Tatort Folge 673: Macht der Angst

Kurz und knapp – darum geht’s

Mitten in Kiel wird auf der belebten Hörnbrücke ein unbescholtener Familienvater von einem Heckenschützen erschossen – ohne erkennbares Motiv, ohne Vorwarnung. Während ganz Kiel in Angst erstarrt, muss Hauptkommissar Klaus Borowski nicht nur diesen rätselhaften Fall lösen, sondern auch in einem Prozess gegen einen Kindermörder aussagen, den er selbst überführt hat. Was zunächst wie zwei getrennte Fälle erscheint, offenbart bald unheimliche Verbindungen, und Borowski muss erkennen, dass es hier um weit mehr geht als nur einen Mord. Als er einem Netzwerk von Kinderschändern auf die Spur kommt, ahnt er nicht, in welch lebensgefährliche Situation er sich und seine Kollegin Frieda Jung bringen wird…

Inhalt der Tatort-Folge „Macht der Angst“

Ein kalter Morgen in Kiel. Nebel wabert über der Förde und umhüllt die markante Hörnbrücke, die sich wie ein stählernes Band über das graue Wasser spannt. Jochen Harmsen, Angestellter einer Logistikfirma, ist auf dem Weg zur Arbeit. Neben ihm läuft seine Kollegin Simone Ehrt. Ein normaler Tag – bis der scharfe Knall eines Gewehrs die morgendliche Stille zerreißt. Ein Schuss in die Brust, präzise wie ein Seziermesser. Harmsen sinkt zu Boden. Tot.

Hauptkommissar Klaus Borowski steht später am Tatort, seine Gedanken scheinen woanders zu sein. Der Kommissar wirkt abwesend, eine innere Unruhe nagt an ihm. In wenigen Stunden muss er vor Gericht aussagen – in einem Kindermordfall, der ihn seit Monaten nicht loslässt. Die kleine Lisa wurde misshandelt und getötet, der Täter Torben Meier von Borowski überführt. „Ein Selbstgänger“, versichert ihm der Staatsanwalt am Telefon. Doch Borowski spürt, dass etwas nicht stimmt. Seine blauen Augen wandern über die Hörnbrücke, wo das Blut des unschuldigen Opfers noch nicht getrocknet ist.

Die Psychologin Frieda Jung betreut derweil die traumatisierte Zeugin Simone Ehrt, die unmittelbar neben dem Opfer stand, als der tödliche Schuss fiel. Mit ihrem diagnostischen Blick erkennt Jung sofort: Diese Frau hat nicht nur Angst – sie fühlt sich bedroht. „Die Angst sitzt in ihr wie ein Parasit“, notiert Jung in ihren Aufzeichnungen. „Sie weiß mehr, als sie zugibt.“

Borowskis Ermittlungen gleichen einem Puzzle, bei dem wesentliche Teile fehlen. Die ballistische Untersuchung ergibt, dass von einem nahen Gebäude aus geschossen wurde, mit einer präzisen Waffe, die auf einen Profi hindeutet. Als Borowski nachts allein das Gebäude durchsucht, geschieht das Unerwartete: Im fahlen Mondlicht steht er plötzlich dem bewaffneten Scharfschützen gegenüber. Ein Moment, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Der Tod nur einen Fingerdruck entfernt. Doch der Mann schießt nicht, sondern verschwindet wie ein Schatten in der Dunkelheit – ein Verhalten, das Borowski rätseln lässt.

Parallel nimmt der Prozess gegen den Kindermörder eine dramatische Wendung. Strafverteidiger Thies Nissen, ein Mann mit stahlhartem Blick und messerscharfer Rhetorik, stellt Borowskis Verhörmethoden in Frage. „Sie haben das Geständnis meines Mandanten erpresst“, wirft er dem Kommissar vor. Der Richter Jens Voigt, ein Mann von unbeugsamen Prinzipien, folgt streng dem Gesetz. Die Beweislage wankt. Nissen zwingt sogar Frieda Jung in den Zeugenstand, um Borowskis Glaubwürdigkeit zu erschüttern. Der Kindermörder droht freizukommen.

In einem verzweifelten Wettlauf gegen die Zeit versucht Borowski, neue Beweise zu finden. Bei seinen Nachforschungen stößt er auf merkwürdige Parallelen zwischen dem Scharfschützenmord und dem Kindermordprozess. In der Villa von Richter Voigt entdeckt er Anzeichen einer systematischen Einschüchterung. „Es geht hier nicht um Gerechtigkeit“, erkennt Borowski, „es geht um Angst.“ Wie ein giftiger Nebel hat sie sich über die Stadt gelegt, lähmt die Justiz, macht Menschen gefügig.

Als Borowski und Jung schließlich einer Spur zu einem abgelegenen Waldhaus folgen, verdichtet sich der Verdacht: Der Scharfschützenmord war nur ein Mittel zum Zweck – ein Machtinstrument, um ein viel größeres Verbrechen zu schützen. Während die beiden im dämmrigen Licht des verlassenen Gebäudes Beweise sichern, nähern sich draußen bereits Schritte im raschelnden Laub…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Macht der Angst“ ist der neunte Fall des Kieler Hauptkommissars Klaus Borowski, brillant verkörpert von Axel Milberg, der dem norddeutschen Ermittler seine unverwechselbare Mischung aus Schroffheit und verborgener Sensibilität verleiht. An seiner Seite agiert Maren Eggert als Psychologin Frieda Jung, die mit ihrem analytischen Scharfsinn die perfekte Ergänzung zum oft intuitiv handelnden Borowski darstellt. In einer Gastrolle beeindruckt Michael Gwisdek als Richter Jens Voigt, der zwischen juristischer Korrektheit und moralischer Verantwortung zerrissen ist.

Die Dreharbeiten fanden im Februar und März 2007 in Kiel und Umgebung statt, wobei besonders die markante Hörnbrücke als zentraler Schauplatz des Attentats in Szene gesetzt wurde. Regisseur Florian Baxmeyer, der 2002 für seinen Kurzfilm „Die rote Jacke“ eine Oscar-Nominierung erhielt, verleiht dem Film eine beklemmende Atmosphäre, die den Zuschauer unmittelbar in den Bann zieht.

Bei der Erstausstrahlung am 16. September 2007 verfolgten 8,21 Millionen Zuschauer den Fall, was einem beachtlichen Marktanteil von 24,6 Prozent entsprach. Die Kritiker zeigten sich beeindruckt von der psychologischen Tiefe und der Thematisierung gesellschaftlicher Tabuthemen. Die Süddeutsche Zeitung lobte besonders die „beklemmende Darstellung eines Systems, in dem die Angst als Machtinstrument missbraucht wird“. Nach der Ausstrahlung diskutierten Zuschauer in Internetforen kontrovers über die Darstellung des Justizapparats und die Grenzen polizeilicher Ermittlungsarbeit – ein Beweis dafür, dass dieser Tatort weit mehr als nur Unterhaltung bot.

Videos zur Produktion

ARD Plus Trailer

Besetzung

Hauptkommissar Klaus Borowski – Axel Milberg
Polizeipsychologin Frieda Jung – Maren Eggert
Roland Schladitz – Thomas Kügel
Richter Dr. Jens Voigt – Michael Gwisdek
Thies Niessen – Michael Brandner
Marianne Voigt – Mareike Carrière
u.a.

Stab

Drehbuch – Jochim Scherf
Regie – Florian Baxmeyer
Kamera – Marcus Kanter
Musik – Oliver Kranz

Bilder: NDR/Marion von der Mehden

12 Kommentare

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  1. vor 18 Jahren

    Endlich ein dichter und aktionsreicher Tatort mit Milberg und Jung. Wie weit darf man gehen, das wirft Fragen auf, die wir sonst schön verdrängen: Wie unabhängig ist die Justiz, der Entscheidungsträger, bin ich in meinem Job? Gut gemacht!

  2. vor 18 Jahren

    Hallo Johannes,

    da stimme ich dir zu, es war zwar kein Münstertatort, aber die Kielér Tatortkommisare sind wie man sieht auch nicht als zu schlecht :-)


  3. Ende der Erstausstrahlung

  4. vor 18 Jahren

    Ok, die Story zwischen Jung und Borowski wird immer besser. Und das eigentlihce Highlight ist die Jung. Ansonsten schwankte der Krimi zwischen guten Höhepunkten und absoluter Vorhersagbarkeit. Mir war er insgesamt viel zu Dunkel und mit zu wenig Witz ausgestattet. Außerdem hasse ich es, wenn die Schuldigen sich am Ende selber richten.

    …und klar: Münster rules…
    Grüße aus Rosenheim

  5. vor 15 Jahren

    Hat jemand den Tatort Aufgenommen?
    Ich bin an einem Ausschnitt Interrisiert?

    Danke
    Thomas

  6. vor 12 Jahren

    Sehr gut koordiniert, wie die beiden Fälle zusammen finden. Man tappt im Dunkeln, nur langsam findet Borowski Ansätze, die ihn weiter bringen. So liebe ich Tatort. Nüchtern ermittelt, ein paar Spannungsmomente und in diesem Fall der Triumph der Gerechtigkeit. Wobei natürlich wieder nicht alle Beteiligten gefunden werden können.

  7. vor 11 Jahren

    Super spannend, aber ohje! Ich habe die letzte viertel Stunde aus Versehen nicht aufgenommen… Wo kann ich sie noch nachholen?

  8. vor 9 Jahren

    Der Tatort Nummer 673 aus Kiel. Hauptdarsteller sind der Hauptkommissar Borowski, von der dortigen Mordkommission sowie die Polizei-Psychologin Frieda Jung. Ermitteln muss dieses ehemalige Dream-Team von der Norddeutschen Ostsee-Küste in einem Mordfall, ausgelöst durch den gezielten Schuß eines Scharfschützen auf einen unbescholtenen Büroangestellten, welcher auf den morgendlichen Weg zu seiner Arbeitsstelle ist und unverhofft vom Leben zum Tode befördert worden ist. Des weiteren hat Borowski noch einen zweiten Fall abzulegen, der liegt aber schon vor Gericht und der Hauptkommissar wird, als damals federführender Beamter, als Zeuge vernommen und in die juristische Mangel genommen. Selbst seine Psychologin-Kollegin muss über ihn befragt werden, tritt in den Zeugenstand. Nach und nach meint Borowski eine Parallelität zu den beiden Mord-Geschehen zu erkennen. Kann denn so was sein? Spannender und gut in Szene gesetzter Tatort-Thriller. Durchaus sehenswert und nachdenklich machend.

  9. vor 5 Jahren

    Gerade mache ich wieder ein Tatort Marathon über Tage und lass den Zufallsgenerator entscheiden was läuft. Diesmal viele Lindholm und Borowski Tatorte dabei. Leider gehört dieser Fall nicht zu den Tip Top Borowski Tatorten. Ich finde ihn eher mittelmäßig.

  10. vor 4 Jahren

    Nach einer Durststrecke nun endlich wieder ein hochspannender, raffiniert konstruierter (okay, an ein bis zwei Stellen auch zurecht gebogener [Hund/Staatsanwalt]) Thriller mit brisantem und unbequemem Thema und Borowski in Lebensgefahr. Über das mE herrlich konsequente Ende lässt sich natürlich streiten. Die damalige Kritik der „TV Spielfilm“, „zerfahrenes Finale“, kann man natürlich auch doppeldeutig verstehen. *g*

    Unglaubwürdig auch, dass Borowski den entscheidenden Hinweis, welche die SOKO in einem halben Jahr nicht gefunden hat, in einer Nacht lokalisiert. Das trübte aber in meinem Fall den „Sehgenuss“ kaum.

    Mit Frau Jung kann ich allerdings einfach nicht warm werden.

  11. vor 3 Jahren

    Hat gewisse Ähnlichkeiten mit „Abgründe“ (Eisner und Fellner).

  12. vor 1 Jahr

    Ein alter Borowski-TO (2007), nach klassischer Art zubereitet.
    Und als kleines ‚Leckerli‘ die spätere Darstellerin der Hospitantin im Berliner TO-Team – Carolyn Genzkow – als blutjunge und genervte Tochter des Richters. 😉

    PS: Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Wiener TO ‚Abgründe‘ ist vorhanden (Kinderporno-Ring, wie so häufig in Krimis von den ‚erlesenen Kreisen‘ gedeckt), da gebe ich dem User @Paul Recht.

    Und auch mich befriedigte das ‚zerfahrene Ende‘ … 😯

  13. vor 1 Jahr

    Man sollte erwähnen, daß diese Folge zuletzt vor sage und schreibe 11 Jahren gesendet wurde (hr/November 2013) und nun mit der Einblendung „Zum 10. Todestages von Mareike Carrière“ endlich mal wieder, diesmal beim NDR, gelaufen ist – dafür besten Dank auch!
    Diese wunderbare, sehr geschätzte Schauspielerin verstarb am 17. März 2014 viel zu früh im Alter von 59 Jahren.

    Nun fehlt nur noch die Wdh. von ‚Sternenkinder‘ (#627 lief im September 2013 ebenfalls beim hr), dann hätte ich endlich meine Borowski&Jung-Sammlung komplett!

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