Kurz und knapp – darum geht’s
Zwei Brüder aus Wien wollen sich in West-Berlin mit einem Restaurant eine neue Existenz aufbauen, doch das nötige Geld fehlt. Der jüngere Bruder Niki verdient als LKW-Fahrer gut an illegalen Medikamentenschmuggel, gerät jedoch nach einer tödlichen Fahrerflucht und einem Erpressungsversuch seiner Chefin und Geliebten gegenüber selbst ins Visier eines Mordanschlags. Als sein Bruder Hans nach Berlin kommt und vom vermeintlichen Tod Nikis erfährt, versucht er die Wahrheit herauszufinden und stößt dabei auf ein Netz aus Lügen, Eifersucht und Verrat. Als Kommissar Walther endlich begreift, wer hinter all dem steckt, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, um einen zweiten Mord zu verhindern …
Inhalt der Tatort-Folge „Sterben und sterben lassen“
Einsam sitzt Kommissar Walther in seiner Wohnung und spielt Cello, als ihn der Anruf zu einem verbrannten Auto mit einer Leiche erreicht. Das graue Berlin der frühen 80er Jahre bildet die Kulisse für ein Drama um große Träume und geplatzte Hoffnungen. Walther, ein Mann mit einem Händchen für schöne Frauen, nimmt die Ermittlungen auf – jedoch zunächst nur wegen einer Bitte der französischen Polizei, die einen Fahrer mit Berliner Kennzeichen sucht, der einen tödlichen Unfall verursacht und Fahrerflucht begangen hat.
Der Kommissar ahnt nicht, wie tief er in eine Geschichte von Sehnsucht und Verzweiflung eintauchen wird. Der Fernfahrer Niki Pototschnik träumt mit seinem Bruder Hans vom eigenen Restaurant, einer Flucht aus dem Hamsterrad des Lebens. „Wir schaffen das, Hans. Ich hab die richtige Adresse und du bist der richtige Mann für die Küche“, schwärmt Niki. Doch für Träume braucht man Geld, und dieses verdient Niki mit dem Schmuggel von Medikamenten, die in Spanien billiger verkauft werden als in Deutschland.
Als Walther die Spedition von Inge Zimmermann besucht, stolpert er über erste Ungereimtheiten. Besonders merkwürdig erscheint ihm der stille Lagerist Maximilian Schrader, ein Mann mit traurigen Augen, der einsam zu melancholischen Tangoklängen in seinem Lager tanzt. Die Szenerie gleicht einem düsteren Ballsaal, in dem das Leben längst den Takt verloren hat.
Die Ermittlungen treten auf der Stelle, bis plötzlich ein Autobombenanschlag einen Mann in den Tod reißt – vermeintlich Niki Pototschnik, dessen Ausweis bei der Leiche gefunden wird. Walther muss die Nachricht dem gerade in Berlin eingetroffenen Bruder Hans überbringen. Der ruhige Koch aus Wien verwandelt sich in einen Getriebenen, der auf eigene Faust nach Antworten sucht. „Mein Bruder hatte keine Feinde, aber vielleicht hatte er Geheimnisse“, sagt Hans mit bitterer Entschlossenheit.
Währenddessen bewegt sich ein Toter durch die Stadt. Denn Niki hat überlebt – sein Freund Robert ist an seiner Stelle gestorben. Wie ein Phantom gleitet Niki durch die dunklen Straßen Berlins, ein Mann ohne Identität, beseelt von Rache und der verzweifelten Hoffnung, doch noch seinen Traum verwirklichen zu können. Seine Suche nach Gerechtigkeit gleicht dem Tanz auf einem Vulkan, der jederzeit ausbrechen könnte.
Die Ermittlungen führen Walther tiefer in die Vergangenheit von Inge Zimmermann und ihrem rätselhaften Angestellten Schrader. Langsam enthüllt sich vor seinen Augen eine Geschichte von zerbrochenen Träumen und einer Tanzpartnerschaft, die vor Jahren im Triumph endete und nun wie eine vergiftete Erinnerung in der Gegenwart wütet. Die Jagd nach der Wahrheit entwickelt sich zu einem perfiden Katz-und-Maus-Spiel, bei dem die Grenzen zwischen Tätern und Opfern immer mehr verschwimmen.
Hinter den Kulissen
„Sterben und sterben lassen“ ist der 137. Tatort und die dritte Folge mit Kommissar Walther, gespielt von Volker Brandt, der damals bereits als deutsche Synchronstimme von Michael Douglas bekannt war. An seiner Seite ermittelt Ulrich Faulhaber als Assistent Hassert. Die Produktion des Sender Freies Berlin (SFB) wurde im September und Oktober 1981 in West-Berlin, Wien und Frankreich gedreht und am 31. Mai 1982 in der ARD erstausgestrahlt.
In den Hauptrollen glänzen bekannte Gesichter der deutschen Filmszene: Harry Baer, der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder Bekanntheit erlangte, verkörpert den jungen Wiener Niki Pototschnik. Sein Bruder Hans wird vom tatsächlichen Wiener Hanno Pöschl gespielt, der neben seiner Schauspielkarriere auch als Koch tätig war – eine passende Besetzung für die Rolle eines Mannes, der ein Restaurant eröffnen möchte. Margit Saad als Inge Zimmermann und Vadim Glowna als Maximilian Schrader komplettieren das Ensemble. Für Saad sollte es die letzte Rolle vor ihrem endgültigen Wechsel ins Regiefach sein.
Unter der Regie von Peter Keglevic und mit der Kameraführung von Gérard Vandenberg entstand ein Film, der mit seinem künstlerischen Anspruch und theatralischen Elementen aus dem typischen Tatort-Schema ausbrach. Das Szenenbild schufen Götz Heymann und Claus-Jürgen Pfeiffer.
Mit 10,28 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 29% erreichte der Film bei seiner Erstausstrahlung ein beachtliches Publikum. Die Kritiker der Fernsehzeitschrift TV Spielfilm beurteilten die Folge allerdings nur mittelmäßig als „Spröde Mörderhatz im Schneckentempo“. Bei Tatort-Fans schnitt die Episode noch schlechter ab – sie bewerten sie als eine der schlechtesten Folgen aller Zeiten und bemängeln vorwiegend Drehbuch und künstlerische Mängel.
Interessantes Detail am Rande: Der Titel „Sterben und sterben lassen“ ist eine Anspielung auf den James-Bond-Film „Leben und sterben lassen“ aus dem Jahr 1973. Elf Tage nach der Erstausstrahlung des Films verstarb Rainer Werner Fassbinder, mit dem Hauptdarsteller Harry Baer eng zusammengearbeitet hatte – eine zufällige, aber bemerkenswerte zeitliche Koinzidenz.
Musik
– Randy Newman (“Half A Man”, “William Brown”)
– Gran Orquestra Tipica (“Inspiración”)
– Gran Orquestra Buenos Aires (“Nostalgia”)
– Yves Montand (“Les Feuilles Mortes”)
Besetzung
Kommissar Walther – Volker Brandt
Assistent Hassert – Ulrich Faulhaber
Inge Zimmermann – Margit Saad
Niki Pototschnik – Harry Baer
Hans Pototschnik – Hanno Pöschl
Schrader – Vadim Glowna
Mara – Petra Jokisch
Robert – Andreas Altmann
Fotoreporterin – Karen Werner
Frau Zumholz – Ursula Gerstel
Elke – Anina Michalski
Stab
Drehbuch – Jens Peter Behrend und Bernhard Frey
Regie – Peter Keglevic
Kamera – Gerard Vandenberg
Ton – Ralf Handke
Musik – Peer Raben
Schnitt – Friedericke Badekow
Szenenbild – Götz Heymann
Kostüme – Katharina Schumacher
Produktionsleitung – Horst Borasch
Der Tatort Nummer 137 aus der Stadt Berlin mit den Hauptkommissaren Walther und Hassert. Die Bundeshauptstadt war damals noch Bonn und bis zur Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten wird es noch ein Weilchen dauern. Hauptkommissar Walther ermittelt aufgrund eines Amtshilfeersuchens der französischen Polizei und kommt einer dubiosen und mordenden Schmugglerbande auf die Spur, welche illegal Medikamente exportiert um sie dann gewinnbringend wieder in die Gebiete der BRD einführt. Ein lukratives Geschäft für diese kriminell handelnden Mitbürger. Ein spannender und sehenswerter Tatort-Krimi aus den anfangenden 1980iger Jahren, sehenswert und informativ. Der Hauptdarsteller, welcher Kommissar Walther verkörpert, war noch vor wenigen Wochen anlässlich des Todes von Wolfgang Rademacher in der Gedächtnis-Talk-Show von Markus Lanz zu sehen und erfreut sich bester Gesundheit, nunmehr auch schon in einem hohen Alter. Herrlich und alles Gute.
Dieser Tatort befindet sich auf einer Bekannten Rangliste ganz ganz weit unten und dort gehört dieses Schmuckstück nicht hin. Es ist ein epischer Tatort. Tolle Musik, tolle Bilder und eine Atmosphäre wurde eingefangen. Wow top Tatort Folge. Sorry aber da unten hat der Berliner Walther Tatort nichts zu suchen
Gewöhnungsbedürftige Dramatik. Soll wohl surreal sein? ?
Die ganze Zeit habe ich mich gefragt, wann es denn endlich los gehe. ?
Handlung findet kaum statt, aber dafür Tango-Tanzeinlagen.
Die Hintergrundmusik wurde für fünf Mann Blockflöte geschrieben.
Kann mich dem zweiten Kommentator nur anschließen: ein bemerkenswerter TATORT, der allerdings die Ermittler in die zweite Reihe verbannt. Das muss man mögen. Mich hat die Inszenierung an die Brynych-Folgen für DER KOMMISSAR oder DERRICK erinnert. Weniger in stilistischer Hinsicht, sondern in Bezug auf die Grundhaltung gegenüber bestimmten, festbetonierten „Regeln“ eines TV-Krimis. Hier wurden nicht in erster Linie Alibis abgefragt, Personen überprüft, Wohnungen durchsucht und Verbrechen verwaltet. Die Dynamik der Geschichte entstand durch die Nebenfiguren, die zu Hauptfiguren wurden. Es stimmt schon, dass es nicht der Kommissar mit seinem Polizeiapparat ist, der die Story vorantreibt. Aber genau das macht diesen stimmungsvollen Krimi ja so reizvoll. Auch die Mischung aus zeittypischem Kolorit und Vergangenem (Tango-Tanz, die traurige Musik im noch leerstehenden Restaurant) funktionierte gut. Ach ja, Fassbinder-Freunde treffen hier auf Harry Baer („RWF“-Begleiter bis zum Schluss), Hanno Pöschl (Doppelrolle in Fassbinders letztem Film QUERELLE) und Petra Jokisch (spielte neben Fassbinder in KAMIKAZE 1989 mit und hatte eine kurze Gesangskarriere als „Debbie Neon“). Unfreiwillige Komik gab’s bei Vadim Glownas Tanzdouble (unglaublich) und Harry Baers Sterbeszene, die ganz leicht ins Trashige abzugleiten drohte (was aber eigentlich auch unterhaltsam war). Fazit: viel besser als sein Ruf, aber eben auch anders als der TATORT-Durchschnitt. Daher kann der Film beim (bekanntlich eher konservativen) Publikum dieser Reihe leicht durchfallen, aber man sollte ihm wirklich eine Chance geben. Nicht selten sind es gerade die „Abweichler“ vom Standard, die im Gedächtnis bleiben.