Kurz und knapp – darum geht’s
Ein verbrannter Taxifahrer in einer Berliner Industriebrache sorgt für Aufsehen: Er sollte geheime Unterlagen der MARAM AG, eines Unternehmens im Börsenfieber, transportieren. Die Berliner Kommissare Hellmann und Ritter stoßen bei ihren Ermittlungen auf Bilanzfälschungen und einen Börsenjournalisten, der trotz interner Kenntnis fragwürdige Aktienempfehlungen ausspricht. Als die Ermittler den verschlungenen Finanztransaktionen und familiären Verstrickungen auf den Grund gehen, geraten sie selbst ins Visier eines skrupellosen Sicherheitschefs und einer verzweifelten Unternehmerin …
Inhalt der Tatort-Folge „Von Bullen und Bären“
Schlaflos wälzt sich Kommissar Robert Hellmann in seinem Bett – die Börsenkurse seiner Aktien rauben ihm den Schlaf. Das gedämpfte Licht der Straßenlaternen wirft gespenstische Schatten an die Wand, während er noch einmal die Wirtschaftsseiten der Tageszeitung studiert. Seine Investition in die MARAM AG scheint ein Glücksgriff zu sein, die Kurse steigen unaufhaltsam. Der Morgen beginnt jedoch mit einem Knalleffekt: Ein ausgebranntes Taxi am Rande eines verlassenen Industriegebiets, darin die verkohlte Leiche des Fahrers Tom Briele.
Der kühle Wind pfeift durch die rostigen Überreste der alten Fabrikhallen, als Ritter und Hellmann den Tatort inspizieren. „Sieht nach einem klassischen Raubmord aus“, bemerkt der Kriminaltechniker. Doch Ritter, mit seinem untrüglichen Gespür für Unstimmigkeiten, schüttelt skeptisch den Kopf: „Das war zu gut vorbereitet. Hier steckt mehr dahinter.“ Hellmann hingegen kämpft mit einem Interessenkonflikt – als Aktionär der MARAM AG will er nicht wahrhaben, dass sein privates Investment mit dem Fall zusammenhängen könnte.
Das ungleiche Ermittlerduo bildet ein perfektes Team: Während Ritter, der ewige Einzelgänger mit dem Blick für das Wesentliche, hartnäckig den Spuren folgt, lässt sich Hellmann von persönlichen Gefühlen leiten – besonders als er die charismatische Firmenchefin Michaela Rambeck kennenlernt. „Sie machen Ihre Arbeit gut, Herr Kommissar“, schmeichelt sie ihm beim gemeinsamen Dinner, „so gut, dass ich mich frage, ob Sie nicht in der falschen Branche gelandet sind.“ Hellmann schmilzt dahin wie Butter in der Sonne.
In der Zwischenzeit taucht Ritter in die Welt des Finanzviertels ein. Das Café „Bullen und Bären“ – benannt nach den Symboltieren für steigende und fallende Kurse – ist ein Schmelztiegel aus Gerüchten, Insiderwissen und Angeberei. „Die MARAM-Aktie ist aufgeblasen wie ein Ballon vor dem Platzen“, raunt ihm ein Börsenspekulant über den klebrigen Cafétisch zu. „Die haben sich mit ihren Immobilieninvestitionen total verspekuliert – aber erzählen Sie das bloß keinem.“
Die Ermittlungen führen zu Dr. Alexander Gerlach, einem einflussreichen Börsenjournalisten, der ausgerechnet mit der Schwester von Michaela Rambeck verheiratet ist. Eine explosive Familienkonstellation: Der Vater Manfred Rambeck hat seine Tochter Amelie wegen dieser Heirat enterbt, während er Michaela das Firmenimperium anvertraut hat. Trotz dieser Familienfehde empfiehlt Gerlach in seinen Kolumnen die MARAM-Aktie – ein Verhalten, das Ritter stutzig macht.
Die Fahndung nach dem Mörder des Taxifahrers gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen voller falscher Fährten. Als Ritter Brieles Freundin Jessica besucht, flüchtet ein Einbrecher aus deren Wohnung. „Tom war in den letzten Tagen so aufgeregt“, erinnert sich Jessica mit tränenerstickter Stimme. „Er meinte, wir würden bald steinreich sein.“ Ein Schließfachschlüssel, den Briele kurz vor seinem Tod verschickt hat, führt die Ermittler schließlich zu den verschwundenen Unterlagen – und zu einer Tonaufnahme, die eine Erpressung belegt.
In einem verlassenen Bürogebäude der MARAM AG in bester Innenstadtlage – leer trotz des angeblichen Erfolgs des Unternehmens – treffen die Kommissare auf den undurchsichtigen Sicherheitschef Rolf Michalke. Sein Blick ist kalt wie Eis, als er den Beamten erklärt, er sei nur für den Objektschutz zuständig. Die leeren Flure und staubigen Fensterbänke erzählen jedoch eine andere Geschichte als die glänzenden Geschäftsberichte der Firma.
Als kurz darauf Börsenjournalist Gerlach tot aufgefunden wird – erschlagen in seiner eigenen Wohnung – überschlagen sich die Ereignisse. Manfred Rambeck gesteht die Tat, doch die Kommissare spüren, dass noch mehr hinter der Geschichte steckt. Die gefälschten Bilanzen, die verzweifelten Versuche, den Schein zu wahren, und die familiären Verstrickungen führen zu einem dramatischen Showdown, bei dem die wahren Täter ihre Masken fallen lassen müssen …
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Von Bullen und Bären“ wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) produziert und am 4. Juni 2000 zum ersten Mal ausgestrahlt. Er markiert den vierten Fall des beliebten Ermittler-Duos Till Ritter und Robert Hellmann, gespielt von Dominic Raacke und Stefan Jürgens. Gedreht wurde der Film ausschließlich in Berlin, wobei die Kulisse des brodelnden Finanzviertels der Hauptstadt authentisch eingefangen wurde.
In den Gastrollen brillieren Catherine Flemming als ehrgeizige Firmenchefin Michaela Rambeck und Laura Tonke als ihre im Schatten stehende Schwester Amelie. Jürgen Tonkel überzeugt in der Rolle des zwielichtigen Börsenjournalisten Dr. Alexander Gerlach. Regie führte Thomas Freuder nach einem Drehbuch von Pim Richter.
Mit 6,81 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 23,06% erreichte die Folge beachtliche Einschaltquoten. Der Film entstand zur Hochzeit des Börsenbooms der späten 1990er Jahre, als die sogenannte Dotcom-Blase gerade ihren Höhepunkt erreichte und kurz vor dem Platzen stand – ein zeitgeschichtlicher Kontext, der dem Krimi zusätzliche Brisanz verlieh.
Nach der Ausstrahlung kursierten unter Börsenexperten Diskussionen über die realistische Darstellung von Bilanzfälschungen und Kursmanipulationen. Die Folge gilt bis heute als einer der authentischsten Wirtschaftskrimis der Tatort-Reihe, der die Gier nach dem schnellen Geld und die damit verbundenen moralischen Abgründe eindrucksvoll beleuchtet.
Der Tatort Nummer 445 aus Berlin mit den bekannten und beliebten Hauptkommissaren Ritter und Hellmann. Sie ermitteln aufgrund eines Mordes an einen jungen Taxi-Fahrer, welcher sich kurzzeitig und kurzlebig als Zufalls-Erpresser eines alt eingesessenen und sich in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Familienbetriebes betätigen wollte. Aber bei diesem einen Mord bleibt es nicht, da die Erpresserunterlagen wiederum in die falschen Hände gelangt sind. Ein Tatort-Thriller um Finanz-Betrug in großem Stil und Ritter und Hellmann müssen innerhalb von traditionellen und umtriebigen Familienstrukturen ermitteln. Interessant und spannend zu schauen, dieser Tatort-Krimi, mit einem glaubwürdigen Ermittler-Team der Berliner Mordkommission und anschaulichen Bildern aus der Hauptstadt in den anfänglichen 2000 Jahren. Sehenswert.