Kurz und knapp – darum geht’s

In Ulm wird Manfred Wenzel, der Chauffeur des einflussreichen Spielwarenfabrikanten Horst Lippens, erschossen aufgefunden – seine Leiche wurde in die Donau geworfen. Kommissar Lutz entdeckt nicht nur Verbindungen des Opfers zum lokalen Drogenmilieu, sondern stößt auch auf die mysteriöse Belinda, die im Hause Lippens lebt und offenbar mehr über den Tod des Chauffeurs weiß, als sie zugibt. Als die Ermittler auf ein dunkles Familiengeheimnis stoßen, spitzt sich die Situation zu einem dramatischen Showdown auf dem Ulmer Münster zu, bei dem mehrere Leben in Gefahr schweben…

Inhalt der Tatort-Folge „Schöne Belinda“

Grelles Diskolicht flackert durch den „Hades“, Ulms angesagtesten Nachtclub, wo die 68er-Ikone Rosy Rosy auf der Bühne performt. Durch den Qualm und das Stimmengewirr bahnt sich Manfred Wenzel, Chauffeur des Spielwarenfabrikanten Lippens, seinen Weg nach draußen – nicht ahnend, dass er seinen letzten Weg antritt. Zurück lässt er Andrea Lippens, die Tochter seines Arbeitgebers, die ihm heimlich folgt und so unfreiwillig Zeugin eines Mordes wird.

Für den mürrischen Kommissar Eugen Lutz ist es ein Fall, der ihm von Anfang an Kopfzerbrechen bereitet. Der wortkarge Ermittler, dessen Leidenschaft eher gutem Essen als zwischenmenschlichen Beziehungen gilt, spürt, dass in der Villa des angesehenen Unternehmers Horst Lippens etwas nicht stimmt. Sein Vorgesetzter warnt ihn: „Lippens ist ein einflussreicher Mann in Ulm, Lutz. Seien Sie vorsichtig bei Ihren Ermittlungen.“ Doch der Kommissar ist wie ein Terrier, der nicht loslässt, und sein junger Assistent Wagner mit der auffälligen Prinz-Eisenherz-Frisur folgt ihm verlässlich.

Die Atmosphäre in der holzgetäfelten Villa der Familie Lippens ist so kühl wie das Verhältnis zwischen dem Fabrikanten und seiner traumatisierten Tochter Andrea. Seit dem mysteriösen Unfalltod seiner Frau und seines Bruders hat sich Lippens emotional zurückgezogen. Die einzige, die in diesem Haus noch Wärme ausstrahlt, ist Belinda – angeblich die ehemalige Verlobte von Lippens‘ totem Bruder. Ihre geheimnisvolle Ausstrahlung und undurchsichtige Motivation lassen Lutz misstrauisch werden.

Die Suche nach Manfreds Mörder führt die Ermittler tiefer in die Ulmer Drogenszene, die durch die nahegelegene US-Garnison floriert. Wie ein Fischer, der seine Netze immer weiter auswirft, knüpft Lutz Verbindungen zwischen Wenzels Aktivitäten in Saarbrücken und Ulm. Die Fahndung nach den Drogendealern Danner und Brunold gleicht der Suche nach Schatten, die im Dunkeln verschwinden, sobald Licht auf sie fällt.

Währenddessen schleicht Belinda nachts durch die Villa, auf der Suche nach etwas in Lippens‘ Tresor – einem Geheimnis, das offenbar mit dem Tod von Lippens‘ Bruder zusammenhängt. „Die Vergangenheit lässt sich nicht im Safe verschließen“, murmelt Lutz, als er den Zusammenhang zwischen dem alten Unfall und dem aktuellen Mord zu ahnen beginnt. Doch bevor er alle Puzzleteile zusammenfügen kann, eskaliert die Situation und gipfelt in einer atemlosen Verfolgungsjagd auf den Turm des Ulmer Münsters, von dessen schwindelerregender Höhe die Stadt unter ihnen wie ein unwirkliches Modell erscheint…

Hinter den Kulissen

Die vom Süddeutschen Rundfunk produzierte Tatort-Folge „Schöne Belinda“ wurde im Frühjahr 1975 in Ulm gedreht und feierte am 31. August 1975 ihre Erstausstrahlung im Ersten Programm der ARD. Die markante Kulisse des Ulmer Münsters mit seinem 163,17 Meter hohen Kirchturm – dem höchsten der Welt – spielt im Finale eine entscheidende Rolle und sorgte für spektakuläre Aufnahmen.

In der Rolle des mürrischen Kommissars Eugen Lutz ist Werner Schumacher zu sehen, für den es bereits der fünfte Fall war. Eine Besonderheit dieser Folge ist der Gastauftritt der 68er-Ikone Rosy Rosy (Rosemarie Heinikel), die in der Anfangsszene als Diskosängerin im Nachtclub „Hades“ zu sehen ist. Zudem hat Dieter Eppler einen Auftritt als Saarbrücker Kommissar Liersdahl.

Mit einer sensationellen Einschaltquote von 70 Prozent gehört „Schöne Belinda“ zu den erfolgreichsten Tatort-Folgen der 1970er Jahre. Der Film fängt mit seinen Aufnahmen der holzgetäfelten Villen, den modischen Outfits und den Szenen im Nachtclub perfekt das Zeitkolorit der Mitte der 70er Jahre ein. Besonders die Kostüme – vom beigefarbenen Dufflecoat des Assistenten Wagner bis zu den Schlaghosen und Helmut-Kohl-Brillen – sind heute ein faszinierendes Zeitdokument.

Nach der Ausstrahlung sorgte der Film für Diskussionen, da erstmals in der Tatort-Geschichte ein religiöses Bauwerk – das Ulmer Münster – für eine dramatische Mordszene genutzt wurde. Filmhistoriker schätzen „Schöne Belinda“ heute als wertvollen Einblick in die damalige Drogenproblematik an US-Militärstandorten und als typisches Beispiel für die Krimi-Ästhetik der 1970er Jahre.

Besetzung

Andrea Lippens – Annette Kluge
Assistent Wagner – Frank Strecker
Belinda – Monika Gabriel
Horst Lippens – Werner Bruhns
Kommissar Lutz – Werner Schumacher
Kommissar Liersdahl – Dieter Eppler
u.a.

Stab

Regie – Theo Mezger
Buch – Urs Aebersold
Kamera – Justus Pankau
Schnitt – Hans Trollst
Musik – Jonas C. Haefeli