Kurz und knapp – darum geht’s
Ein zunächst harmlos erscheinender Einbruch bei einem Briefmarkenhändler entpuppt sich als komplizierter Fall von Versicherungsbetrug und Erpressung. Klaus Storck, der arbeitslose Schwager des Briefmarkenhändlers Klaven, hat den nächtlichen Einbruch beobachtet und den Einbrecher versehentlich getötet – ein Wissen, das er nutzt, um seinen Schwager zu erpressen. Denn Klaven hat den Einbruch selbst in Auftrag gegeben und meldet der Versicherung den angeblichen Raub wertvoller Briefmarken. Als die Kommissare um Haferkamp den Verstrickungen auf die Spur kommen, gerät nicht nur der Erpresser Storck ins Visier, sondern auch Klaven selbst, der zu verzweifelten Mitteln greift, um sein doppeltes Spiel zu vertuschen…
Inhalt der Tatort-Folge „Schweigegeld“
Erschöpft sitzt Kommissar Haferkamp an einem grauen Wintermorgen am Krankenbett seiner Ex-Frau, die nach einem schweren Autounfall im Koma liegt. Das monotone Piepen der Überwachungsgeräte und das gedämpfte Licht der Klinik bilden einen merkwürdigen Kontrast zu dem Fall, der ihn eigentlich beschäftigen sollte. Nur widerwillig lässt er sich vom Dienst wegklingeln – ein Einbruch bei einem gewissen Briefmarkenhändler Klaven erfordert seine Aufmerksamkeit.
Der Tatort präsentiert sich nüchtern und aufgeräumt. Fast zu ordentlich für einen Einbruch, denkt Haferkamp. Die künstliche Helligkeit der Neonröhren in Klavens Geschäft wirft kalte Schatten auf die aufgebrochene Tresortür. „Zwei Millionen Mark“, behauptet Klaven mit fester Stimme, sei der Wert der gestohlenen Briefmarkensammlung. „Ich hatte sie erst gestern aus dem Banksafe geholt“, fügt er mit sorgenvoller Miene hinzu. Haferkamp nickt nur, während sein scharfer Blick den Raum nach Unstimmigkeiten absucht.
Der gewiefte Essener Kommissar spürt, dass etwas nicht stimmt. Die Beweislage ist so dünn wie die Briefmarken selbst. Haferkamp, dessen Gedanken ständig zu seiner verletzten Ex-Frau abschweifen, muss sich zwingen, konzentriert zu bleiben. Seine innere Zerrissenheit zwischen beruflicher Pflicht und persönlicher Sorge macht ihn unruhig, fast fahrig. Die Kollegen bemerken seine Ungeduld, als er Zeugenaussagen abkürzt und schneller als sonst Schlüsse zieht.
Wie ein Schachspiel, das in falscher Aufstellung begonnen wurde, entwickelt sich der Fall in unerwartete Richtungen. Die Vernehmung von Gertrud Thiemann, der Ehefrau des verstorbenen Einbrechers, hinterlässt mehr Fragen als Antworten. „Mein Mann war kein Krimineller“, beharrt sie mit flackerndem Blick. „Er wollte nur einen kleinen Auftrag erledigen.“ Welchen Auftrag? Von wem? Haferkamp bohrt nach, doch die Frau verstummt, während ihr Bruder Stefan im Hintergrund nervös mit den Fingern auf die Tischplatte klopft.
Parallel verfolgt Haferkamp eine andere Spur: Klaus Storck, der arbeitslose Architekt und Schwager des Bestohlenen, verhält sich auffällig. In seinem mit technischen Zeichnungen und Modellen vollgestellten Atelier wirkt er wie ein gefangenes Tier, das einen Ausweg sucht. Die finanzielle Not steht ihm ins Gesicht geschrieben, während er zwischen seinen unbezahlten Rechnungen sitzt, die sich wie kleine Papiertürme auf seinem Schreibtisch stapeln.
Die Ermittlungen gleichen zunehmend einem Irrgarten mit falschen Wegweisern. Jede neue Erkenntnis führt Haferkamp tiefer in ein Netz aus Lügen, Habgier und Verzweiflung. Bei einem nächtlichen Verhör platzt es plötzlich aus Storck heraus: „Ich habe ihn gesehen! Den Einbrecher! Ich habe gesehen, wie er nach dem Tresor anrief!“ Diese nebensächlich erscheinende Information lässt Haferkamp aufhorchen. Ein Anruf nach dem Einbruch?
Die Schlinge zieht sich zu, als Haferkamp eine versteckte Verbindung zwischen Klaven und dem toten Einbrecher aufdeckt. Doch in dem Moment, als er die entscheidenden Beweise zusammenfügt, erreicht ihn die Nachricht vom kritischen Zustand seiner Ex-Frau. Zerrissen zwischen Pflicht und persönlichem Drama muss Haferkamp eine Entscheidung treffen – und übersieht dabei fast, dass Storck die Gunst der Stunde nutzt, um zu fliehen…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Schweigegeld“ wurde in den Wintermonaten Januar und Februar 1979 gedreht. Die winterliche Kulisse des Ruhrgebiets mit ihren grauen Fassaden und nebelverhangenen Straßen verleiht dem Film eine besondere Atmosphäre, die den kriminalistischen Spannungsbogen und die innere Zerrissenheit des Hauptkommissars unterstreicht.
In seiner 18. Rolle als Essener Kommissar Haferkamp brilliert Hansjörg Felmy erneut mit seiner nuancierten Darstellung eines Ermittlers, der zwischen Professionalität und persönlicher Betroffenheit balanciert. An seiner Seite glänzt Wolfgang Kieling in der Rolle des Briefmarkenhändlers Klaven – einer seiner typischen, eindrucksvollen Bösewicht-Darstellungen. Kieling, der später auch durch seine markante Stimme in zahlreichen EUROPA-Hörspielen bekannt wurde und in Hitchcocks „Der zerrissene Vorhang“ (1966) mitwirkte, verstarb bereits 1985. Zum hochkarätigen Cast gehören zudem Hannelore Hoger und Dieter Kirchlechner in wichtigen Nebenrollen.
Die Ausstrahlung am Sonntag, den 18. November 1979, wurde ein außergewöhnlicher Quotenerfolg: Mit 69 Prozent Marktanteil erreichte die Folge eine beeindruckende Zuschauerresonanz. „Schweigegeld“ markierte gleichzeitig den Abschied von den Siebzigerjahren für Kommissar Haferkamp – es war sein letzter Fall in diesem Jahrzehnt und sein drittletzter Einsatz insgesamt.
Interessanterweise folgte auf „Schweigegeld“ der Tatort „Der Zeuge“, in dem Felmy nicht mitwirkte, da er das Drehbuch ablehnte. Stattdessen übernahm Jörg Hube einmalig die Rolle des Kommissars Enders – sein einziger Einsatz als Tatort-Ermittler.
Spannend konstruiert, versetzt dieser TO den Zuschauer gleich am Anfang in freudige Erwartung, die jedoch nicht vollständig befriedigt wird. Dazu ist der Ausgang ein bißchen zu vernünftig geraten.
Aber immer noch sehr gut, insbesondere wenn man den Vergleich zu neueren Produktionen zieht.
Der Tatort Nummer 106 aus Essen. Hauptkommissar Haferkamp ermittelt zusammen mit Hauptmeister Kreutzer in einem perfiden Katz und Maus Tatort-Drama. Für mich damals der Tatort-Kommissar Nummer Eins, gefolgt von Finke aus Kiel. Bei einem Einbruch bei einem Briefmarkenhändler kommt der Täter ums Leben und schon versuchen die Betroffenen , erheblich mehr Verlust geltend machen zu können. Interessanter Tatort-Spielfilm der auslaufenden Haferkamp-Ära. Ein Mann mit Idealen, der wollte keine kommenden Klischee-Rollen unter Niveau. Die damaligen Szenen um den Essener Hauptbahnhof herum, habe ich auch miterlebt, wöchentliche Parkplatzsuche eingeschlossen. Und so ist es heute immer noch. Nicht der allerbeste Haferkamp-Tatort, aber mit einer tollen Besetzung gedreht. Sehenswert.
Für mich der beste Tatortkomissar und einer der besten Tatorts überhaupt. Ich find das einfach Weltklasse an meine Jugend ( geb. 1966 ) mit den ganzen Bildern erinnert zu werden. Haferkamp, Lutz und Finke sind super anzuschauen. Heute kann ich das nicht mehr anschauen da ich keine Idendifikationsfigur mehr finde und es mir zu langweilig ist. Am besten zurück in die Vergangenheit.
MFG
Dirk
Die Arme Ex-Frau von Haferkamp liegt ganz kaputt im Krankenhaus die Arme und Haferkamp wird fast von einem Güterwaggon erwischt. Spannender Fall mit Felmy. 4 Sterne
Ziemlich guter Fall von Haferkamp. Er tappt lange im Dunkeln, und man fragt sich, wie sich dieses Verwirrspiel wohl auflösen wird. Dieter Kirchlechner kannte ich bisher nur als gesetzten älteren Herrn. Interessant, ihn mal in einer jüngeren Rolle zu sehen. Auch Hannelore Hoger und Wolfgang Kieling absolut top. Was mich nur gewundert hat: am Ende lag Schnee, am Anfang aber nicht. Das ist mir schonmal in einem anderen Haferkamp-TO aufgefallen.
Hallo Nelly, Sie schreiben, dass Sie Dieter Kirchlechner bisher nur als gesetzten älteren Herrn kennen. Ich empfehle Ihnen den Film „Der Führerschein“ aus 1977, in dem Dieter Kirchlechner als etwas genervter Fahrlehrer tätig war. Seine Fahrschülerin seinerzeit: Witta Pohl. Schöner Film.
„Schweigegeld“ fand ich total klasse: Handlung, Schauspieler, Musik von ELO (nie im Radio gehört), einfach spitze! Hans-Jörg Felmy war mein Lieblingsermittler, mit „Schimmi“ konnte ich ehrlich gesagt nichts mehr anfangen. LG.