Kurz und knapp – darum geht’s

In der Nähe des Bonner Bundeshauses wird ein Mann mit einem auffälligen gelben Koffer von einem Scharfschützen erschossen, der Koffer verschwindet im Tumult spurlos. Zolloberinspektor Kressin gerät zufällig auf die Spur einer mysteriösen Frau, die den Koffer in ihren Besitz bringt und zu einem Gangsterboss namens Sievers transportiert. Als Kressin herausfindet, dass es sich bei dem Inhalt des Koffers um brisante Unterlagen zu illegalen Waffengeschäften handelt, führt ihn die Spur bis nach Wien – doch während er den Fall aufzudecken versucht, gerät der Ermittler selbst ins Visier der skrupellosen Waffenhändler…

Inhalt der Tatort-Folge „Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer“

Flirten, Fahndung, Frauengeschichten – Zolloberinspektor Kressin hat alle Hände voll zu tun. Kaum hat er seine Freundin Ines am Flughafen verabschiedet, folgt er einer attraktiven Unbekannten, die einen Rolls-Royce verlässt und in einen Sportwagen umsteigt. Kressins Jagdinstinkt ist geweckt, und so führt ihn die spontane Verfolgung bis zur Mondorfer Fähre, wo er auf eine unerwartete Spur stößt.

Derweil spielt sich in der Bonner Innenstadt vor den Augen zahlreicher Passanten ein kaltblütiger Mord ab: Ein Mann mit einem leuchtend gelben Koffer wird von einem Scharfschützen niedergestreckt, der vom Dachgeschoss des WDR-Studios aus feuert. Im entstehenden Chaos stiehlt ein Komplize den auffälligen Koffer und verschwindet. Der Attentäter selbst trifft im Aufzug auf den Journalisten Friedrich Nowottny und verlässt unbehelligt den Tatort – ein perfekt geplantes Verbrechen, das ohne Kressins zufälliges Eingreifen vielleicht nie aufgeklärt würde.

Auf der Rheinfähre beobachtet Kressin, wie der Attentäter den gelben Koffer in der Toilette versteckt und das Schiff im letzten Moment wieder verlässt. Die von ihm verfolgte Dame betritt kurz darauf ebendieselbe Toilette – und kommt mit dem gelben Koffer wieder heraus. „Die Diebin und der Koffer – was für ein Zufall“, denkt sich Kressin und folgt ihr weiter bis zu einer luxuriösen Villa, dem Anwesen des kürzlich verstorbenen Schrotthändlers Lamprecht.

Die Ermittlungen zur Identität des Opfers gestalten sich wie ein kompliziertes Puzzle mit internationalen Dimensionen. Der Tote ist Österreicher namens Wild, und als Kressin nach Wien reist, trifft er dort auf Inspektor Marek. „Der Fall Wild ist bei uns bereits zum Staatsfall geworden“, erklärt der Wiener Kollege. Schnell wird klar: Der ermordete Wild wollte brisante Dokumente über illegale Waffengeschäfte an den Abgeordneten Dr. Huppenhauer übergeben – Beweise, die den Gangsterboss Sievers belasten würden.

Das Netz aus Korruption und kriminellen Machenschaften spannt sich zwischen der Verschrottung ausgedienter Militärfahrzeuge und deren Weiterverkauf an „bedürftige“ Länder. Wie ein Schatten im Halbdunkel operieren die Waffenhändler Sievers und sein Konkurrent Nobiling im Verborgenen, während Kressin immer tiefer in den Sumpf aus Gier und Verrat eintaucht.

In der Villa Lamprecht kommt es schließlich zur Konfrontation, als Kressin unvermittelt ein Gespräch zwischen Sievers und Nobiling stört. Die Spannung knistert wie elektrische Funken in der Luft, während Kressin die Wahrheit ans Licht bringt: Nobiling schickte Wild, um seinen Konkurrenten Sievers auszuschalten, doch dieser kam ihm zuvor und ließ den Informanten töten. Als die Polizei eintrifft und alle festnimmt, scheint der Fall gelöst – bis eine unerwartete Explosion das Blatt noch einmal wendet…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Kressin und der Mann mit dem gelben Koffer“ ist der 20. Film der Krimireihe und wurde vom WDR produziert. Die deutsche Erstausstrahlung fand am 9. Juli 1972 statt und erreichte einen beeindruckenden Marktanteil von 56%. Die Dreharbeiten erstreckten sich über Köln, Bonn und die Eifel. Das Büro von Nobiling wurde in einem Gebäude am Gustav-Heinemann-Ufer in Köln gefilmt, während das Bonner Ernst-Moritz-Arndt-Haus in der Adenauerallee als Botschaft des fiktiven Staates Abanda diente. Die Villa Lamprecht, in der Sievers residiert, befindet sich im Ort Kommern, wo auch weitere Außenaufnahmen auf der Kölner Straße und Ecke Gielsgasse entstanden.

Regie führte Michael Verhoeven, der Sohn des bekannten Filmemachers und Schauspielers Paul Verhoeven. Letzterer ist in dem Fernsehkrimi in einer seiner letzten Rollen als Waffenhändler Nobiling zu sehen – Paul Verhoeven verstarb im März 1975. Das Drehbuch stammte von Wolfgang Menge, der bereits die Vorlagen zu den ersten drei Kressin-Krimis geliefert hatte.

Besonders bemerkenswert sind die Gastauftritte in dieser Tatort-Folge: Fritz Eckhardt erscheint als Inspektor Marek, während die Journalisten Friedrich Nowottny und Ernst-Dieter Lueg sich selbst spielen. Eberhard Feik, der später als Kommissar Christian Thanner an der Seite von Horst Schimanski berühmt wurde, hatte hier seinen ersten Fernsehauftritt überhaupt – als Polizeiwachtmeister am Bonner Bundeshaus.

Ein interessantes Detail am Rande: Der Name der Figur Nobiling ist auch der Nachname des zweiten „Kaiserattentäters“ auf Wilhelm I. im Jahr 1878, Karl Eduard Nobiling, der im gleichen Jahr nach einem Selbstmordversuch im Gefängnis verstarb. Nach der Ausstrahlung wurde der Film für seine Spannung, seinen Witz und die illustren Gastauftritte gelobt, wobei besonders das Drehbuch von Wolfgang Menge als „auf der Höhe seiner Kunst“ beschrieben wurde.

Besetzung

Zollfahnder Kressin – Sieghardt Rupp
Nobiling – Paul Verhoeven
Kessler – Günther Stoll
Ingrid – Inken Sommer
Sievers – Ivan Desny
Elvira – Kerstin de Ahna
u.a.

Stab

Regie – Michael Verhoeven
Kamera – Werner Kurz
Buch – Wolfgang Menge
Musik – Klaus Doldinger

Bilder: WDR