Kurz und knapp – darum geht’s
Der elfjährige Christian Jareis wird unfreiwillig zum Zeugen eines Mordes, als er bei einem Diebstahl im Büro der Managerin des Stuttgarter Knabenchors in Bedrängnis gerät. Von dem Täter kann er nur die auffälligen schwarzen Schuhe erkennen, doch er schweigt aus Angst, seinen eigenen Diebstahl zu gestehen. Während Kommissar Bienzle im Umfeld des renommierten Chors ermittelt, werden sein Vater Paul und der Chorleiter zu Hauptverdächtigen. Als Christian endlich sein belastendes Wissen offenbart und den wahren Mörder identifiziert, ahnt er nicht, dass er sich damit selbst in tödliche Gefahr begibt…
Inhalt der Tatort-Folge „Bienzle und der heimliche Zeuge“
Regenschwere Wolken hängen über Stuttgart, als Kommissar Ernst Bienzle enttäuscht seine Konzertkarte für den berühmten Stuttgarter Knabenchor zurücklegt. Statt Mozarts „Ave Verum“ zu genießen, muss er nun zu einem Tatort eilen – ausgerechnet im Verwaltungsbüro des Chors liegt die Managerin Barbara Massenbach erstochen in ihrem Blut. Die kalte Neonbeleuchtung im Büro lässt die Szene noch unwirklicher erscheinen, während die Klänge der Chorprobe aus dem Nachbarraum surreal durch die Wände dringen.
Bienzle, dessen schwäbische Gelassenheit nur von seiner Hartnäckigkeit übertroffen wird, spürt sofort, dass hier mehr dahintersteckt als ein einfacher Raubmord. „Des isch mir z’eifach“, murmelt er, während er die geöffnete Geldkassette betrachtet. Sein Kollege Gächter wirkt erschöpft, fast resigniert angesichts der vielen Verdächtigen, die der Fall mit sich bringt. Die beiden Kommissare bilden ein eingespieltes Team, das seine Fälle ohne großes Aufsehen, aber mit umso mehr Präzision löst.
Unter den Chormitgliedern fällt Bienzle sofort der stille, in sich gekehrte Christian auf. Der Junge wirkt verunsichert, fast schon verängstigt – ganz anders als die übrigen Knaben des Chors. Als Bienzle den Chorleiter Marcus Canteni befragt, bemerkt er eine frische Wunde an dessen Hand. Canteni erklärt nervös, er habe sich beim Notensortieren geschnitten. Die Spannung zwischen den beiden Männern ist förmlich greifbar. „’Geschnitten, sa’en Sie?‘ Bienzle lässt den Verdächtigen nicht aus den Augen. ‚Interessa’t, bei einem Mord mit einem Brieföffner.'“
In Christians Zuhause herrscht das Chaos eines alleinerziehenden Vaters, der mehr Musiker als Buchhalter ist. Paul Jareis kämpft mit Geldproblemen, während Geräte und Instrumente jeden Winkel der kleinen Wohnung füllen. Die finanziellen Schwierigkeiten bilden ein Labyrinth, aus dem er keinen Ausweg findet – und nun steht auch noch der Gerichtsvollzieher vor der Tür.
Bienzles Ermittlungen gleichen einem Konzert mit vielen Instrumenten: Da ist der Streit zwischen Massenbach und Canteni, den sie wegen seiner Homosexualität vom Chor entfernen wollte. Da sind Christians gestohlene 10.000 DM, die plötzlich zur Begleichung der Schulden seines Vaters auftauchen. Und da ist Henry Buchenhöfer, der machtbewusste Vorsitzende des Förderkreises mit politischen Ambitionen und auffälligen schwarzen Schuhen, der eine heimliche Beziehung mit der Toten hatte.
In einer düsteren Kirche, deren Gewölbe die nervösen Schritte wie ein Echo verstärken, kommt es schließlich zur gefährlichen Konfrontation zwischen Christian und dem Mörder. Als der Junge die verräterischen Schuhe wiedererkennt, wird ihm mit Schrecken bewusst, dass er selbst nun zum Ziel geworden ist. Die Verfolgungsjagd durch die steinernen Gänge und auf den Kirchturm wird für den kleinen Chorknaben zum Albtraum – nur Bienzles Eingreifen kann das Schlimmste verhindern…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Bienzle und der heimliche Zeuge“ wurde vom 2. November bis zum 11. Dezember 2000 in Stuttgart, Baden-Baden und Alpirsbach gedreht. Die 469. Episode der beliebten Krimireihe ist der dreizehnte Fall für den schwäbischen Kommissar Ernst Bienzle, verkörpert durch Dietz Werner Steck, der mit seiner ruhigen, souveränen Art zum ruhenden Pol der Handlung wird. Die Rolle des Christian Jareis wurde von dem jungen Darsteller Ludwig Trepte eindrucksvoll ausgefüllt, während Rüdiger Wandel als Günter Gächter Bienzles treuen Kollegen spielte.
Eine besondere Überraschung für die Zuschauer war der Gastauftritt der damals amtierenden Bundesministerin der Justiz, Herta Däubler-Gmelin, die in einer Nebenrolle als Ministerin zu sehen war. Für die musikalische Authentizität sorgten die Rottweiler Münstersängerknaben, die den fiktiven Stuttgarter Knabenchor zum Leben erweckten.
Die Erstausstrahlung am 6. Mai 2001 im Ersten Deutschen Fernsehen erreichte beachtliche 6,6 Millionen Zuschauer und damit eine Quote von 20 Prozent. Die Kritik lobte den Film als gelungenes Beispiel für die typisch schwäbisch-zurückhaltende Erzählweise der Stuttgarter Tatort-Reihe, die auf vordergründige Effekte verzichtet und stattdessen die sorgfältige Charakterzeichnung in den Vordergrund stellt. Die Fernsehzeitschrift TV Spielfilm vergab die bestmögliche Wertung und beschrieb den Film als „etwas bieder, aber schnörkellos erzählt“ – ganz im Sinne des Charakters von Ernst Bienzle selbst.
top, top, top!
Bienzle ist einfach überragend – und die Story hier auch.
Gebe ich Dirk recht, habe die Folge heute auch als Wdh. gesehen und sie zählt zweifelsfrei zu den besten „Bienzle“-Folgen. Manche Bienzle-Folgen plätschern ja wirklich so vor sich hin, hier ist aber wirklich Action, Spannung und auch Witz bis zur letzten Minute garantiert (sehr lustig zum Beispiel die Szene, als der Junge vor den Bediensteten des Jugendamtes flüchtete).
Der Tatort Nummer 469 aus Stuttgart mit dem Hauptkommissar Bienzle von der Mordkommission. Ein außergewöhnlich spannender und interessanter Tatort-Krimi von Bienzle aus Stuttgart. Ein richtiger Action-Star zeigt sich hier und die These “ Ohne Moos nichts los “ kommt auch voll zur Geltung. Da kommt so ein Klau-Kid doch gerade recht. Je niedlicher, desto besser. In diesem Tatort-Fall sogar genau richtig. Aber wird der gemeine Meuchler tatsächlich überführt ?
Starker Auftritt von Bienzle. Durch und durch sehr spannende Folge. Gehört zu den besten Bienzle
Heute läuft auf SWR der Tatort 469 aus Stuttgart und mit dem Hauptkommissar Bienzle von der dortigen Mordkommission. Diesen anspruchsvollen Tatort-Spielfilm kann man immer mal wieder anschauen. Leider ist der Schauspieler, der die Rolle des ruhigen Mordermittlers verkörperte, schon im Jahr 2016 verstorben. Dafür ist seine Film-Lebenspartnerin, die Hannelore, in Wiederholung als Hauptkommissarin im ZDF zu sehen, als positive „Gegenspielerin“ eines bekannten Bibliothekars und Ex-Rechtsanwaltes,
Die Meinung vom 01.01.2016 halte ich.
Finale oben am Kirchturm (bei den Glocken). Da war doch schon mal was. Schlag‘ nach bei Hitchcock …
Im Unterschied zu einigen vorherigen Kommentatoren finde ich nicht, dass diese Folge zu den besten Bienzle-TO’s zählt.
Das liegt vielleicht auch daran, dass ich nicht so sehr auf Knaben-Chor stehe …
Kann meinen Vorrednern bzw. „Vorschreibern“ nur Recht geben. Was für eine Wohltat, was für ein Genuss dieser Tatort aus dem Jahr 2001 war und ist im Vergleich zu heutigen Produktionen!!! (wie zB dem letzten Tatort „Katz und Maus“ oder dem schwachsinnigen Polizeiruf „Hexen brennen“)
Und auch hier sieht man wieder: gute Schauspieler:innen alleine retten keinen Krimi, das Drehbuch muss passen – so wie hier von Bienzle-Autor Felix Huby!
Vielleicht sollten die Tatort-Macher:innen von heute mal wieder ein paar gute alte Folgen der 70er, 80er, 90er oder 2000er Jahre anschauen um was zu lernen! Und vielleicht lieber ein paar Folgen weniger im Jahr anfertigen, aber dafür mehr in gute Drehbücher investieren!