Kurz und knapp – darum geht’s
Eine wohlhabende Frau stürzt von der Dachterrasse eines Münchner Luxus-Hochhauses in den Tod – für die Kollegen ein klarer Selbstmord, doch Kommissar Veigl kommen Zweifel. Bei seinen Ermittlungen entdeckt er, dass eine wertvolle Briefmarkensammlung mit den legendären „Schwarzen Einsern“ aus dem Nachlass verschwunden ist und mehrere Personen aus dem Umfeld der Toten von ihrem Ableben profitieren könnten. Als Veigl der Spur der wertvollen Briefmarken bis nach Nizza folgt, ahnt er nicht, dass dort eine tödliche Konfrontation bevorsteht…
Inhalt der Tatort-Folge „Schwarze Einser“
Mürrisch und übernächtigt trifft Hauptkommissar Melchior Veigl am frühen Morgen am Tatort ein, während die ersten Sonnenstrahlen das Luxus-Hochhaus in gleißendes Licht tauchen. Eine Frau liegt zerschmettert auf dem Beton – offenbar hat sie sich von ihrer Dachterrasse in die Tiefe gestürzt. Veigl reibt sich die müden Augen und brummt ungehalten. Wieder einmal hat man die Mordkommission zu einem Fall gerufen, der keiner zu sein scheint. Verzweifelt bemüht er sich um einen Kaffee, der ihm erst nach Stunden gereicht und dann prompt von seinem Kollegen Lenz umgestoßen wird.
Der Münchner Kommissar kämpft nicht nur mit dem Schlafmangel, sondern auch mit der Frage, wie er mit seinem Mitarbeiter Lenz umgehen soll. Ihre Beziehung ist von unterschwelligen Spannungen geprägt, und Veigl lässt seinen Untergebenen oft spüren, dass er nicht allzu viel von ihm hält – eine Dynamik, die ihre Ermittlungsarbeit belastet. Trotz seiner manchmal grantigen Art und seines bayerischen Dialekts unterschätzen Gegenspieler den scharfsinnigen Kommissar oft – ein fataler Fehler.
Die erste Auflösung des Falles gleicht dem Versuch, ein Puzzle mit vertauschten Teilen zusammenzusetzen: Eine reiche Brauerei-Erbin, die von ihrer verarmten Verwandtschaft hohe Zinsen für geliehenes Geld forderte; ein charmanter Cellist mit einem wasserdichten Alibi; eine wohlhabende Krankengymnastin mit Musikvorliebe – und mittendrin die verschwundene Briefmarkensammlung mit den unbezahlbaren „Schwarzen Einsern“. „Da stimmt doch was nicht“, murmelt Veigl, während er die Fotos der Toten betrachtet, die scheinbar ohne Abschiedsbrief aus dem Leben geschieden ist.
Wie eine unsichtbare Kraft ziehen die wertvollen Briefmarken alle Verdächtigen in ihren Bann, und Veigls Ermittlungen führen ihn schließlich an die sonnengetränkte Côte d’Azur. Die Küstenstraßen von Nizza schlängeln sich wie ein gefährliches Labyrinth, in dem sich Täter und Ermittler begegnen werden. Zwischen Palmen und dem Rauschen des Mittelmeers verdichten sich die Hinweise – doch die entscheidende Konfrontation wirft einen dunklen Schatten auf die glamouröse Urlaubskulisse…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Schwarze Einser“ ist eine Produktion des Bayerischen Rundfunks und wurde am 3. Dezember 1978 zum ersten Mal in der ARD ausgestrahlt. Es handelt sich um die 94. Folge der Tatort-Reihe und den 11. Fall mit Hauptkommissar Veigl. In den Hauptrollen glänzen Gustl Bayrhammer als Kriminalhauptkommissar Melchior Veigl, Helmut Fischer als Kriminalhauptmeister Lenz und Willy Harlander als Kriminalobermeister Brettschneider. Als Gaststars sind unter anderem Karlheinz Böhm als Cellist Dr. Ferdinand Prelinger zu sehen – es war sein letzter Fernsehfilm, bevor er sich vollständig seiner Afrikahilfe widmete.
Das Drehbuch stammt vom Grimme-Preisträger Willy Purucker, der für seine komplexe Charakterzeichnung bekannt war. Regie führte Wolf Dietrich, dessen Kameraarbeit mit langen Einstellungen und ungewöhnlichen Blickwinkeln heute als typisch für die Krimis der späten Siebzigerjahre gilt. Die Dreharbeiten fanden in München und an der französischen Côte d’Azur statt, was dem Film eine für damalige Verhältnisse ungewöhnliche internationale Note verleiht.
Besonders interessant: Am 26. November 2010 gewann ein Teilnehmer der Quiz-Show „Wer wird Millionär“ mit Günther Jauch eine Million Euro mit der Frage nach dem Namen der ersten deutschen Briefmarke – die Antwort lautete, wie im Tatort thematisiert, „Schwarzer Einser“. Dieser historische Zusammenhang sorgte nach der Ausstrahlung für besonderes Interesse an dieser Tatort-Folge, die als klassisches Beispiel für die unaufgeregte, aber präzise Erzählweise der frühen Tatort-Jahre gilt.
Der Tatort Nummer 094, aus München, mit Hauptkommissar Veigl als ermittelnder Kripo-Beamter der Mordkommission und seinen Mitarbeitern. Anfangs ein undurchsichtiger Fall: Unfall, Selbstmord, Mord? KHK V. ermittelt in allen Richtungen und kommt so dem Intriganten, welcher sich als einen erfolgreichen, akademisch geprägten, Chorleiter tarnt, auf die Schliche. Der liebt nur sich und das Geld – anderer, legt Frauen reihenweise um, nicht nur bildlich gesehen. Wie immer macht er, wie fast alle Hochstapler, einen Fehler. Er legt seine Komplizin, Mitwisserin, Mörderin, Beleidigte, rein. PP – heißt: Persönliches Pech. KHK Veigl konnte das Attentat auf ihn zwar nicht verhindern, nahm die mehrfache Mörderin aber persönlich am Tatort fest und konnte somit diesen undurchsichtigen Fall klären. Ein Bavaria.
Sehr gemächlich kommt die Sache in Gang mit Tatortbegutachtung, Zeugenbefragungen, Ermittlungen im persönlichen Umfeld, Bürorecherchen, Telefonaten, etwas mühsam aufgelockert durch den Running Gag, dass der übermüdete Kommissar Veigl nirgendwo einen Kaffee serviert bekommt. Und dann zum Ende hin hat die Produktion dann noch ein paar Mark spendiert und einen Trip nach Nizza gebucht, damit es halt ein wenig mondän wird. Prompt verpasst Veigl dort den Showdown, weil er mal für kleine Jungs… Ja gut, was soll man sagen, vor Spannung aufgewühlt hat sie mich nicht, diese Heiratsschwindler-Geschichte. Ich geb 3 3terne, sozusagen als Enthaltung.
Hier kommt der Glamour ebenso schwerfällig in Schwung wie der Ablauf des Geschehens.
An sich eine schlüssige Story, die im Laufe der Sendung erst auf Touren kommt mit einem starken Ende! Drehort war übrigens tatsächlich die Brauerei in Markt Schwaben, nämlich die Privatbrauerei Schweiger!
Guter Veigl Tatort kann man immer wieder sehen. 4 Sterne
Veigl mit Kollegen sind eine Bank gewesen. Einwandfrei, spannend mit örtlich weit gespannter Handlung. immer wieder schön.
Natürlich muss man die Zeit der 70er Jahre anrechnen. Für damals sehr modern gemacht. Chapeau.
Der zweite Veigl im Dreierpack am 10. April ist auch bei neuerlicher Betrachtung unbestritten ein Vierer, der das Wiedersehen unbedingt lohnt!
Lenz spaziert lässig ins Büro wie sein alter ego, der Monaco Franze, während Brettschneider und der Chef schon seit den frühen Morgenstunden mit dem angeblichen Fall von Selbstmord beschäftigt sind: „Nachtübung erfolgreich beendet?“ muß er sich fragen lassen! Flotte Sprüche wie „Hier verkehrt ein Naßrasierer“ erheitern ungemein, ebenso der Running-Gag mit dem Kaffee.
Einige Ungereimtheiten beschäftigen mich schon gleich zu Beginn:
Warum die Steine auf dem Rasen so dekorativ arrangiert sind, will sich mir nicht erschließen, aus der Höhe stirbt es sich auch problemlos auf Rasen!
Und war der brave Veigl 1975 noch Oberinspektor, so ist er 1978 Hauptkommissar – hat es einen Karrieresprung gegeben? Mitnichten, denn seit Major Kottan wissen wir: „Inspektor gibt’s kan“. Dieser Dienstrang von vorgestern hat irgendwie nur in Bayern überlebt, man denke an Stefan Derrick, während Erik Ode bereits ab den Endsechzigern korrekt ‚Der Kommissar‘ war.
Kann das mal bitte jemand erklären?
Ist das Apartmenthaus in Schwabing der sog. Fuchsbau von 1972/73? Da fällt mir doch gleich ‚Die zweite Heimat‘ von Edgar Reitz ein! Oder das Pharao-Haus in Oberföhring aus der derselben Zeit – beides Pyramiden-Häuser im feinsten Brutalismus-Stil!
Nicht vergessen zu erwähnen, daß die Derrick-Folge 197 ‚Penthaus‘ auch dort spielt.
Im Verlauf konkretisiert sich dank Veigls Beharrlichkeit auf den „Naßrasierer“ ein Verdacht:
Karlheinz Böhm ist alles zuzutrauen, daß er nicht nur den lieben netten Onkel und Kaiser Franz Joseph geben kann, dürfte jedem klar sein, der ‚Peeping Tom – Augen der Angst‘ von 1960 gesehen hat; erst die Aussage des Penners (so im Abspann tituliert), eine Frau mit dunklen Haaren wäre aus dem Haus gekommen, brachte den Zuschauer auf die richtige Spur – was leider etwas die Spannung nahm.
Dafür entschädigte das dramatische Finale in Nizza ein wenig und ließ die große weite Welt ins bayrische Amtszimmer einziehen, da hat der Sender weder Kosten noch Mühen gescheut…
Wer aber geglaubt hat, tiefere Einblicke in die Geheimnisse der Philatelie zu erhalten sah sich getäuscht, denn das Sammelgebiet „Altdeutsch mit Schwarze Einser, Sachsendreier und seltene Brückenstücke“ kam nur kurz zur Sprache, als die Experten das Schließfach inspizierten!
Zu sehen gabs diese allerersten Briefmarken der Länder Bayern und Sachsen bedauerlicherweise nicht.
Fall geklärt, auf zur Folge 034: Tote brauchen keine Wohnung
@Al.Ter
Brutalismus stimmt, es ist aber weder „Fuchsbau“ noch „Pharao-Haus“.
Das Haus nennt sich Eurydike; von Orpheus und Eurydike – zwei Bauten in Schwabing (Ungererstraße / Soxhletstraße) – ein Hochhaus und versetzt daneben das im Film von der Rückseite zu sehende flachere Gebäude.
Ein Bravo für @Ploppi, Sie kennen sich aus.
Dafür alleine schon mal fünf Punkte.
Noch eine kleine Ergänzung: Orpheus und Eurydike wurden ca. 1970 gebaut.
Wie pflegte doch ein Zuschauer in seinem wunderschönen fehlerhaften Englisch zu schreiben (in einem der letzten Borowski Festspiele TO 1159):
Again what learned!
*) Die Wohnungen in Eurydike konnten im Erbbaurecht erworben werden, die Wohnungen in Orpheus waren geräumige Maisonetten mit sich über 2 Stockwerke erstreckenden Fenstern im Wohnzimmer und kosteten 360.000 DM, diejenigen im obersten Stock mit einer großen Terrasse und Blick auf das Ungererbad und Schwabing 480.000 DM.
Ich fragte mich, was sie wohl heute kosten.
Als brutal habe ich die Architektur damals nicht empfunden.
Das war halt die in Stein gegossene Avantgarde.
@Ploppi / @Walter Ulbricht
Danke fur die Aufklärung – welch‘ ein prosaischer Name! Steht mittlerweile unter Denkmalschutz, ich hab dazu einen schönen Artikel gefunden:
moderne-regional.de/die-liebe-in-zeiten-des-brutalismus/
Aber die erwähnten Bauten stehen doch alle in Schwabing (Freimann), oder?
Für einen Nicht-Münchner schwer auseinanderzuhalten…
Die Preise waren schon damals so gar kein Schnäppchen, dafür gab’s ein ganzes Haus – natürlich nicht im Stadtkern!
Brutal ist am Brutalismus eigentlich gar nix (auch wenn manche das so empfinden), leitet sich ganz einfach vom franz. ‚béton brut‘ ab, also roher Beton ohne jegliche Verblendung.
Das – leider 2015 abgerissene – Olympia-Radstadion ist z.B. auch dazuzurechnen.
Solide Hausmannskost im Stil der damals üblichen Krimi-Produktionen (Derrick, etc.).
Mich interessierte heute der Vergleich mit aktuell üblichen TO-Folgen.
– Damals gab’s noch keine ausgiebige Darstellung von „Imaginationen“ der Ermittler:innen, bei denen heutzutage die Realität von der Einbildung manchmal nur schwer zu unterscheiden ist.
– Ebenso keine verschiedenen „Zeitebenen“, die in der Art eines Puzzles zusammengesetzt sind (und sich – hoffentlich! – spätestens zum Filmende logisch erklären lassen).
Fazit: Derartige Folgen kann man sich schon mal aus Nostalgie-Gründen ansehen (da ist auch einiger unfreiwilliger Humor dabei). Mir sind aber die – im Schnitt wesentlich anspruchsvolleren – Folgen der heutigen Zeit dann doch lieber! 😉
PS: Witzig in dieser Folge etwa die ‚Hilflosigkeit‘ des Kommissars, in der Früh einen Kaffee zu bekommen. Heute drückt man auf einen Knopf der einschlägigen Maschine und der Kaffee ist da …
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Ich finde nicht, dass nur Text aufgesagt wurde. In allen drei Tatorten wurden der Zwiespalt, in dem sich die Beteiligten befanden, wunderbar stark dargestellt. Das Erzähltempo schien mir langsamer zu sein. Aber das hat mich nicht so wie andere hier gestört. Die Morde damals irgendwie tragischer. Der Blick in die Jahre 1978 & 1981 war einfach nur toll!