Wiesbaden und sein Umland bilden den Schauplatz für einen der intellektuellsten und surrealsten Tatorte, der von einem einzigen, außergewöhnlichen Ermittlerteam geprägt wurde.
Die Ermittler-Generationen
Felix Murot und Magda Wächter
Seit 2010 ermittelt das Duo Felix Murot und Magda Wächter vom LKA Wiesbaden. Der hochintelligente, melancholische und philosophierende Einzelgänger Murot und seine pragmatische, bodenständige Assistentin Wächter bilden eine einzigartige Symbiose. Ihre Fälle sind weniger klassische Krimis als vielmehr existentialistische Reisen in die Abgründe der menschlichen Seele und die Absurditäten der Realität. Dies zeigt sich bereits in ihrem ersten Fall „Wie einst Lilly“, in dem Murot, geplagt von einem Gehirntumor namens „Lilly“, einen RAF-alt-Fall wiederaufnimmt und sich mit der eigenen Sterblichkeit auseinandersetzt. Die unkonventionelle Herangehensweise setzt sich fort in surrealen Erlebnissen wie „Das Dorf“, wo Murot undercover in einer abgeschotteten Gemeinschaft ermittelt, oder in „Murot und das Murmeltier“, das ihn in eine erbarmungslose Zeitschleife zwingt. Stets ist Wächter das erdende Element, das Murots geniale, aber abseitige Assoziationen mit faktenbasierter Arbeit untermauert und ihn oft genug vor sich selbst rettet, wie in „Murot und das Paradies“, als sie ihn aus einem Rausch künstlicher Glücksträume befreit.
Der Ort als Ermittler
Wiesbaden und das Rhein-Main-Gebiet sind mehr als nur Kulisse; sie sind ein aktiver Mitspieler, der die Fälle maßgeblich prägt. Der Schauplatz spiegelt Murots innere Zerrissenheit wider: Die Szenerie ist oft düster, nächtlich und von einer gespenstischen Kälte geprägt. Es ist der Schauplatz der Macht – anonyme Bankentürme und Konzernzentralen, in denen Verbrechen im Anzug verübt werden, wie in „Murot und das Gesetz des Karma“. Gleichzeitig ist es ein Ort der Surrealität, der perfekt zu Murots Wahrnehmung einer aus den Fugen geratenen Welt passt. Die Gegensätze zwischen der scheinbar heilen Welt der Taunusdörfer und ihren unheimlichen Geheimnissen oder der glitzernden Finanzmetropole Frankfurt und ihren schmuddeligen Unterwelten bieten die ideale Bühne für einen Ermittler, der sich in den Rissen der Realität am wohlsten fühlt.
Die Entwicklung des Tatort Wiesbaden
Der Tatort Wiesbaden hat sich unter der Ägide von Murot und Wächter konsequent zu einem Experimentierfeld für filmisch ambitionierte und genreübergreifende Geschichten entwickelt. Während die frühen Folgen wie „Wie einst Lilly“ noch stärker in der psychologischen Realität verankert waren, wagen sich die Filme zunehmend in surreale, metaphysische und hochstilistische Gefilde. Von der Shakespeare-Anleihe in „Im Schmerz geboren“ über den reinen Belagerungs-Thriller „Angriff auf Wache 08“ bis hin zur geschichtsphilosophischen Auseinandersetzung in „Murot und das 1000-jährige Reich“ bleibt die Konstante die tiefgründige Charakterzeichnung des Ermittlerduos und ihre unverwechselbare Art, sich den Abgründen des Lebens zu stellen.