Kurz und knapp – darum geht’s
An einem verlassenen Waldweg nahe der deutsch-französischen Grenze werden zwei tote Afghanen gefunden – einer erschossen, einer an Herzversagen gestorben. Kommissar Max Palu entdeckt in der Nähe ein traumatisiertes Mädchen, das sich versteckt hat und Zeugin der Geschehnisse wurde. Die Spur führt zu einer Spedition, die neben regulären Transporten auch Menschen schleust. Als Palu mithilfe des afghanischen Dolmetschers Habib der Wahrheit immer näher kommt, gerät nicht nur das kleine Mädchen in Lebensgefahr, sondern auch all jene, die zu viel wissen…
Inhalt der Tatort-Folge „Reise ins Nichts“
Fröstelnd streift Kommissar Max Palu durch den nebelverhangenen Wald, in dem die zwei Leichen gefunden wurden. Das feuchte Laub unter seinen Füßen dämpft jeden Schritt. „Da wurde einer regelrecht hingerichtet“, murmelt sein Kollege Deininger, während der Nieselregen die Spuren am Tatort zu verwischen droht. Zwischen den Bäumen entdeckt Palu ein zitterndes Bündel – ein kleines afghanisches Mädchen, dessen dunkle Augen vor Angst geweitet sind.
Die Ermittlungen führen zu einem seltsamen Tanz aus Lügen und Halbwahrheiten. Der sonst so zupackende Palu wirkt ungewohnt behutsam im Umgang mit dem verstörten Kind, das er kurzerhand bei sich aufnimmt. „Lassen Sie das bloß nicht den Staatsanwalt wissen“, warnt Deininger halb im Scherz, doch Palu kann nicht anders – zu sehr erinnert ihn das Mädchen an seine eigene Verletzlichkeit, die er sonst so gut versteckt hält.
In der kühlen, von Neonlicht durchfluteten Lagerhalle der Spedition Hallmeier riecht es nach Diesel und Schweiß. Der Firmeninhaber Erwin Hallmeier thront in seinem Rollstuhl wie ein gebrochener König über seinem Reich aus Lastwagen und Transportkisten. „Mit Flüchtlingen habe ich nichts zu tun“, behauptet er mit einem Lächeln, das seine Augen nicht erreicht. Die Befragung der Fahrer gleicht einem Verhör auf dünnem Eis – keiner will etwas wissen, keiner will etwas gesehen haben.
Willi Kastenholz, der Fahrer mit der roten Mütze, den das kleine Mädchen auf seiner Zeichnung festhält, bewegt sich wie ein gehetztes Tier zwischen den Lastwagen. „Ich steige aus, verstehen Sie?“, flüstert er seinem Chef zu, nicht ahnend, dass er damit sein Todesurteil unterschreibt. Die Angst, die ihn umgibt, ist so greifbar wie der Rauch seiner ständig glimmenden Zigarette.
Währenddessen versucht der afghanische Dolmetscher Habib, zwischen den Welten zu balancieren – seine Loyalität zu den Flüchtlingen, seine Liebe zu Sabine Hallmeier, der Tochter des Spediteurs, und sein schlechtes Gewissen. Der Fall verdichtet sich zu einem Netz aus Verstrickungen, in dem jeder Faden, den Palu zieht, die Schlinge um einen anderen enger zieht. Als ein dritter Toter auftaucht, scheint die Fahndung nach dem Täter wie die Suche in einem Labyrinth, in dem jeder Weg wieder zum Anfang führt.
Die Flüchtlinge selbst bleiben fast unsichtbar – versteckt in einer verlassenen Lagerhalle, deren rissige Wände wie ein Sinnbild für zerbrochene Hoffnungen stehen. „Wir sollten nach England“, erzählt einer von ihnen mit leiser Stimme, „dort wollten wir ein neues Leben beginnen.“ Stattdessen finden sie sich im nasskalten Saarland wieder, eingepfercht zwischen Kartoffelsäcken, zwischen Leben und Tod.
In der Endphase überschlagen sich die Ereignisse. Während Palu dem letzten Puzzleteil der Wahrheit hinterherjagt, nimmt Habib das Schicksal in die eigene Hand – und spielt ein gefährliches Spiel mit dem Mann, der nicht zögert, jeden aus dem Weg zu räumen, der seine Geschäfte bedroht.
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Reise ins Nichts“ ist die insgesamt 15. Folge mit Kriminalhauptkommissar Max Palu, gespielt von Jochen Senf, und wurde als 520. Tatort-Folge am 29. Dezember 2002 im Ersten ausgestrahlt. Unter der Regie von Hartmut Griesmayr, der zusammen mit Ute Gerber und Peter Zingler auch das Drehbuch verfasste, entstand ein Film, der die Schattenseiten der Globalisierung und das Schicksal von Flüchtlingen in den Fokus rückt.
An der Seite von Jochen Senf spielte Gregor Weber als Kommissar Stephan Deininger. In weiteren Rollen überzeugten Dietrich Mattausch als skrupelloser Spediteur Erwin Hallmeier im Rollstuhl und Heinz Hoenig als Fahrer Willi Kastenholz. Die Dreharbeiten fanden im Saarland statt, wobei besonders die Grenzregion zu Frankreich als authentische Kulisse diente – und damit die deutsch-französische Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Menschenschmuggel widerspiegelte.
Bei der Erstausstrahlung erreichte der Film 6,52 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 19,2 Prozent entsprach. Obwohl die Kritiken gemischt ausfielen – einige bemängelten die Vorhersehbarkeit der Handlung und die stereotype Charakterzeichnung – wurde die gesellschaftspolitische Relevanz des Themas allgemein anerkannt. Die Folge reflektierte die damals aktuelle Debatte um ein Zuwanderungsgesetz in Deutschland und die Problematik illegaler Einwanderung nach Europa, die auch heute noch erschreckend aktuell ist.
Besetzung
Max Palu – Jochen Senf
Erwin Hallmeier – Dietrich Mattausch
Sabine Hallmeier – Maria Simon
Khandi – Vespa Vasic
Didi – Thomas Goritzki
Frau Braun – Alice Hoffmann
Sabine Hallmeier – Maria Simon
Willi Kastenholz – Heinz Heonig
Habib – Alexander Djassemi
Frank Stetter – Christian Koerner
Margit – Tatjana Clasing
Stephan Deininger – Gregor Weber
Stab
Regie – Hartmut Griesmayr
Kamera – Charlie Steinberger
Buch – Peter Zingler, Hartmut Griesmayr und Ute Geber
Musik – Frank Nimsgern
Bilder – MDR/SR/Wolfgang Klauke
Der Tatort mit der Nummer 520 aus Saarbrücken. Die Hauptkommissare Palu und Deininger ermitteln in einen Mordfall, welcher auf Menschenschmuggel schließen lässt und das Saarland augenscheinlich als Transitstrecke hierfür benutzt wird. Weitere Tötungsdelikte geschehen und die beiden Mordermittler müssen tief in das scheinbar undurchdringbare Geflecht aus Intrigen und Lügen der menschenverachtenden und gewinnbringend orientierten Schleuser-Verbrecher eindringen. Ein mäßig spannender Tatort-Spielfilm aus dem Jahr 2002, wie ich meine, mit heute noch sehr aktuellen Bezug zur Wirklichkeit. Die guten schauspielerischen Fähigkeiten der Akteure lassen diesen Tatort-Fernsehfilm sehenswert erscheinen.
Max Palu lang ist es her. Eigentlich Top besetzt mit Heinz Hoenig und Dietrich Mattausch aber zünden will diese Folge bei mir einfach nicht schade.