Kurz und knapp – darum geht’s

Nach einer Party in seinem Atelier wird der erfolgreiche Kunstmaler Kurt Homberg tot aufgefunden. Die Spuren deuten auf einen Kampf hin, der tödlich endete. Oberkommissarin Buchmüller beginnt mit den Ermittlungen und stößt schnell auf ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen dem Opfer, seiner Ehefrau Regine und seinem Freund, dem talentierten, aber erfolglosen Maler Manfred Enders. Als die Ermittlerin ein entscheidendes Beweisstück findet und Regine damit konfrontiert, beginnt eine gefährliche Dynamik zwischen den Hauptverdächtigen, die unerwartete und folgenschwere Reaktionen nach sich zieht…

Inhalt der Tatort-Folge „Mitternacht, oder kurz danach“

Quälende Stille liegt über dem nächtlichen Mainz, als der Kunstmaler Manfred Enders die Frau seines Freundes besucht. Eine fatale Begegnung, die nicht unbemerkt bleibt. Im Nebenraum präsentiert der erfolgreiche Kurt Homberg währenddessen einem Galeristen und einer Fernseh-Redakteurin seine neuesten Werke – bis er kurz in die Wohnung zurückkehrt und eine Szene entdeckt, die die Stimmung kippen lässt.

Die anfänglich festliche Atmosphäre verdunkelt sich wie ein Gemälde, das mit schwarzer Farbe überzogen wird. „Ich will mit meiner Frau allein sein“, behauptet Homberg und schickt seine Gäste abrupt nach Hause. Was folgt, ist ein hitziger Streit zwischen den Eheleuten. Nach zehn Jahren Selbstaufgabe will Regine aus dem Gefängnis ihrer Ehe ausbrechen. Die Luft im Raum scheint zu flimmern wie die Hitze über sommerlichem Asphalt.

Oberkommissarin Buchmüller, eine Frau, die sich in der männerdominierten Polizeiwelt behaupten muss, steht am nächsten Morgen vor einem Rätsel. Der Tote liegt hinter dem Frühstückstisch, die Zeichen eines Kampfes sind unübersehbar. Ihr analytischer Blick erfasst jedes Detail. Die Ermittlungen gleichen einem Labyrinth mit vielen Sackgassen – die wichtigsten Zeugen verstricken sich in Widersprüche und Lügen.

„Ich kann mich an nichts erinnern“, behauptet Enders mit glasigem Blick, während er die Kommissarin mit seinen künstlerisch sensiblen Händen beeindruckt. Hat er wirklich einen Filmriss von jener Nacht, oder verbirgt sich hinter seiner scheinbaren Ahnungslosigkeit mehr?

Regine Homberg wiederum weicht den bohrenden Fragen der Kommissarin aus wie einem unangenehmen Gespräch. Ihre Augen verraten jedoch mehr als ihre Worte. Als Buchmüller ihr Filmmaterial eines früheren Interviews mit ihrem Mann vorführt, bricht sie in Tränen aus und erwähnt Details zur Leiche, die sie gar nicht kennen dürfte.

Die Ermittlungen enthüllen Schicht um Schicht die wahre Natur des Opfers – ein Mann, der von Neid und Missgunst zerfressen wurde, der seinen Freund finanziell unterstützte und gleichzeitig dessen Talent hasste. Die künstlerische Bohème der späten Siebzigerjahre erscheint wie ein trügerisch schönes Gemälde, hinter dem sich Täuschung und Selbstbetrug verbergen.

Als Buchmüller schließlich Regine im Kommissariat befragt, geschieht das Unerwartete: Enders betritt den Raum und macht ein Geständnis, das alles in Frage stellt. Doch ist sein Wort zu glauben? Oder versucht er nur, die Frau zu schützen, die er liebt?

Hinter den Kulissen

„Mitternacht, oder kurz danach“ wurde als 103. Tatort-Folge am 26. August 1979 in der ARD ausgestrahlt und vom Südwestfunk (SWF) unter der Regie von Michael Lähn produziert. Der Film markiert einen historischen Meilenstein in der Geschichte der beliebten Krimireihe: Mit Nicole Heesters als Oberkommissarin Marianne Buchmüller wagte die ARD erstmals den Schritt, eine Frau als leitende Ermittlerin zu etablieren – ein Novum im deutschen Fernsehen der 1970er Jahre.

In den Hauptrollen brillieren neben Heesters der später berühmte Otto Sander als Manfred Enders und Vérénice Rudolph als Regine Homberg. Auch die renommierte Schauspielerin Hannelore Hooger, bekannt aus frühen deutschen Autorenfilmen, gehört zur Besetzung.

Musikalisch untermalt wird der Film von zeitgenössischen Klängen: Mike Oldfields „Incantations Part Three“, Jean Michel Jarres „Équinoxe Part II“ sowie Jon Lords „Bourée“ vom Album Sarabande schaffen eine atmosphärische Klangkulisse, die den langsamen, fast experimentellen Charakter des Films unterstreicht. Die verwendeten Gemälde und Zeichnungen wurden von den Künstlern Peter Nagel und Bert Gerresheim zur Verfügung gestellt.

Mit einer Einschaltquote von 48 Prozent konnte diese zweite Buchmüller-Folge nicht mehr an den sensationellen Erfolg ihres Debüts anknüpfen, das mit 66 Prozent Marktanteil zu den meistgesehenen Tatort-Episoden zählte. Trotzdem ist „Mitternacht, oder kurz danach“ ein faszinierendes Zeitdokument, das den Zeitgeist der späten 1970er Jahre einfängt und mit seiner langsamen, auf Psychologie setzenden Erzählweise stark an den deutschen Autorenfilm jener Epoche erinnert.

Nach nur drei Fällen endete die Ära Buchmüller bereits wieder. Der dritte und letzte Fall „Der gelbe Unterrock“ verschwand sogar im sogenannten „Giftschrank“ der ARD und wurde nach der Erstausstrahlung aufgrund fraglicher Eigentumsrechte nicht mehr gezeigt. Erst Jahrzehnte später wagte der SWR eine Wiederholung.

Besetzung

Oberkommissarin Buchmüller – Nicole Heesters
Lamm – Dieter Ohlendiek
Mewes – Henry van Lyk
Kurt Homberg – Mathias Ponniér
Regine Homberg – Verenice Rudolph
Manfred Enders – Otto Sander
Pless – Hannelore Hoger
Meidl – Alf Marholm

Stab

Buch – Irene Rodrian
Regie – Michael Lähn
Kamera – Johannes Hollmann
Ausstattung – Jost Bednar
Kostüme – Regine Troester
Schnitt – Renate v. Ehrenstein
Produktionsleitung – Werner Rollauer
Produktion – Peter Schulze-Rohr