Kurz und knapp – darum geht’s

Auf einer Müllkippe im Norden Münchens machen die Kommissare Leitmayr und Batic einen grausigen Fund: die Leiche eines kleinen Jungen mit blond gefärbten Haaren, den niemand zu vermissen scheint. Als die Ludwigshafener Kollegin Lena Odenthal während eines Fußballspiels in München von einem kleinen Dieb mit identischer Haarfärbung bestohlen wird, führt diese unerwartete Verbindung die Ermittler auf die Spur einer organisierten Bande, die Kinder aus Rumänien für kriminelle Zwecke missbraucht. Als die Kommissare dem 13-jährigen Mitru helfen wollen, der von seiner Schwester in Südfrankreich träumt, geraten sie in einen gefährlichen Sumpf international operierender Verbrechernetzwerke…

Inhalt der Tatort-Folge „Kleine Diebe“

Der kalte Münchner Morgen wird von den monotonen Geräuschen eines Baggers zerrissen, der auf einer trostlosen Müllkippe seinen Dienst verrichtet. Zwischen Bergen von Abfall taucht plötzlich etwas auf, das dort nicht hingehört: die Leiche eines kleinen Jungen. Seine dunklen Haare sind auffällig blond gefärbt, sein Körper zeigt Brandflecken, der Kehlkopf ist zerquetscht. Die Kommissare Franz Leitmayr und Ivo Batic stehen vor einem Rätsel – wer war dieser Junge, und warum vermisst ihn niemand?

Batic, der sonst so toughe Ermittler, kann den Anblick des toten Kindes kaum ertragen. In seinem Innersten brodelt die Wut über die Gleichgültigkeit, mit der manche Menschen Leben wegwerfen wie Müll. Sein Kollege Leitmayr hingegen versucht, einen kühlen Kopf zu bewahren, obwohl auch er spürt, wie dieser Fall an seinen Nerven zerrt. Die Suche nach der Identität des Kindes in Asylantenheimen und Auffanglagern gleicht dem berühmten Stochern im Nebel – überall Fehlanzeige.

„Manchmal hab‘ ich das Gefühl, wir jagen Geister“, murmelt Leitmayr, während er ratlos die spärlichen Aktennotizen durchblättert. Die grauen Betonbauten der Vorstädte werfen lange Schatten auf die Ermittlungen, als würden sie die Wahrheit bewusst verbergen wollen.

Der Zufall kommt den Münchner Kommissaren zu Hilfe, als ausgerechnet ihre Ludwigshafener Kollegin Lena Odenthal in der Stadt weilt. Sie ist als glühender FC Freiburg-Fan zum Fußballspiel angereist und wird vor dem Olympiastadion bestohlen. Mit dem Instinkt einer erfahrenen Polizistin gelingt es ihr, den kleinen Dieb festzuhalten. Es ist der 13-jährige Mitru – ein schmächtiger Junge mit blond gefärbten Haaren, genau wie das tote Kind.

In einem karg eingerichteten Vernehmungsraum, in dem nur das Surren der Neonröhren die Stille durchbricht, versuchen die Kommissare, das Vertrauen des verstörten Jungen zu gewinnen. „Wir sind nicht deine Feinde“, beteuert Batic mit sanfter Stimme. Doch Mitru schweigt beharrlich – eine Mauer aus Angst umgibt ihn. Nur einen winzigen Einblick gewährt er den Ermittlern: Er träumt davon, seine Schwester in Südfrankreich zu finden und mit ihr ein neues Leben zu beginnen.

Batic, berührt von dieser Sehnsucht, verspricht dem Jungen Hilfe. „Wir finden deine Schwester“, sagt er mit einer Überzeugung, die ihm später selbst Angst macht. Denn kaum haben sie Mitru beim Jugendnotdienst untergebracht, ist er bereits verschwunden – zurück in den Fängen jener, die seine Verletzlichkeit ausnutzen.

Die Ermittler tauchen immer tiefer ein in eine Schattenwelt, in der Kinder wie Handelswaren behandelt werden. Anonyme Hochhäuser, deren Fassaden im Licht der untergehenden Sonne wie blutverschmierte Wände wirken, dienen als Unterschlupf für die ausgebeuteten Kinder. Von dort aus werden sie auf Diebestouren geschickt, präzise wie kleine Soldaten einer unsichtbaren Armee.

Als die Kommissare endlich auf die Spur der Drahtzieher kommen – skrupellose „Unternehmer“ mit internationalen Verbindungen – ahnen sie nicht, welch hohen Preis ihre Ermittlungen fordern werden…

Hinter den Kulissen

Die 453. Tatort-Folge „Kleine Diebe“ wurde vom Bayerischen Rundfunk produziert und feierte am 3. September 2000 ihre Erstausstrahlung im Ersten Programm der ARD. Für die beiden Münchner Ermittler Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) war es bereits der 26. gemeinsame Fall.

Regie führte Vivian Naefe, die für ihre einfühlsame und dokumentarisch anmutende Inszenierung viel Lob erhielt. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Harald Göckeritz. Die Dreharbeiten fanden in München statt, wobei besonders das Olympiastadion und verschiedene Vororte der bayerischen Landeshauptstadt als authentische Kulisse dienten.

Eine Besonderheit dieser Folge ist der Gastauftritt der Ludwigshafener Tatort-Kommissarin Lena Odenthal, gespielt von Ulrike Folkerts. Diese ungewöhnliche Verbindung zweier Tatort-Städte sorgte für frischen Wind in der etablierten Krimireihe. Die Rolle des Mitru wurde von dem jungen Darsteller Pablo Ben-Yakov überzeugend verkörpert.

Für ihre herausragenden Leistungen wurden Regisseurin Vivian Naefe sowie die Schauspieler Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl im Jahr 2001 mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet. Die Jury lobte besonders den sensiblen Umgang mit dem schwierigen Thema der Kinderausbeutung sowie die realistische Darstellung der Ermittlungsarbeit.

Nach der Ausstrahlung entwickelte sich eine intensive öffentliche Diskussion über das Schicksal von Straßenkindern in Europa und die Rolle der organisierten Kriminalität. Die Einschaltquote war mit über 7 Millionen Zuschauern überdurchschnittlich hoch, was die gesellschaftliche Relevanz des Themas unterstrich. Heute gilt „Kleine Diebe“ unter Tatort-Fans als einer der eindringlichsten und sozialkritischsten Fälle des Münchner Ermittlerduos.

Musik

Wanda – Paolo Conte
Con Te Sempre Piu – Paolo Conte

Besetzung

Franz Leitmayr – Udo Wachtveitl
Ivo Batic – Miroslav Nemec
Lena Odenthal – Ulrike Folkerts
Carlo Menzinger – Michael Fitz
Mitru – Pablo Ben-Yakov
Kruzcky – Jan-Gregor Kremp
Popescu – Albert Kitzl
Wessmann – Siegfried Terpoorten
Leana – Stephanie Charlotta Koetz
Veta – Oana Solomon
Frau Wessmann – Caroline Schreiber
Dan – Marco-Oliver Bretscher
Attaché – Victor Schuhmacher
Herr Wessmann – Marin Pamukow

Stab

Kamera – Peter Döttling
Musik – Dieter Schleip
Regie – Vivian Naefe
Buch – Harald Göckeritz