Kurz und knapp – darum geht’s

Eine verstümmelte Frauenleiche ohne Kopf und Gliedmaßen wird in der Nähe des Frankfurter Flughafens gefunden. Kommissarin Charlotte Sänger und Fritz Dellwo nehmen die Ermittlungen auf und stoßen schnell auf ein Doppelleben des Opfers, das sich regelmäßig zu Blind-Dates mit Unbekannten traf. Als plötzlich BKA und FBI eingeschaltet werden, erfährt das Ermittlerduo, dass sie einem international agierenden Serienkiller auf der Spur sind, der seine Taten auf Video dokumentiert. Als Sänger über ein Internetportal Kontakt zum Täter herstellt und auf eigene Faust ermittelt, gerät sie in eine tödliche Falle, aus der es kein Entkommen zu geben scheint…

Inhalt der Tatort-Folge „Frauenmorde“

Schlaflos und zitternd zieht sich Charlotte Sänger ein Pflaster über die frische Schnittwunde an der Hand. Der Überfall in der Bahn liegt erst wenige Stunden zurück – ihr Angreifer nahm nicht nur ihre Handtasche mit, sondern auch ihre Identität. „Ich hab sie tot gemacht“, meldet sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung, als Dellwo vergeblich versucht, seine Kollegin zu erreichen. Doch für Spekulationen bleibt keine Zeit. Ein makaberer Fund wartet auf die Ermittler: ein nackter Frauentorso, dem Kopf, Hände und Beine fehlen – wie ein achtlos weggeworfenes Puzzlestück im Schatten des nächtlichen Flughafens.

Die Identifizierung der Toten gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. Doch ein Geistesblitz führt Sänger zu einem besorgten Ehemann, der gerade seine Frau als vermisst melden wollte. Ingeborg Karp ist das Opfer – eine scheinbar vorbildliche Ehefrau und Mutter aus Dellwos Nachbarschaft. Der Kommissar, dessen eigene Ehe gerade zerbricht, muss nun dem verzweifelten Witwer die grausame Nachricht überbringen.

Während draußen kalter Nieselregen auf das Pflaster prasselt, versuchen die Ermittler, die letzten Stunden im Leben des Opfers zu rekonstruieren. Die Ungereimtheiten häufen sich: Statt wie behauptet zum Yoga zu gehen, fuhr Ingeborg Karp regelmäßig zu einem Stundenhotel. „Die Fassade der bürgerlichen Ordnung bröckelt“, murmelt Sänger, während sie auf dem Computer der Toten ein Internetportal für anonyme Dates entdeckt.

Die klaustrophobische Atmosphäre des Falls wird jäh durchbrochen, als BKA-Oberrat Wimmer und FBI-Agent Gordon zur Mordkommission stoßen. Ihre Nachricht lässt das Blut in den Adern der Ermittler gefrieren: Der Mord reiht sich ein in eine internationale Serie bestialischer Frauenmorde – stets in Flughafennähe, stets nach demselben grausamen Muster. Zwischen den verschiedenen Ermittlerteams entbrennt ein Kampf der Egos, der die Fahndung zu lähmen droht. Dellwo, dessen Abneigung gegen die „arroganten Besserwisser“ vom BKA mit jedem Wortgefecht wächst, beschließt mit seiner Kollegin, auf eigene Faust zu ermitteln.

Ein mysteriöses Videoband taucht vor Dellwos Haustür auf – darauf zu sehen: die letzten Momente im Leben von Ingeborg Karp, gefilmt vom Täter selbst. Dieses voyeuristische Element lässt die Ermittler erschaudern. Der Mörder beobachtet, filmt, besitzt – und vernichtet schließlich. Sänger erkennt das Hotel auf dem Video und wagt einen gefährlichen Schritt: Über das Internetportal nimmt sie Kontakt zum Täter auf, gibt sich als potentielles Opfer aus. Dellwos Warnung verhallt ungehört im nächtlichen Frankfurt, dessen Hotelzimmer wie stumme Zeugen auf das nächste Verbrechen warten.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Frauenmorde“ ist der zweite gemeinsame Fall des Frankfurter Ermittlerduos Charlotte Sänger und Fritz Dellwo. Gedreht wurde die Produktion des Hessischen Rundfunks in Frankfurt am Main und seiner Umgebung. Regie führte Nikolaus Stein von Kamienski (auch bekannt als Niki Stein), der auch das Drehbuch verfasste und zuvor bereits den ersten Fall des Teams mit dem Titel „Oskar“ inszeniert hatte.

In den Hauptrollen brillieren Andrea Sawatzki als Kommissarin Charlotte Sänger und Jörg Schüttauf als ihr Kollege Fritz Dellwo. Zum weiteren Ensemble gehören Peter Lerchbaumer als Mordkommissionsleiter Werner Fromm und Thomas Balou Martin als Staatsanwalt Dr. Scheer. In Gastrollen sind unter anderem Tim Bergmann als BKA-Oberrat Wimmer, Geoffrey Burton als FBI-Agent Gordon, Jan-Gregor Kremp als Ehemann Peter Karp und Edda Leesch als Steffi Dellwo zu sehen.

Die Erstausstrahlung von „Frauenmorde“ erfolgte am 9. März 2003 im Ersten und erreichte 7,39 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 20,10 Prozent entsprach. Der Film zeichnet sich durch seinen Versuch aus, sich an internationalen Thriller-Vorbildern wie „Sieben“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ zu orientieren – ein für damalige Tatort-Verhältnisse ungewöhnlicher Ansatz.

Nach der Ausstrahlung wurde besonders die kompromisslose Darstellung der Brutalität und die realistische Schilderung der Polizeiarbeit diskutiert. Kritiker lobten die Kompaktheit der Hauptfiguren und die authentische Atmosphäre innerhalb der Sonderkommission mit ihren „gedankenlosen Zynismen und dem alltäglichen Sexismus“ – für einen Tatort jener Jahre durchaus atypisch.

Besetzung

Kommissarin Charlotte Sänger – Andrea Sawatzki
Kommissar Fritz Dellwo – Jörg Schüttauf
Herr Kruschke – Oliver Bootz
Ina Springstub – Christiane Schulz
Dr. Scheer – Thomas Balou Martin
Frau Richter – Sabine Vitua
Gerichtsmedizinerin – Iris Böhm
Herr Richter – Rainer Will
Frau Karp – Stefanie Kunkel
Greta – Ann Sophie Schmitt
Steward – Stefan Weinert
Herr Fromm – Peter Lerchbaumer
Susi – Sofie Nieland
Gordon – Geoffrey Burton
Wimmer – Tim Bergmann
Steffi Dellwo – Edda Leesch
u.a.

Stab

Drehbuch – Nicki Stein
Regie – Nicki Stein
Musik – Jacki Engelken, Ulrik Spieß
Kamera – Arthur W. Ahrweiler
Szenenbild – Benedikt Herforth

Bilder: HR/Jacqueline Krause-Burberg