Kurz und knapp – darum geht’s
Eine skrupellose Bande handelt mitten in Hamburg mit menschlichen Organen – und dafür müssen Straßenkinder ihr Leben lassen. LKA-Ermittler Cenk Batu wird als Fahrer in die Organisation eingeschleust und bekommt den Auftrag, die 14-jährige Amelie zu transportieren, die als unfreiwillige Nierenspenderin für eine reiche Millionärstochter vorgesehen ist. Doch das Mädchen ahnt die Gefahr, provoziert einen Unfall und flieht in die Großstadt. Als Batu sie schließlich aufspürt, steht er vor einem moralischen Dilemma: Liefert er Amelie zur Rettung seiner Tarnung aus, gerät sie in Lebensgefahr – doch nur so kann er die Hintermänner der Organmafia auf frischer Tat ertappen …
Inhalt der Tatort-Folge „Leben gegen Leben“
Frühmorgens am Hamburger Hafen. Nebelschwaden hängen wie graue Schleier über dem Wasser, während Cenk Batu mit angespanntem Gesicht auf einen Mann wartet, der ihm seinen nächsten Auftrag erteilen soll. Kaum aus seinem Türkei-Urlaub zurück, steckt der Undercover-Ermittler wieder mitten in einer gefährlichen Mission. Monatelang hat er als vermeintlicher Kleinkrimineller mit serbischen Wurzeln das Vertrauen der Organhändler gewonnen, doch bisher nur Botengänge erledigt. Das goldene Christuskreuz an seinem Hals blitzt im fahlen Morgenlicht, wenn er nervös am offenen Hemdkragen nestelt.
„Du holst jetzt ein Mädchen ab. Straßenkind, niemand wird sie vermissen“, erklärt ihm sein Kontaktmann Robert Feldmann mit kalter Präzision. Der Kopf der Organhandel-Mafia mustert Batu misstrauisch, während die Hafengeräusche – das dumpfe Tuckern der Motoren, das Kreischen der Möwen – die angespannte Stille zwischen ihnen füllen. Der LKA-Mann weiß: Jetzt beginnt der eigentliche Einsatz, der ihm endlich Zugang zum geheimen Operationssaal verschaffen könnte, wo die illegalen Transplantationen stattfinden.
Die 14-jährige Amelie wirkt verstört, als Batu sie in Empfang nimmt. Sie kauert auf dem Beifahrersitz des Wagens wie ein verschrecktes Tier in der Falle, ihre Augen huschen unruhig durch die Gegend. „Wohin bringen Sie mich?“, fragt sie mit zitternder Stimme. Batu versucht, beruhigend zu wirken, ohne seine Tarnung zu gefährden. Doch das Mädchen spürt die Gefahr – in einem unbeobachteten Moment greift sie ins Lenkrad. Reifenquietschen zerreißt die Luft, Metall knirscht auf Asphalt, als der Wagen von der Straße abkommt. Als Batu aus seiner kurzen Bewusstlosigkeit erwacht, ist Amelie verschwunden.
Die Suche nach dem Mädchen wird zum Wettlauf gegen die Zeit. Batu spürt die wachsende Ungeduld seiner Auftraggeber wie ein unsichtbares Messer an seinem Hals. Gleichzeitig drängt auch sein LKA-Chef Uwe Kohnau: „Wir müssen sie finden, bevor sie von der Bildfläche verschwindet. Sie ist unser Köder.“ Die kleinen Gassen St. Paulis verschlucken Amelies Spuren wie ein Labyrinth ohne Ausgang. Der Regen, der unablässig auf das Kopfsteinpflaster prasselt, verwäscht jede Spur.
Als Batu sie schließlich im Keller ihres Vaterhauses entdeckt, entwickelt sich zwischen dem harten Undercover-Ermittler und dem verängstigten Mädchen eine zaghafte Verbindung. „Du bist kein schlechter Mensch“, sagt Amelie leise, während im Hintergrund die Sirenen der Polizeistreifen heulen, die nach anderen vermissten Kindern suchen. Für einen kurzen Moment fallen die Masken, und Batu spürt die Last seiner Doppelrolle wie Blei auf seinen Schultern.
Doch die Handlung duldet keinen Aufschub. Die Millionärstochter Sarah braucht dringend eine Niere, ihre Eltern haben in ihrer Verzweiflung einen Pakt mit den Organhändlern geschlossen. „Ich brauche das Mädchen. Jetzt“, drängt Feldmann am Telefon mit einer Stimme kalt wie Eis. Die würzigen Gerüche des türkischen Essens, das Batus Freund Erdalan zubereitet hat, um Amelie für einen Moment Geborgenheit zu schenken, kontrastieren schmerzhaft mit der brutalen Realität, die draußen wartet.
Die Entscheidung fällt schwer, doch es gibt nur einen Weg: Amelie muss als Köder dienen, versehen mit einem winzigen Sender im Ohrring. „Ich bring dich nach Hause, versprochen“, flüstert Batu, bevor er sie übergibt. Was er nicht weiß: Der Weg zum Versteck der Organhändler führt durch ein labyrinthisches, verlassenes Bürogebäude, ein rostender Koloss aus Beton und Stahl, dessen endlose Flure und leere Räume alle Geräusche verschlucken. Die Suche gleicht dem verzweifelten Versuch, in einem unendlichen Ozean nach einem einzelnen Tropfen zu fischen.
Hinter den Kulissen
Die Tatort-Folge „Leben gegen Leben“ ist der vierte Fall für den Hamburger Undercover-Ermittler Cenk Batu (Mehmet Kurtuluş) vom Landeskriminalamt. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) produzierte diesen Film, der am 27. Februar 2011 erstmals im Ersten ausgestrahlt wurde. Als 792. Folge der legendären Krimireihe setzt sie sich deutlich von klassischen Tatort-Episoden ab – keine Auftaktleiche, keine Spurensicherung, dafür umso mehr Einblicke in die gefährliche Welt der verdeckten Ermittlung.
Gedreht wurde der Film in Hamburg und Umgebung unter der Regie von Nils Willbrandt, der auch das Drehbuch verfasste. Willbrandt arbeitete nach seinem Studium zunächst als Journalist und Korrespondent, lernte Schauspiel und Dramaturgie in New York und absolvierte ein Filmstudium in Hamburg, bevor er als Autor und Regisseur tätig wurde.
In der Rolle des Straßenmädchens Amelie überzeugt die damals noch junge Schauspielerin Michelle Barthel, der Kritiker ein „großes Potenzial“ bescheinigten. Die Uraufführung des Films fand bereits am 6. Oktober 2010 beim Filmfest Hamburg statt, mehrere Monate vor der TV-Premiere.
Stilistisch wurde „Leben gegen Leben“ häufig als Thriller bezeichnet, der sich durch seine moderne, sprunghafte Erzählweise und die vielen Ortswechsel von traditionellen Krimiformaten abhebt. Die Kritiken fielen überwiegend positiv aus, auch wenn manche Rezensenten die fragmentierte Erzählweise der ersten Stunde bemängelten. Bei der Erstausstrahlung sahen 6,83 Millionen Zuschauer zu, was einem Marktanteil von 17,90 Prozent für Das Erste entsprach – für einen Tatort eher durchschnittliche Quoten.
Die Figur des Cenk Batu wurde von Kritikern als „eine der facettenreichsten Ermittlerfiguren der Reihe“ gelobt, die Parallelen zu James Bond aufweise – mit Gadgets wie Miniaturkameras und Peilsendern ausgestattet. Nach Meinung mancher Kritiker erinnerte Mehmet Kurtuluş in seiner intensiven Darstellung sogar an Götz Georges legendären Schimanski. Leider endete die Ermittlerkarriere des Hamburger Undercover-Spezialisten bereits nach sechs Fällen.
Spannend aber doch hoffentlich!! unrealistisch!
Mir hat der Tatort gefallen! Mich würde noch interessieren, ob es den Rap, den Cenk am Ende im Bus gehört hat, wirklich gibt: Vergiss nicht, dass du Gottes Segen hast !
MfG
Ist jemandem der Rap am Ende (text) bekannt?
Ich fand den tatort sehr spannend, finde aber er enthält eine versteckte Doppelmoral: einerseits wird illegale Organspende verurteilt (was ich durchaus für richtig halte!), weil dabei das Leben von Menschen „am Rand der gesellschaft“ aufs Spiel gesetzt oder geopfert wird, damit das Leben reicherer Menschen gerettet werden kann. Andererseits nehmen die Polizisten am Ende das Risiko in Kauf, dass Amelies Leben in Gefahr gerät, nur um damit weitere Leben zu schützen. Ist das jetzt besser, nur weil mehr Menschen gerettet werden? Oder weil es ihnen dabei nicht ums geld geht? Ist batu besser als die verbrecher, die er jagt, nur weil er kurz zweifelt ob es in Ordnung ist, ein Leben für andere Leben eventuell zu opfern? Ist er ein besserer Mensch, weil er sich quasi Amelies Okay einholt, das diese ihm doch aber nur gibt, weil er der letzte Mensch ist, den sie hat? Ich fand das wirklich wirklich kritisch, insbesondere weil mit diesem Konflikt zwar gespielt wurde, aber letztlich nur, um die Heldenrolle von batu auszubauen, um ihn als rechtschaffenen, auch mal zweifelnden Helden darzustellen, der am Ende tut, was nötig ist, um die Welt zu retten. Aber ich finde es fraglich, ob seine Entscheidung richtig ist, und ich finde auch nicht, dass er dazu „Gottes Segen“ hatte – die meisten Religionen teilen den Standpunkt „Rettest du einen Menschen, rettest du die ganze Welt“, und wenn wir mal beim Christentum bleiben wollen, ist Gott der einzige der seinen Sohn opfern darf um die Menschheit zu retten.
Bin Tatortfan, aber dieser hat mich mehr als enttäuscht.
So etwas von unrealistisch.
Hoffe es geht so in Hamburg nicht weiter, denn dann ist zumindest diese Tatortreihe „tot“ für mich.
Unrealistisch?
Das Thema ist ziemlich brandaktuell und aus dem realem Leben.
Der Hamburger Tatort ist und bleibt zurzeit der Beste! Keine öden „Wo waren Sie zwischen 22 u. 23 Uhr“ abfragen, oder „Können Sie schon was zum Todeszeitpunkt sagen“ Nervereien.
Dazu spannend gefilmt und gut in Szene gesetzt. Was man bei den letzten „hahnebüchenen“ Tatorten aus Bremen und Leipzig dagegen wieder ertragen musste…Cenk ist spitze!
Weiter so!
Der Hamburger Tatort mit Hauptkommissar Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) wird nicht weiterfortgesetzt. Bleibt nur bei den 6 vereinbarten Folgen.
Grund: Quotentief
@gudrun
Das von dir wieder so ein geistreicher Kommentar kommt wundert mich nicht. Immer das selbe Klischeegelaber.
Einer der besten Cenk-TATORTS ;-
Wann wird diese Folge wieder ausgestrahlt? Hoffentlich bald
Es gibt einen kleinen Fehler bei diesem Artikel. Der Tatort lief nicht im Feburar 2002 zum ersten Mal sondern im Feburar 2011. :-)
Völlig unrealistisch!,
besonders deshalb, weil „Nierenversagen“ heute keine lebenbedrohliche Krankheit mehr ist und auch ein Spender mit einer Niere problemlos weiterleben kann.
mfg
Nierenspender
Wie heißt das Rap Lied am Ende in der U-Bahn und von wem ist es?
Das war der beste Tatort, den ich je gesehen habe. Großes Kompliment den Machern und Darstellern. Unaufgeregt, spannend und ohne moralischen Zeigefinger. Ganz großes Kino!
Spannend und anders als ein normaler Tatort. Soll diese jedoch nicht abwerten.
Gut und spannend, vor allem zum Schluss wird es packend.
Eine Schande vom NDR, die Tatortreihe mit Cenk Batu (Mehmet Kurtulus) abzusetzen und sich dafür den Schweiger ins NDR-Tatort-Boot zu holen!
Dieses überflüssige Genuschel braucht keiner!
Die Batu-Reihe hatte ihren eigenen Charme und war halt anders…im positiven!
Ein sehr spannender, intelligent gemachter Tatort.
Ein echtes Highlight.
Mehmet Kurtulus spielt hier, wie in allen seinen Tatorten,
absolut überzeugend.
Verstehe nicht, wieso man nicht mit Ihm weitergemacht hat.
Der Film ist der Hammer ich hoffe den zeigen sie wieder im fernsehen weil sie den bei uns gedreht haben
Der Tatort mit der Nummer 792 aus Hamburg. Es ermitteln die Hauptkommissare Batu und Kohnau vom Landeskriminalamt in gewohnter Taktik. Batu Undercover, Kohnau, in bekannter Weise, als sein Führungsoffizier. Beide sind ein eingespieltes Team und dieses zahlt sich in diesem Tatort-Thriller doppelt aus. Spannender und sehenswerter Tatort-Krimi von dem man keine Minute verpassen möchte. Hervorragend gespielt und dargestellt, mit wirklich guten Schauspielern, was unter dem Drehbuch und der Regie von Nils Willbrandt auch keine Verwunderung sein kann.
Eigentlich mag ich keine „untypischen“ Tatorte. Aber dieser Tatort haut mich um. Ganz stark. Keine Ahnung, warum ich den noch nicht kannte, aber so kann ich endlich wieder einen für mich neuen Tatort sehen, der mich begeistert. Fast schon vergessen in Zeiten von Schweiger un WWM, dass es mal richtig gute Hamburg-Tatorte gab.
Tolle Schauspieler (Sonderlob wieder mal an Michelle Barthel; nochmal nachgeguckt: da war sie 17!). Echt schade, dass man von Hauptkommissar Cenk Batu so wenig Tatorte erleben durfte; auch Mehmet Kurtuluş ist ein außergewöhnlicher Schauspieler.
Außergewöhnlich gut ist auch das Drehbuch zu einem allzeit brisanten und berührenden Thema. Man fiebert mit und die Handlung nimmt überraschende Wendungen.
Ganz starker Batu Tatort. Schauspielerisch auf ganz hohem Niveau. Da kann sich der Schweiger ne Scheibe abschneiden. 5 Sterne
mit die besten Tatorte der letzten 15 Jahre… aber mit den miesesten Quoten.
das hatte halt Konsequenzen