zu zweit die Stammkneipe der Killer anstatt Verstärkung herbeizuholen; bei dem anschließenden MP-Geballer wird ihnen allerdings kein Härchen gekrümmt.
– Nach der finalen Krankenhausszene wird die Familie des Deserteurs unbewacht im Krankenhauszimmer zurück gelassen, obwohl klar ist, dass sich noch diverse Mitglieder der Killer-Einheit in Wien aufhalten.
Wer einigermaßen mit der Geschichte der Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien vertraut ist, dürfte beim Anblick des rauschebärtigen Kinderarztes ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben – Radovan Karadžić lässt grüßen!
Die Entlarvung des Oberschurken war daher keine große Überraschung mehr.
Ich bin verwirrt – nun ist auch mein alter Kommentar plötzlich wieder da!
Das war für mich der perfekte Tatort.
Klasse Timing, tolle Story hinter die man gestiegen ist und dennoch immer Spannung, Spannung, Spannung. Bis zur allerletzten Sekunde, selbst als die Kommissare schon heiter im Wagen saßen.
Hier hat einfach alles gestimmt.
Bibi Fellner tut soo gut, etwas besseres hätte Eisner nicht passieren können!
Auch wenn ich über das Ende erst etwas verdutzt war, finde ich jetzt, dass es hier kein besseres hätte geben können! Unbedingt ansehen und mitreden!
@Frank:
Hatte mich natürlich über den Namen des Doktor gewundert, aber wie’s so ist keinen Verdacht geschöpft..(;
Wie fandet ihr denn das Ende? Ich persönlich mag es nicht, wenn man nicht 100%ig weiß, was passiert. Warum hat man diesen Schluß gewählt?
Ein sehr empfindliches Thema. Großes Lob an die gesamte Tatort Manschaft. Es wurde uns ein kleiner Einblick in die große Folgen des Balkan Krieges (1992-1995) gewährt.
Vielen Dank.
>Hatte mich natürlich über den Namen des Doktor gewundert, aber wie’s so ist keinen Verdacht geschöpft.
Dabei hatte sogar seine Vorzimmerpalme einen Namen auf -ic. :-)
Kann mir jemand sagen, welches klassische Stück bei diesem Tatort immer wieder vorkam? Ich rätsle schon dauernd vergeblich… danke!
Ich habs selber gefunden – Schumann ; Kinderszenen, “ Von fremden Ländern und Menschen“
Viel Spaß damit, falls es noch jemand sucht!
Wahnsinn, dieser Tatort. Ich habe ihn mir sogar zweimal angesehen. Super, dass das Thema Kriegsverbrechen auch mal aufgegriffen wurde. Und das auch noch mit nem Spitzenteam. 5 Sterne.
wie immer: die weaner sind die besten!!! wenn nur mehr folgen aus wien kämen …
Spannender und unterhaltsamer Tatort, trotz diverser Mäkel.
Für mich einer der besten und packensden Tatorte, die in den letzten Jahren gesendet wurden. Bibi Fellner (Adele Neuhauser) ist eine absolute Bereicherung. Da kann die Botox-Schnute aus Leipzig nicht mithalten. Insgesamt geben die Wiener Tatorte Grund zur Hoffnung.
Außerdem mag ich den Dialekt. Mundart sollte in jedem Tatort eine große Rolle spielen. Schade, daß das bei einigen deutschen Tatorten (z.B. Lannert und Bootz) nicht mehr der Fall ist.
Der Tatort mit der Nummer 827 aus Wien. Die österreichischen Sonderermittler Eisner und Fellner treten einer politisch motivierten Attentatswelle entgegen, welche eine enorme Menge an Leben kostet, bis sie letztlich aufgehalten werden kann. Auslöser ist die Flucht eines serbischen Deserteurs, voll in den damaligen Balkankrieg involviert und mit einem dick geführten Tagebuch ausgestattet, nach Österreich. Es entwickelt sich ein Tatort-Thriller der mich gesehen hat. Kein üblicher „Kintopp-Action-Baller-Film“ sondern ein schon an der Realitätsgrenze gelegener „Topp-Gun“, wenn auch auf einen 90-Minuten-Spielfilm reduziert und in Wirklichkeit sicherlich mit anderem Personal und anderen Gerätschaften durchgeführt. Dennoch, ein spannender und sehenswerter Spielfilm über kriegsverbrecherische Organisationen und ihre lange (schwarze) Hand bis in die westlichen Demokratien hinein. Diesen Tatort sehe ich mir auch in Wiederholung immer einmal wieder an.
Nojo, kann ich als Wienerin da nur sagen, is ja urgfährlich bei uns!
Obwohl ich zugeben muss, dass das Thema nicht schlecht gewählt war,
Aber so dumm ist die Kobra nicht, dass ihnen der Kinderarzt nicht aufgefallen wäre … und der Schluss ist kryptisch, der Mirko ist doch mit allen Wassern gewaschen und hätte sich denken können, dass die ihm bis ins Spital nachrennen … und die Polizei in so einem Fall abgezogen wird ist ja auch mehr als unwahrscheinlich…
Welch eine gute Folge aus Wien! So stellt man das Thema Kriegsverbrecher und Jugoslawien angemessen dar, auch wenn der Bodycount schon ein wenig hoch war. Ganz großes Kino.
Guter Tatort, leider mit ein paar logischen Schwächen (siehe Beitrag von Hasso). Trotzdem recht unterhaltsam.
Guter Tatort, mit hohem Unterhaltungwert !!
2012 konnte man noch Tatort schauen……….
Ziemlich brutal und politisch völlig unkorrekt, aber ein hochspannender und richtig packender Polit-Thriller.
Wie heißt die schöne Piano Musik beim Tatort kein entkommen?
Den bisherigen wohlgemeinten Kommentaren kann ich mich anschließen. Recht gut inszenierter Tatort aus Wien.
Im Pyjamahöschen und verletzt durch den Bahnhof und kaum einer guckt? 😳
Diesen Tatort aus dem Jahr 2011 habe ich nun erst zum ersten Mal gesehen und wollte ihn erst gar nicht einschalten, da ich im Grunde nicht so ein Fan des Wiener Teams bin. Zum Glück habe ich ihn eingeschaltet und er wirklich sehr, sehr gut. Spannend und actionreich von Anfang bis Ende gepaart mit hervorragender Leistungen der Schauspieler. Sehr sehenswert!!!
Gnadenlos gut! Mutiges Thema. Mutig auch der gezeigte Blickwinkel der beiden Hauptfiguren. Ein gelungener Spagat zwischen Pflichterfüllung, der Wahrung von Recht und Ordnung und dem innerlichen Kampf mit der eigenen, aufgestauten Wut. Absolut spannend, fesselnd und großartige Darsteller.
Bodycount ist hoch, aber man sollte reinschauen, entweder gefällt es einem und man bleibt drin, denn es geht nahtlos so weiter oder mag den Anfang nicht, dann sollte man gleich wieder raus.
In dem Tatort geht es zur Sache. Zum Glück nur Fiktion für Wien. „Heat“ auf wienerisch. Natürlich: „We condemn any violence!“
Wenn man diese Folge sieht, könnte man tatsächlich glauben, Wien sei „Chicago geworden“ (war ein früherer politischer Slogan hier).
Das ist und war – auch zum Zeitpunkt dieser Folge (2012) – in der Realität bisher nicht ganz so schlimm hierzulande.
(Allerdings, wenn ich in Richtung Schweden schaue, sollte man auch nicht zu sicher sein, dass das Gezeigte – oder vergleichbare Szenarien – in Wien immer ‚Fiktion‘ bleiben werden.)
Für mich zählt diese Wiener Folge zu den schwächeren. 😑