Tatort Folge 217: Der Pott

Kurz und knapp – darum geht’s

In einem Duisburger Stahlwerk protestieren Arbeiter mit einer Werksbesetzung gegen drohenden Arbeitsplatzabbau, wobei die Bevölkerung sie mit Spenden von über einer halben Million Mark unterstützt. Als dieser „Pott“ bei einem brutalen Überfall gestohlen wird und kurz darauf der Gewerkschaftsfunktionär Günther Broegger tot aufgefunden wird, muss Kommissar Schimanski ohne seinen nach Bonn gewechselten Partner Thanner ermitteln. Mit dem jungen Kollegen Jo Wilms vom Raubdezernat verfolgt Schimanski eine Spur, die tief in die Kreise des Bundeskriminalamts führt – ohne zu ahnen, dass der Verrat viel näher liegt als gedacht…

Inhalt der Tatort-Folge „Der Pott“

Grauer Rauch steigt über den Schornsteinen des Duisburger Stahlwerks auf, während drinnen die aufgebrachten Stimmen der Arbeiter durch die hallenartigen Räume hallen. Unter ihnen Rio Reiser, der mit seiner Band für die Streikenden spielt und mit dem Lied „Über Nacht“ die angespannte Atmosphäre der Werksbesetzung einfängt. Die Stahlkocher kämpfen gegen die drohende Schließung ihres Werks – ein Kampf, den sie ohne gewerkschaftliche Legitimation führen müssen.

Für Kommissar Horst Schimanski ist es ein denkbar schlechter Zeitpunkt, als sein langjähriger Partner Christian Thanner nach Bonn zum Bundeskriminalamt wechselt. „Ausgerechnet jetzt haut er ab, wenn ich ihn am meisten brauche“, murmelt Schimanski in seinen nicht vorhandenen Bart, während er seinen abgewetzten Beige-Parka enger um sich zieht. Die Trennung des eingespielten Duos kommt in einem Moment, in dem Ruhrpott-Solidarität wichtiger denn je wäre.

Als in einer Kleingartenanlage nahe der Arbeitersiedlung in Duisburg-Hochfeld die Leiche von Günther Broegger gefunden wird – einem der Überfallenen beim Raub der Streikkasse – beginnt für Schimanski eine Ermittlung, die ihn tiefer in den Sumpf führt, als er zunächst ahnt. Die Obduktion offenbart: Es war eine regelrechte Hinrichtung. Schimanski bekommt Jo Wilms vom Raubdezernat als vorläufigen Partner zugeteilt – einen jungen Heißsporn, dessen Vater selbst einst aus dem Stahlwerk entlassen wurde und der die Wut der Arbeiter gut nachvollziehen kann.

Die Suche nach den Dieben des „Potts“ – jener Spendenkasse mit über einer halben Million Mark – führt zu den Kleinkriminellen Struppek und Golonska. Doch wie passt das BKA ins Bild, dessen Mitarbeiter plötzlich wie graue Schatten im Umfeld der Streikenden auftauchen? Die Ermittlungen gleichen einem Tanz auf glühenden Kohlen – jeder Schritt könnte die ohnehin erhitzte Stimmung im Werk zum Explodieren bringen.

Während Schimanski in den Arbeitersiedlungen ermittelt, wo die Wohnblöcke wie versteinerte Zeugen besserer Zeiten wirken, setzt er auf die Unterstützung seines Ex-Partners Thanner in Bonn. Eine Bankverbindung bringt schließlich Licht ins Dunkel: Broegger war offenbar ein V-Mann des BKA. „Du kannst niemandem mehr trauen“, warnt Thanner bei einem heimlichen Treffen. „Die Grenze zwischen Freund und Feind verschwimmt wie Kohlenstaub im Regen.“

Als Schimanski Wilms schließlich mit seinem Verdacht konfrontiert und sie den Mord nachstellen, nimmt der Fall eine unerwartete Wendung. An einem Fördergerüst der Zeche, wo einst der Vater von Wilms den Freitod wählte, kommt es zur dramatischen Konfrontation, die nicht nur das Schicksal des gestohlenen Geldes, sondern auch die Zukunft der Streikenden besiegeln wird…

Hinter den Kulissen

„Der Pott“ ist die 217. Folge der Tatort-Reihe und die 20. mit Götz George als Kommissar Schimanski. Der Film wurde vom WDR produziert und erstmals am 9. April 1989 ausgestrahlt. Die Idee zur Handlung beruht auf einer tatsächlichen Meldung im Magazin „Der Spiegel“ vom 27. März 1988, die zu Beginn der Episode wörtlich zitiert wird – es geht um einen nie umgesetzten Vorschlag, das Gewaltmonopol des Staates bei Demonstrationen und Streiks teilweise in private Hände zu geben.

Eine Besonderheit ist der Auftritt von Rio Reiser, der nicht nur für die Filmmusik verantwortlich zeichnete, sondern mit seiner Band auch vor den streikenden Arbeitern im Stahlwerk zu sehen ist. Dabei spielt er das eigens komponierte Lied „Über Nacht“.

In Nebenrollen sind spätere TV-Stars zu entdecken: Miroslav Nemec, der zwei Jahre später zum Münchner Tatort-Kommissar wurde, ist als BKA-Beamter zu sehen. Sabine Postel, die ab 1997 in Bremen als Tatort-Kommissarin ermittelte, spielt die Schwester von Jo Wilms. Auch Leonard Lansink, der spätere Privatdetektiv „Wilsberg“, und Horst Lettenmayer, dessen Augen bis heute in jedem Tatort-Vorspann zu sehen sind, haben Auftritte.

Anlässlich des 40. Sendejubiläums des Duisburger Tatorts strahlte der WDR am 1. Februar 2022 eine in HD abgetastete und digital restaurierte Fassung von „Der Pott“ aus – ein Beleg für die bleibende Bedeutung dieser Folge, die wie kaum eine andere den Strukturwandel im Ruhrgebiet dokumentiert und die sozialen Kämpfe der späten 1980er Jahre einfängt.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer


Besetzung

Kommissar Horst Schimanski – Götz George
Kommissar Christian Thanner – Eberhard Feik
Jo Wilms – Thomas Rech
Königsberg – Ulrich Matschoss
Mutter Wilms – Angelika Hurwicz
Vera – Sabine Postel
Struppek – Michael Brandner
Broegger – Horst Lettenmeyer
Hugo Wilms – Wilhelm Thomczyk
Golonska – Guido Föhrweisser
Hochmeier – Miroslav Nemec
Hoettges – Christoph Lindert
u.a.

Stab

Drehbuch – Thomas Wesskamp, Axel Götz
Regie – Karin Hercher
Szenenbild – Gogol Behrendt
Kamera – Bernd Neubauer
Schnitt – Monika Mertens
Musik – Rio Reiser
Produzent – Wolfgang Hesse
Produktionsleitung – Ernst von Theumer

Bilder: WDR/Klaus Primk

16 Kommentare

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  1. vor 15 Jahren

    Der Pott – ich erinnere mich noch gut – ein richtig starkes Stück RuhrPOTT – vielleicht etwas überspitzt, aber sehr spannend und Thanner ist perfekt als BKA-Mann. Gute Wendung der Partnerschaft!

  2. vor 15 Jahren

    Sehr bezogen auf die damalige Zeit! Für die Kultur im Ruhrgebiet sehr gut und absolut treffend. Für aussenstehende natürlich schwer vermittelbar, aber genial umgesetzt!

  3. vor 15 Jahren

    ….ein richtig starkes Stück Ruhrpott?
    Die Hälfte des Filmes wurde in München gedreht – wie andere Schimanski-Tatorte auch.

  4. vor 14 Jahren

    Jo Wilms ist keine „sie“, sondern ein Kollege vom Raubdezernat! Interssant die junge Sabine Postel (spätere Kommisarin Inga Lürsen, Tatort Bremen) hier in der Rolle der Vera zu sehen.

  5. vor 13 Jahren

    Das Drehbuch wurde den Herren der Stahlindustrie und dem Bergbau in Duisburg vorgestellt. Das Ergebnis war, dass dem Team die Dreharbeiten auf dem Werksgelände Thyssen und der Kupferhütte untersagt wurden. Durch die Ablehnung des Bergbaus, (Kein Mord unter Tage) wurden die Aufnahmen auf dem Förderturm der Zeche Zollverein gedreht.

  6. vor 12 Jahren

    Interessantes Thema, etwas zähflüssig, der Tatort ist recht medioker. Aber Thanner erkennt, dass Karriere nicht alles ist und die Freundschaft manchmal mehr zählt als Titel und Besoldungsstufen. Die Musik von Rio Reiser ist immer noch hörenswert.

  7. vor 11 Jahren

    Ruhrpott pur!! In der Maikäfersiedlung München :-))

  8. vor 11 Jahren

    Es fällt bei allen Schimanski-Tatorten auf, dass viele Nebendarsteller ihren süddeutschen Tonfall nur mit Mühe (oder eben gar nicht) unterdrücken können. Das wirkt in einem Ruhrpott-Krimi oft belustigend, manchmal befremdlich, tut aber dem Unterhaltungswert keinen Abbruch.

    Übrigens kann ich meinen südeutschen Tonfall auch nicht unterdrücken! :-)

  9. vor 10 Jahren

    In der heutigen Zeit völlig reell.
    Vor fast 25 Jahren….
    Ja da habe ich selbst mitgemacht, Rheinbrückensperrung, Werksbesetzung.
    Als Kruppianer eine Selbstverständlichkeit !!
    Wir haben gekämpft mit Theo Stegmann, als Wilhelmshavener von Krupp heute ein Unvorstellbarkeit.

  10. vor 10 Jahren

    Der Tatort Nummer 217 aus Duisburg mit den Hauptkommissaren Thanner und Schimanski. Geklaut wurde ein Pott, die finanzielle Unterstützung von wilden Streikenden durch die Bevölkerung. Dieser lag beim BKA und wurde von diesen auch nicht mehr herausgegeben. Aber noch nicht alles. Der Gewerkschaftler, der den Pott für das BKA geklaut hatte, wurde später durch einen Polizeibeamten des Duisburger Präsidiums ermordet, weil der ein Junge aus dem Revier war. Später, nach Aufdeckung des Mordes, läßt der sich nun von Schimanski erschießen, hatte aber vorher seine Lebensversicherung auf die illegalen Streiker überschrieben. Ja Himmel, wir von der Ruhr? Nein, nicht ganz! Ich stamme aus Westfalen und nicht aus dem Rheinland. Die wurden später zwangsweise verehelicht. Dann noch der Spruch der kämpferischen Putzfrau: „Wenn die Ruhr brennt, reicht das Wasser vom Rhein nicht zum löschen.“ Na, na, wenn’s mal früher so gewesen wäre!! Im Zeitraum dieses Tatort-Spielfilms war ich mehrmals die Woche dienstlich in Duisburg unterwegs, habe den Streik persönlich mitbekommen. Viel Zeit mit Umwegen hatte man verloren, gemeckert wurde aber trotzdem nicht. Ich würde sagen, Rubrik unterhaltsames Märchen und die „Ruhrpott-Sprache“ wirkte auch übertrieben gekünzelt.

  11. vor 9 Jahren

    Solider Krimi, das BKA sehr schlecht dargestellt, die „Herren“ des Werkes sitzen oben drüber und warten ab, ein Polizist wird zum Mörder, Thanner wird geschasst, und wie fast immer werden viele Darsteller nicht mit Rollen genannt und sind im Netz kaum zu finden: wer spielte den jungen Stahlarbeiter, wo war Bernd Stegemann (im Abspann als Stegmann), wer spielte die Frau von Karl und den Sohn, wer den Tankstellenbesitzer, und welche Rollen hatten Axel Götz, Georg Obermayer, Wolfgang Schatz und eben Stegemeier? Und eigentlich kein Ende, der Dieb war ein Spitzel des BKA, und nun? Alles unter den Teppich gekehrt!

  12. vor 8 Jahren

    Einer meiner Top-3 Tatorte! Intensive Atmosphäre – der Pott kocht! Die streikenden Stahlarbeiter, die auf finanzielle Hilfe angewiesen sind werden bestohlen! Das bringt das Faß zum überlaufen. Grandioses Spiel von Schimanski und Thanner, die am Anfang getrennte Wege gehen, dann aber doch wieder zusammenfinden. Dazu noch die tolle Musik von Rio Reisser und die denkwürdige Szene am Ende, als ein völlig desillusionierter Schimanski torkelnd in der Morgendämmerung die Straße entlang schwankt, nach einer durchzechten Nacht! Da krieg ich noch heute eine Gänsehaut. „Es ist Schichtende aus – wenn du weißt wie´s weitergeht, spucks aus….“

  13. vor 4 Jahren

    Der Tatort „Der Pott“ ist ein echter Kultklassiker. Der bleibt nicht nur wegen dem Auftritt von Rio Reiser am Anfang in Erinnerung. Viele bekannte Schauspieler geben sich die Ehre diesem tollen Schimamski Tatort zu einem Vergnügen zumachen. Klare 5 Sterne

  14. vor 4 Jahren

    „Der Pott“ greift das Thema des bundesweit beachteten Stahlarbeiter-Streiks bei Krupp in Rheinhausen auf. Viele Details aus der Realität wurden aufgegriffen, die kriminellen Handlungen natürlich dazu gezeichnet.

    Neben „Schimanskis Waffe“ und „Der Fall Schimanski“ einer der letzten Duisburger Tatorte, in denen noch richtiges Ruhrpott-Feeling aufkommt. Ansonsten war vor Allem das letzte Drittel der Reihe geprägt von kostengünstigeren Produktionsstandorten in und um München.

    Thanners kurzer Ausflug zum BKA endete sehr schnell und er war am Ende gar nicht mal so traurig darüber, gehörte er doch zu seinen Kollegen nach Duisburg.

    Die Verabschiedungsszene in Thanners leer geräumter Wohnung zu Anfang wurde übrigens in den Schimanski-Spinoff „Geschwister“ mit eingearbeitet, als Schimanski nach dem Genuss von Magic Mushrooms den toten Thanner sieht. Ebsno verwendet wurde in dem Zusammenhang auch eine Szene aus „Katjas Schweigen“.

    Tolle Atmosphäre, hervorragend passende Kulissen für das Thema und gute Nebendarsteller. Die spätere Bremer Kommissarin Sabine Postel in jungen Jahren ist zu sehen, auch Willi Thomczyk als arbeitsloser Couchpotatoe ist mit von der Partie. Ebenfalls nette Gastauftritte von Ludwig Haas („Dr. Dressler“ aus der Lindesntraße) und Miroslav Nemec als BKA-Ermittler.

    Die tragische Figur des Jo Willms wird hervorragend gespielt von Thomas Rech.

    Legendär die Schlussszene in der Kneipe mit dem anschließenden torkelnden Gang Schimanskis über die leider nicht mehr existente Edithstraße in Bruckhausen.

    Alles in Allem ein sehr guter Tatort.

  15. vor 3 Jahren

    Einwandfrei.

    Als Ruhrgebietspflänzchen 32 Jahre später fast eine nostalgische Rückkehr in die Vergangenheit.

  16. vor 3 Jahren

    Der Hauptkommissar Schimanski von der Duisburger Mordkommission und seine getreuen Mannen, kämpfen in diesem wiedergekehrten Nostalgie-Tatort mit der Nummer 217 und aus dem Jahr 1989 um Ähre und Knäte.
    Meine Meinung vom 19.11.2015 halte ich.

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