Kurz und knapp – darum geht’s
Nach 15 Jahren Haft wird der verurteilte Frauenmörder Wenzel Hirmer aufgrund eines positiven psychiatrischen Gutachtens entlassen – doch die wiedergewonnene Freiheit währt nicht lange. Als eine junge Frau auf grausame Weise ermordet in seiner Wohnung gefunden wird, scheint der Fall für die Ermittler zunächst klar. Hirmer beteuert jedoch verzweifelt seine Unschuld und Kommissar Lutz entdeckt bei seinen Nachforschungen tatsächlich Ungereimtheiten in der Beweiskette. Als die Ermittler dem gutachterlichen Psychiater Professor Pabst und dessen Sohn Mark näher auf den Grund gehen, geraten sie in einen Strudel aus Lügen, Vertuschung und familiärer Tragödie…
Inhalt der Tatort-Folge „Zweierlei Knoten“
Im fahlen Licht des Gefängnisbüros überreicht Direktor Dr. Münzer dem Häftling Wenzel Hirmer die Begnadigungsurkunde. Nach 15 Jahren hinter Gittern für den Mord an zwei jungen Frauen darf der introvertierte Mann zurück in die Freiheit – gegen die deutlichen Bedenken des Anstaltspsychologen Dr. Steffen. Zu verdanken hat er diese zweite Chance dem Gutachten seines behandelnden Psychiaters Prof. Pabst, der ihn für geheilt erklärt.
Doch die neue Freiheit ist für Hirmer ein zweischneidiges Schwert. Nervös und orientierungslos streift er durch die Straßen Mannheims, während der kalte Herbstwind durch die verlassenen Hafenanlagen fegt. Die Stadt ist ihm fremd geworden, ein Labyrinth aus Licht und Schatten. „Am liebsten würde ich zurück in meine Zelle“, gesteht er Prof. Pabst bei einem ihrer Nachsorgegespräche. Der vorsichtige Versuch, ein normales Leben zu führen, gestaltet sich schwieriger als gedacht.
Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz wirkt müde, als er den Anruf erhält. Sein kantiges Gesicht, von einem Leben in der Verbrechensbekämpfung gezeichnet, verrät keine Regung, als er mit seinem Assistenten Wagner die Schrebergartenlaube betritt. Dort liegt sie: eine junge Frau, erstochen, gefesselt wie die Opfer von damals. Schnell stellt sich heraus: Es ist Anja Küppers, die Freundin des Sohnes von Professor Pabst. Derselbe Pabst, der Hirmers Entlassung befürwortet hatte. Die Indizien scheinen eindeutig – der rückfällige Triebtäter hat wieder zugeschlagen.
Doch zwischen den Aktenordnern und dem beißenden Geruch von Filterkaffee im Mannheimer Präsidium kommen dem erfahrenen Kommissar erste Zweifel. „Die Knoten stimmen nicht“, murmelt sein Assistent Wagner, während er die Tatortfotos vergleicht. Die Fesselungen an Anjas Handgelenken unterscheiden sich von Hirmers früherer Vorgehensweise – feine Details, die wie Sandkörner das sonst so glatte Beweisgebäude aufrauen. Die Ermittlungen gleichen einem Schachspiel gegen einen unsichtbaren Gegner, bei dem jeder Zug mehr Fragen als Antworten bringt.
Während Hirmer verzweifelt seine Unschuld beteuert und in Untersuchungshaft auf einen erneuten lebenslangen Freiheitsentzug wartet, richtet Lutz seinen prüfenden Blick auf Prof. Pabst und dessen Familie. Bei jedem Gespräch mit dem renommierten Psychiater schwingt eine unterschwellige Spannung mit. „‚Warum bin ich verdächtig?‘, fragt Pabst mit einer Gelassenheit, die mehr verbirgt als offenbart.“ Die Villa der Familie Pabst, großzügig und elegant, wirkt plötzlich wie eine Festung voller Geheimnisse, hinter deren Mauern die wahre Geschichte des Mordes verborgen liegt.
Die Ermittler dringen immer tiefer in das psychologische Geflecht aus Vater, Sohn und dem ermordeten Mädchen ein – ein Beziehungsdreieck, dessen wahre Natur sich erst langsam entfaltet. Als Lutz und Wagner schließlich auf die Aussage des bisher abgeschirmten Sohnes Mark bestehen, beginnt die sorgfältig konstruierte Fassade einer vermeintlich perfekten Familie zu bröckeln…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Zweierlei Knoten“ ist die 102. Folge der beliebten Krimireihe und der neunte Fall für den von Werner Schumacher verkörperten Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz. Die vom Süddeutschen Rundfunk (SDR) produzierte Episode entstand zwischen dem 9. August und dem 20. September 1978 an verschiedenen Drehorten in Baden-Württemberg – darunter Stuttgart, Ludwigsburg, Mannheim sowie im Studio 4 des SDR.
In den Hauptrollen brillieren neben Werner Schumacher als Kommissar Lutz auch Frank Strecker als sein Assistent Wagner. Die Gastbesetzung umfasst Martin Schwab in der komplexen Rolle des entlassenen Straftäters Wenzel Hirmer sowie Rainer Will als der ambivalente Psychiater Professor Pabst. Die differenzierte Darstellung psychologischer Abgründe und moralischer Grauzonen macht diesen Fall zu einem besonderen Highlight der frühen Tatort-Jahre.
Mit einem beeindruckenden Marktanteil von 46 Prozent bei der Erstausstrahlung am 29. Juli 1979 im Ersten Programm der ARD erwies sich die Folge als echter Publikumsmagnet. Der Fall thematisierte für die damalige Zeit ungewöhnlich offen die Resozialisierung von Straftätern und die ethischen Dilemmata forensischer Psychiatrie – Themen, die Ende der 1970er Jahre durchaus kontrovers diskutiert wurden.
Nach der Ausstrahlung sorgte besonders die ambivalente Darstellung des eigentlich vertrauenswürdigen Psychiaters für Diskussionen unter Zuschauern und Kritikern. Die komplexe Charakterzeichnung und die überraschenden Wendungen machten „Zweierlei Knoten“ zu einem der atmosphärisch dichtesten Fälle der frühen Tatort-Geschichte und stellten zugleich ein interessantes Zeitdokument der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Strafvollzug in der Bundesrepublik der späten 1970er Jahre dar.
Besetzung
Gabriela Badura · Karin Frey · Hansjürgen Gerth · Peter Glombik · Klaus Götte · Karl-Heinz von Hassel · Franz Günter Heider · Anfried Krämer · Annetraut Lutz · Carolin Ohrner · Ulrich Popp · Gabriele Rolle · Dieter Rössler · Hans Schulze · Martin Schwab · Dietz Werner Steck · Herbert Steinmetz · Frank Strecker · Heinz Weiss · Rainer Will
Stab
Regie – Theo Mezger
Buch – Karl Heinz Willschrei
Kamera – Justus Pankau
Schnitt – Hans Trollst
Musik – Jonas C. Haefeli
Produktion – SDR
Der Tatort Nummer 102 aus Stuttgart. Hauptkommissar Lutz und sein Wagner ermitteln im Fall eines vermeintlichen Sexualmordes, den ein aus der Haft entlassender zweifacher Mädchenmörder begangen haben soll. Um das Ganze abzukürzen: Der Triebmörder war es nicht, sein Therapeut versuchte ihm, bestens mit seinen Taten vertraut, den Mord an einer jungen Frau anzuhängen, welche sein Sohn im Affekt und aus Eifersucht begangen hat. Der einzige Det diesem Tatort-Thrillerchen war meines Erachtens der Gefängnisdirektor, einen der längeren Kälte ausgesetzten Schön-Denkers. Fehlte nur noch der Hinweis: Personen und Orte dieses Spielfilms sind frei erfunden. Den habe ich aber überlesen. Ehrlich.
„Ick wund’re mir und staune“: Erst ein Kommentar! Wurde der so selten gesendet?
Wenn man fernsehserien.de Glauben schenken darf, lief er vor fast 20 Jahren am 31. August 2001 zum letzten Mal – umso erfreulicher, ihn im korrekten 4:3-Format wieder mal sehen zu dürfen!
Liegt das womöglich daran, daß diese Folge den Zuschauer nicht so wirklich mitreißt? Sie kommt etwas schwäbisch behäbig daher und ist eher als Psycho-Kammerspiel inszeniert, immerhin garniert mit einer Actionszene, in der Lutz durch beherztes Zugreifen den Sprung des Verdächtigen Hirmer vom Kran im Binnenhafen gerade noch verhindern kann.
Also wieder einmal das Motiv Binnenhafen, diesmal der in Mannheim – und Knoten! Moment mal, hatten wir sowas ähnliches nicht erst kürzlich? Genau, man vgl. die vor kurzem gelaufenen Folge ‚Kneipenbekanntschaft‘, in der eine Mastwurf-Schlinge den Täter überführte.
Aufgemerkt: Kenntnisse in der Knotenkunde, sei’s christl. Seefahrt oder Marine, sind beim TO immer von Vorteil!
Der Plot ist durchaus spannend, dazu eine gut sortierte Darstellerriege, handwerklich ohne Fehl und Tadel umgesetzt, dennoch will der Funke nicht so recht überspringen, trotz des renommierten Gespanns Mezger/Willschrei – beide Regie- und Drehbuch-Urgesteine im deutschen TV: Erstgenannter war allein bei 16 TOen als Regisseur tätig (auch b.d. vierteiligen ‚Raumpatrouille‘-Serie von 1966 und der Neuverfilmung von 2003), Willschrei verfaßte um die 150 Drehbücher, unter den neun TOen finden sich z.B. die Preziosen ‚Zweikampf‘ und ‚Rot-rot-tot‘.
Schreibmaschine mit Kohlepapier für doppelte Durchschläge, Baugerüste aus Holz statt Stahl & Alu, Telefonzellen sind gelb und Tennisschläger aus Holz; Tastentelefone (FeTap 751) setzen sich allmählich durch – wir befinden uns ausgangs der 70er Jahre.
Da darf natürlich die ‚Ballade pour Adeline‘ nicht fehlen, musikal. Background so vieler deutscher zeitgenössischer Krimis (‚Der Alte‘ etc. pp. – wer zählt die Folgen, nennt die Namen?) und begegnete uns zuletzt in Haferkamps ‚Rechnung mit einer Unbekannten‘.
Es deutet sich an, daß es hier mehr um eine Beziehungstat denn einen Mord aus sexuellen Motiven geht, als der Sohn mitten in die Therapiesitzung platzt, euphorisiert von seiner Variante der Sizilianischen Eröffnung berichtet und wenig später eine junge blonde Schönheit das Haus des Professors verläßt: Nämlich Carolin Ohrner, die Halbschwester von Thomas, mit dem sie 1976 zusammen im Kinder-Krimi ‚Haus der Krokodile‘ spielte, ist seit den 90er Jahren jedoch nicht mehr im TV zu sehen, sondern mit Nachnamen Frydman heute als Schmuckdesignerin tätig.
Mit an Bord ist ‚Käpt’n‘ Heinz Weiss bei seinem dritten und letzten TO-Auftritt, ebenso der allgegenwärtige Karl-Heinz von Hassel; Herbert Steinmetz als Kriminalrat a.D. zeigt uns die Knotentechniken Palstek und Webeleinstek (=Mastwurf); während ‚Noch-nicht-Bienzle‘-Staeck als JVA-Volllzugsbeamter in einer winzigen Nebenrolle zu sehen ist.
Die Hauptprotagonisten Krämer und Will sind eher im Theater beheimatet als bei TV & Film, genau wie Martin Schwab: Der ist Burgschauspieler, seine Filmografie weist genau drei TV-Produktionen aus – alles Tatorte!
Früher als der Chef ist Wagner auf der richtigen Spur, sein eigenmächtiges Vorgehen mit der Demonstration der Knotentechnik an der Sekretärin war clever – die heißt in der Rolle Elke Porzer/Potzer (schwer verständlich), im wahren Leben Annetraut Lutz – gut, das muß man nicht wissen, find ich aber drollig!
„Die Haftanstalt, das war mein Zuhause“, sagt Hirmer. Zum Schluß qualmt der Schlot der ‚Erika‘ – so als ob der ausgediente Kahn eine schöne Bleibe für den Ex-Seemann wäre…
Kann man sich bei Gelegenheit mal antun.
Diesen Tatort fand ich gar nicht schlecht. Gemütlich spannend gemacht, obwohl man immer mehr ahnt, worauf es hinausläuft. Schönes Eintauchen in die 70er Jahre. Die Stimmung dieser Zeit kommt sehr gut rüber. Der Mannheimer Hafen war ja schon ein Thema in „Auf offener Straße“.
Ich mag diese Art von Filmen, leicht unscharf und mit Farbstich. Über das Format kann man natürlich streiten: Einerseits ist das Originalformat 4:3 gut, andererseits sorgt es für Eierköpfe, wenn man den Film auf einem Gerät anschaut, das sich nicht umstellen lässt.
Vielen Dank an Al.Ter für die vielen Hintergrundinfos!
Habe diesen Tatort leider verpasst, weil mein Rekorder versagt hat (schade, dass solche alten Perlen immer so spät laufen und daher aufgezeichnet werden müssen)
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