Kurz und knapp – darum geht’s

In einem Waldstück nahe München wird die Leiche eines jungen Mädchens in einem Schlafsack gefunden. Für Hauptkommissar Melchior Veigl und sein Team erscheint der Fall zunächst eindeutig: Verdächtigt wird Hannes Mader, der eine Jagdhütte im Wald besitzt und mit dem Opfer einen One-Night-Stand hatte. Parallel häufen sich Fälle von Autodiebstählen und Wilderei, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Als Veigl die zerrütteten Familienverhältnisse seines Hauptverdächtigen näher unter die Lupe nimmt und dabei auf dessen verfeindeten Stiefsohn Biwi und dessen dubiosen Freund Dscho stößt, gerät er unversehens in ein Netz aus Lügen, Hass und tödlichen Zufällen…

Inhalt der Tatort-Folge „Schüsse in der Schonzeit“

Blass schimmert der halbe Mond über der Münchner Heimatbühne, auf der ein dramatisches Stück über das Leben eines Wilderers aufgeführt wird. Kommissar Melchior Veigl und seine Kollegin aus Berlin verfolgen vom Zuschauerraum aus das Schauspiel. „A bisserl was Bajuwarisches muss die Dame schon kennenlernen“, murmelt der bodenständige Hauptkommissar. Doch was an diesem Abend noch als folkloristische Unterhaltung beginnt, wird schon bald bitterer Ernst.

Der nächste Morgen bringt eine grausame Entdeckung: Im Schlafsack eingewickelt liegt eine junge Frau im kühlen Dickicht des herbstlichen Waldes. Leblos. Ein Schuss ins Herz. „Des schaut ned gut aus“, brummt Veigl mit zusammengekniffenen Augen, während sein Assistent Lenz alle Spuren sichert. Der erfahrene Ermittler, dessen faltige Stirn von Jahren im Dienst erzählt, zerbeißt nachdenklich seinen Zahnstocher – eine Angewohnheit, die seine Kollegen längst nicht mehr kommentieren.

Die Fahndungsarbeit führt schnell zu Hannes Mader, einem Jäger mit Hütte im Wald, der zugeben muss, die Tote als Anhalterin mitgenommen zu haben. Doch seine Geschichte klingt abenteuerlich: Ein Einbrecher soll die junge Frau erschossen haben, während sie in seiner Jagdhütte war. „Des is a G’schicht, die ma kaum glauben mag“, murmelt Veigl, während er den nervösen Mann beobachtet. Maders elegante Ehefrau aus der alteingesessenen Landthaler-Familie hält schützend ihre Hand über ihn – zu Veigls Verwunderung.

Wie ein störrischer Gebirgsbach, der seinen eigenen Weg sucht, entwickeln sich die Ermittlungen in unerwartete Richtungen. Da ist Biwi, Maders Stiefsohn, ein junger Metzger mit finsterem Blick, der seinen Stiefvater „den eingeheirateten Habenichts“ nennt. Die Luft zwischen den beiden knistert vor Feindseligkeit wie ein elektrisch aufgeladenes Gewitter. Und da ist Biwis Kumpel Dscho – ein schmieriger Geselle mit Blick wie ein angeschossenes Raubtier.

Während im nahen Ausflugslokal „Jägerstüberl“ verführerisch duftende Wildspezialitäten zu verdächtig günstigen Preisen serviert werden, verschwinden in der Umgebung auffällig viele Autos. „Mei, jetzt hab i aa no d’Autodiebstähle am Hals“, seufzt Veigl, der sich fragt, ob die Ereignisse tatsächlich so unzusammenhängend sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Seine Intuition, geschärft durch Jahre akribischer Polizeiarbeit, lässt ihn nicht los.

Bei seiner Befragung von Biwi und Dscho in der Wildhandlung Landthaler riecht es nach frischem Blut und geräuchertem Fleisch. Die beiden jungen Männer weichen seinen Fragen aus wie scheues Wild. „I glaab, ihr habts mir no ned ois vazählt“, konfrontiert sie Veigl mit ruhiger Stimme. Was verbirgt sich hinter den Blicken, die die beiden wechseln? Welches Geheimnis liegt wie Morgennebel über diesem verworrenen Fall?

Wie ein erfahrener Jäger folgt Kommissar Veigl der Fährte – durch städtische Hinterhöfe und waldige Lichtungen, vorbei an auffälligen Reifenspuren und verräterischen Patronenhülsen. Mit jedem Schritt fügt sich ein weiteres Puzzleteil in das Bild eines Verbrechens, das so vielschichtig ist wie das Dickicht des bayerischen Waldes selbst…

Hinter den Kulissen

Der BR-Tatort „Schüsse in der Schonzeit“ wurde als 77. Film der Krimireihe und als 9. Fall mit Kommissar Veigl am 17. Juli 1977 im Ersten Programm der ARD erstausgestrahlt. Die Dreharbeiten für die Produktion des Bayerischen Rundfunks fanden von März bis April 1977 statt.

In der Rolle des bodenständigen und mit trockenem Humor gesegneten Hauptkommissars Melchior Veigl brillierte erneut der bayerische Charakterdarsteller Gustl Bayrhammer, der bereits seit 1972 als Münchner Ermittler vor der Kamera stand. An seiner Seite spielte Siegfried Rauch als verdächtiger Hannes Mader, Werner Asam als dessen verfeindeter Stiefsohn Biwi und Martin Semmelrogge in der Rolle des zwielichtigen Dscho.

Das Drehbuch stammte aus der Feder von Willy Purucker, der für seine präzisen Milieustudien und seine authentische Darstellung bayerischer Lebenswelten bekannt war. Die Regie übernahm Helmuth Ashley, ein versierter Krimi-Regisseur, der sein Handwerk bei zahlreichen Edgar-Wallace-Verfilmungen perfektioniert hatte.

Bei der Erstausstrahlung erreichte die Folge einen beachtlichen Marktanteil von 57 Prozent – ein Wert, von dem heutige TV-Produktionen nur träumen können. Der Film gilt Kennern als gelungenes Beispiel für die frühe Tatort-Ära, in der Lokalkolorit und gesellschaftliche Milieus eine wichtige Rolle spielten. Die Darstellung des Konflikts zwischen urbayerischer Tradition und moderneren Lebensentwürfen spiegelte auch die gesellschaftlichen Umbrüche der 1970er Jahre wider.

Die Episode „Schüsse in der Schonzeit“ zeigt exemplarisch, wie der Tatort schon in seinen Anfangsjahren mehr war als nur ein Krimi – nämlich auch eine Sozialstudie mit regionalem Fokus und ein Zeitdokument bayerischer Lebensart der 1970er Jahre.

Besetzung

Hauptkommissar Veigl – Gustl Bayrhammer
„Dscho“ – Martin Semmelrogge
Das Mädchen – Viola Böhmelt
Der Wirt vom Jägerstüberl – Jörg Hube
Frau Mader – Veronika Fitz
Hannes Mader – Siegfried Rauch
Kriminalmeister Brettschneider – Willi Harlander
Rotter vom LKA – Eberhard Peiker
Kriminalhauptmeister Lenz – Helmut Fischer
Frau Hansen – Ingrid Capelle
Biwi – Werner Asam

Stab

Regie – Helmuth Ashley
Drehbuch – Willy Purucker
Kamera – Klaus Werner
Szenenbild – Wolfgang Hundhammer
Schnitt – Chrisrina Heinle
Musik – Frank Duval