Kurz und knapp – darum geht’s

Vier alte Seemänner verbringen ihren Lebensabend auf einer Bank am Deich eines kleinen Dorfs an der Elbmündung – nichts entgeht ihren wachsamen Augen. Als eines Morgens ein Hamburger Wochenendsegler tot auf seinem Boot im Hafen gefunden wird, nimmt Hauptkommissar Nikolaus Schnoor die Ermittlungen auf. Schnell stellt sich heraus, dass der Fall mit Drogenhandel zu tun hat, doch die vier schweigsamen Seebären verraten nichts. Als Schnoor – selbst des Plattdeutschen mächtig – tiefer gräbt und an ihre Seemannsehre appelliert, muss er erkennen, dass die alten Männer, die nach dem Rauschgifttod eines Enkelkinds ihre eigene Vorstellung von Gerechtigkeit verfolgen, möglicherweise mehr wissen, als sie zugeben wollen.

Inhalt der Tatort-Folge „Wat Recht is, mutt Recht blieben“

Nebel liegt über dem kleinen Dorf an der Unterelbe, während der morgendliche Hafen langsam zum Leben erwacht. Kommissar Nikolaus Schnoor steht schweigend am Kai und betrachtet das Segelboot, auf dem die Leiche eines Hamburger Wochenendseglers gefunden wurde. Die Weite der Landschaft und das träge fließende Wasser der Elbe bilden einen stillen Kontrast zur Brutalität des Verbrechens.

Schnoor ist ein Mann von wenigen Worten – jedes einzelne wägt er bedächtig ab, bevor er es ausspricht. Sein plattdeutscher Dialekt verrät sofort seine Herkunft aus der Region. Seine langsame, methodische Art zu ermitteln passt perfekt zur entschleunigten Atmosphäre des Küstendorfs, wo die Zeit still zu stehen scheint. Doch hinter der äußeren Ruhe verbirgt sich ein scharfer Verstand, der unbeirrt nach der Wahrheit sucht.

„’De Dood kummt in sien eegen Tied'“, murmelt einer der vier alten Seemänner, die wie jeden Tag auf ihrer Bank vor der Gastwirtschaft „Zur Schleuse“ sitzen. Peter Burmeester, Rufus Beller, Jakob Mühlensiepen und Johannes Hansen – vier Männer, die ihr Leben lang zur See gefahren sind und nun im Ruhestand über den Yachthafen zu ihren Füßen blicken. Wie versteinerte Wächter sitzen sie da, ihre wettergegerbten Gesichter verraten keine Emotion. Die „Schifferbank“, wie die Dorfbewohner sie nennen, ist ihr Aussichtspunkt, von dem aus ihnen nichts entgeht.

Schnoor spürt instinktiv, dass die Alten mehr wissen, als sie preisgeben. Die Ermittlungen führen zu Hinweisen auf Drogenhandel – eine Boje mit Heroin-Päckchen wird gefunden. Die Verbindung zu einem kürzlich an einer Überdosis verstorbenen jungen Mann, dem Enkel eines der alten Seebären, scheint offensichtlich. Wie ein Schiff, das durch dichtes Nebelfeld navigiert, tastet sich Schnoor vorsichtig an die Wahrheit heran.

Die Landschaft selbst scheint bei den Ermittlungen mitzuspielen – der weite Horizont, der unbarmherzige Wind und das ewige Rauschen der Wellen bilden die Kulisse für ein Drama, das von Leben, Tod und eigenwilligen Vorstellungen von Gerechtigkeit handelt. „Die Wahrheit liegt manchmal tiefer unter der Oberfläche als der Anker eines Frachters“, sinniert Schnoor, während er über den Deich schreitet, hinter sich das endlose Wattenmeer, vor sich ein Rätsel, das so komplex ist wie die Gezeiten der Nordsee.

Als Schnoor schließlich den Knoten der Ereignisse entwirrt und die vier Alten mit ihrem eigenen Ehrenkodex konfrontiert, stellt sich die Frage: Wer bestimmt, was Recht ist? Jene, die das Gesetz vertreten, oder jene, die nach einem älteren, ungeschriebenen Kodex leben? In einem bewegenden Finale muss einer der alten Männer eine schwerwiegende Entscheidung treffen, die das Schicksal aller besiegelt – ein stilles Drama vor der majestätischen Kulisse der Elbmündung, wo der Fluss und das Meer sich vereinen wie Leben und Tod.

Hinter den Kulissen

„Wat Recht is, mutt Recht blieben“ (Folge 136) wurde im September und Oktober 1981 in Cuxhaven, Altenbruch, Neuhaus (Oste) und der weiteren Umgebung gedreht. Der NDR-Tatort stellt den einzigen Fall von Hauptkommissar Nikolaus Schnoor dar, eindringlich verkörpert von Uwe Dallmeier, dessen bedächtige, wortsparsame Art perfekt zur entschleunigten Atmosphäre des Films passt. An seiner Seite ermittelt Assistent Wilke, gespielt von Ralf Richter.

Regisseur Volker Vogeler, für den dies die erste und einzige Tatort-Inszenierung bleiben sollte, setzte bei seinem Film besonders auf atmosphärische Bilder. Mit Kameramann Günther Wulff entschied er sich für das Super-16-Material, das auf ein Format von etwa 1:1,67 editiert wurde – ungewöhnlich für die damalige Fernsehpraxis und fast Kinoformat, um die Weite der Küstenlandschaft optimal einzufangen. Das Drehbuch von Elke Loewe basiert auf einer Erzählung von Boy Lornsen, wurde jedoch für den Film erheblich abgewandelt.

Eine Besonderheit stellt die Sprache dar: Große Teile des Films wurden in Plattdeutsch gedreht und mit hochdeutschen Untertiteln versehen, die bewusst verzögert eingeblendet wurden – ein weiteres Stilmittel, um die Entschleunigung zu verstärken. Die vier Seemänner wurden von Laienschauspielern und tatsächlichen Börtebootführern von der Insel Helgoland dargestellt, was dem Film eine besondere Authentizität verleiht.

Bei seiner Erstausstrahlung am 2. Mai 1982 im Ersten Programm der ARD erreichte der Film beachtliche 14,39 Millionen Zuschauer und damit einen Marktanteil von 41%. Trotz dieses Erfolgs blieb es beim einmaligen Auftritt von Kommissar Schnoor – ähnlich wie bei anderen NDR-Kommissaren jener Zeit (Nagel, Greve, Beck und Ronke).

Nach der Ausstrahlung wurde der Film kontrovers diskutiert: Filmkritiker lobten die atmosphärische Dichte und die außergewöhnliche Bildsprache, während andere Zuschauer die extreme Langsamkeit und den Mangel an klassischer Krimihandlung bemängelten. Heute gilt „Wat Recht is, mutt Recht blieben“ als einer der stilistisch eigenwilligsten Beiträge zur Tatort-Reihe – ein Film, der die Grenzen des Formats auslotet und die regionale Identität in den Mittelpunkt stellt.

Besetzung

Nikolaus Schnoor – Uwe Dallmeier
Peter Burmester – Harry Oelrichs
Rufus Beller – Helmut Block
Jakob Mühlensiepen – William Denker
Johannes Hansen – Friedrich Wickers
Gustav Simoneit – Werner Eichhorn
Elli Simoneit – Käte Jaenicke
Kasmin – Eren Gündogdu
Lutz Märker – Wolfgang Forester
Wolf Lehmann – Manfred Günther
Fritz Lehmann – Uwe Ochsenknecht

Stab

Regie – Volker Vogeler
Drehbuch – Elke Loewe, nach einer Geschichte von Boy Lornsen
Kamera – Günther Wulff
Szenenbild – Ulrich Schröder
Kostüme – Herbert Lindenberg
Ton – Jürgen P. P. Meissner
Schnitt – Birgit Levin
Produktionsleitung – Jürgen Böttcher
Redaktion – Dieter Meichsner