Kurz und knapp – darum geht’s
Im Hafenmilieu von Mannheim gerät der Matrose Walter Hubert nach einer herben Enttäuschung in blinde Wut und sticht auf offener Straße einen unbeteiligten Mann nieder. Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz übernimmt seinen ersten Fall und sucht in der nächtlichen Metropole nach dem flüchtigen Täter, dessen einzige Spuren ein verlorener Knopf und eine Barrechnung sind. Als die Ermittlungen Lutz in die zwielichtige Cha-Cha-Cha-Bar führen, stößt er auf eine Mauer des Schweigens, während der verzweifelte Täter zu einem folgenschweren Entschluss kommt…
Inhalt der Tatort-Folge „Auf offener Straße“
Grelles Neonlicht flackert über den nassen Asphalt, während die nächtlichen Straßen Mannheims vom Klang der Polizeisirenen erfüllt werden. Erst vor wenigen Minuten wurde der 32-jährige Kaufmann Joachim Fehrlein beim Spielplatz von einem Unbekannten niedergestochen. Am Tatort herrscht hektische Betriebsamkeit – Streifenpolizisten befragen Zeugen, während sich die Spurensicherung an die Arbeit macht.
Die Kamera nimmt uns mit auf eine atmosphärische Reise in die Vergangenheit. Der Matrose Walter Hubert steht an der Reling seines Frachters, der gerade im Hafen von Mannheim festmacht. Mit dem hart verdienten Lohn in der Tasche und Träumen im Kopf macht er sich auf den Weg in die Stadt. Seine rauen Hände umklammern ein silbernes Armband mit Ankerzeichen – ein Geschenk für Milly, das Barmädchen aus der Cha-Cha-Cha-Bar, mit der er ein neues Leben beginnen möchte. Doch die grellen Lichter des Nachtlebens trügen wie Irrlichter auf dem Meer, und Huberts naive Hoffnungen werden bald grausam zerschlagen.
Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz betritt erstmals die Tatort-Bühne mit verhaltener Autorität. Sein erster Auftritt ist ohne große Gesten – ein Mann, der seine Arbeit kennt und erledigt, ohne viel Aufhebens zu machen. „Was haben wir?“, fragt er kurz angebunden, während er den Tatort inspiziert und die ersten Ermittlungsschritte einleitet. Die Spärlichkeit seiner Worte verrät mehr über ihn als lange Erklärungen – Lutz ist ein Mann der Tat, kein Freund großer Worte.
Das nächtliche Mannheim mit seinen Hafenkneipen und zwielichtigen Bars wird zum stummen Mitspieler in diesem Drama. Die Kamera gleitet durch enge Gassen, vorbei an schummrigen Lokalen und einsamen Wartesälen. Der Kontrast zwischen der bürgerlichen Welt und dem Milieu der Bardamen und Hafenarbeiter könnte kaum größer sein – wie zwei Planeten, die sich nie begegnen sollten. „Verstehste? Wenn ich erst mal nächste Woche auf dem Bunkerboot bin, mein Patent mach‘, Schiffsführer werd'“, erklärt Hubert seiner angebeteten Milly, während seine Hoffnungen wie Sandkörner durch seine Finger rinnen.
Die Suche nach dem Täter gleicht einem Puzzle aus zufälligen Begegnungen und verlorenen Spuren. Mit jedem Schritt, den Kommissar Lutz im nächtlichen Mannheim unternimmt, nähert er sich unweigerlich dem tragischen Schicksal eines Mannes, dessen einziges Verbrechen seine Naivität war. Die Stadt selbst scheint dabei zu atmen und zu flüstern, während die Lichter der Nachtbars wie kalte Sterne über einem urbanen Meer leuchten.
Hinter den Kulissen
„Auf offener Straße“ wurde als vierte Folge der noch jungen Tatort-Reihe vom Süddeutschen Rundfunk produziert und am 7. Februar 1971 im Ersten der ARD ausgestrahlt. Für Werner Schumacher war es der erste Fall als Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz – eine Rolle, die er bis 1986 in insgesamt 16 Fällen verkörpern sollte.
Die Regie führte Theo Mezger, der zusammen mit dem Kameramann Willy „Justus“ Pankau für fast alle Lutz-Tatorte verantwortlich zeichnete. Pankau, der vorwiegend im Bereich der tagesaktuellen Berichterstattung arbeitete, fing mit seiner bemerkenswert stabilen Handkamera die authentische Atmosphäre des Hafen- und Bahnhofsmilieus ein. Das Drehbuch entwickelten Leonie Ossowski und Gunther Solowjew gemeinsam auf Basis eines realen Totschlagfalls.
In den Hauptrollen brillierten Peter Weis als verzweifelter Matrose Walter Hubert und Irmgard Riessen als Barmädchen Milly. Bemerkenswert ist auch der Auftritt von Karl-Heinz von Hassel, der später selbst als Frankfurter Tatort-Kommissar Brinkmann bekannt wurde. Viele weitere Rollen wurden mit Schauspielern der Freilichtbühne Mannheim besetzt, was dem Film seinen semi-dokumentarischen Charakter verleiht.
Mit einer Länge von nur 69 Minuten gehört diese Folge zu den kürzesten der Tatort-Reihe. Bei der Erstausstrahlung erreichte sie dennoch beachtliche 17,9 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 59 Prozent entsprach. Im Film sind im Hintergrund Schlager der damaligen Zeit zu hören, darunter der Hit „Gina mit dem roten Haar“ von Ray Miller.
Eine Besonderheit dieser frühen Tatort-Folge ist, dass der Kommissar erst nach 42 Minuten in die Handlung eintritt – ein Konzept, das sich in späteren Folgen der Reihe so nicht mehr wiederholen sollte. Der semi-dokumentarische Stil und die Milieustudie prägten jedoch die Handschrift vieler weiterer Lutz-Tatorte aus Stuttgart.
Besetzung
Hauptkommissar Lutz – Werner Schumacher
Hubert – Peter Weis
Milly – Irmgard Rießen
Erna – Ursula Köllner
Frau Subireit – Renèe Hepp
Monika – Ingeborg Solbrig
Anni – Dorothea Carrera
Schroth – Wolfgang Hepp
Menges – Karl-Heinz von Hassel
u.a.
Stab
Drehbuch – Leonie Ossowski, Gunther Solowjew
Regie – Theo Mezger
Kamera – Willy Pankau
Ein kurzer Film, läuft nur knapp 69 minuten, dafür allerdings gut gemacht.
Spiegelt die damalige Zeit ein wenig wieder, dass waren noch Zeiten……
@ Alle ist hier auf den fotos der schauspieler Robert seibert zu sehen?
Den mir gänzlich unbekannten Tatort Nummer 004, sicherlich hatte ich damals am nächsten Morgen Mathe in der Schule, habe ich mir in der Nacht am 01.02.2015 auf SWR angeschaut, wahrscheinlich aus Interesse an der erstaunlich schlechten Wiedergabequalität des sicherlich über „Jahrzehnte“ verschollenen Films. Dieses im Zeitalter der „Nick-Tech“ ist schon bemerkenswert. Man hat Schauspieler in ihren jungen Jahren gesehen, andere hat man gar nicht mehr gesehen und das authentische Milieu der anfänglichen 1970iger Jahre ist, auch als Spielfilm, dokumentationswürdig. Ansonsten gab es die Handlung dieses Films schon in etlichen Jahrzehnten davor und in etlichen Jahrzehnten danach zu sehen. Nur! Durften Hunde damals tatsächlich getreten werden?
Boah, was ein Mist. Untertitel Tafel 150 konnte man sich dort sparen ;-)
Sah mehr wie eine Doku über eine Stadt in Deutschland aus. Richtig schlecht. Den hätte man 2015 nicht wieder ausgraben müssen, und wenn, dann schnell wieder vergraben für IMMER!!!!
Auch 44 Jahre nach dem ersten Angucken finde ich den Film ein wenig wortlastig und – sagen wir mal-nicht ganz so spannend. Wir sind halt verwöhnt inzwischen. ABER: meine Mutter spielte mit und weitere Kolleginnen und Kollegen der Freilichtbühne Mannheim, viele inzwischen verstorben. Von daher: Es war ein wundervoller aufregender Film für mich!
Auch mir war dieser Tatort gänzlich unbekannt, obwohl ich damals gern TO angesehen hatte (lieber als heute). Ich glaube, ich war damals Sekundaner, auch so eine Bezeichnung, die längst in Vergessenheit geraten ist.
War das denn überhaupt ein Tatort?? Eben erst habe ich ihn mir angesehen (aufgezeichnet auf Festplatte), die erste halbe Stunde wunderte ich mich bloß: hatte ich einen falschen Film aufgenommen? Schließlich griff ich zur Fernbedienung, es straffte die Handlung etwas, so könnte man sagen.
Ein Mann, der nicht weiß, dass er ein Mörder ist. Ein Mörder, der eigentlich ein unbescholtener Mann ist. Ein Fall, der sich am Ende von selber löst. Ein Film, der unendlich viel Ruhe ausstrahlt, abgesehen von einer kurzen Szene, wo man im Polizeiwagen mit Blaulicht und Tatü-tata durch Mannheim rast, Polizei in uralten Uniformen, bevor diese bundesgrün wurden, was ja nun auch schon wieder Geschichte ist. Zitterten wir damals wirklich vor der Bildröhre, angesichts von so viel Spannung??
Ich bin froh, dass der Sender diesen Film ausgegraben hat, auch wenn ich nicht gern an diese Zeit erinnert werde. Sie war längst nicht so toll, wie altgediente Hippies es uns glauben machen wollen. Spießig irgendwie. Und man musste Latein lernen…
Ich würde mir wünschen, dass dieser Film noch einmal über den Sender kommt… falls es dann überhaupt noch ‚Sender‘ gibt, so in 30 – 40 Jahren… Den TO wird es dann sicherlich immer noch geben, es gibt ja noch so viele Provinzkäffer in Deutschland, die immer noch kein eigenes Ermittlerteam haben…. :D
3 Sterne, die Altersmilde hat schon eingesetzt…
Die TO früher waren alle besser? Dieser jedenfalls ist aus heutiger Sicht äußerst laaaaaangatmig, obwohl er eigentlich total kurz ausfällt. Trotzdem: als historisches Dokument sehr interessant.
Ich war damals „Sextaner“ – so nannte man die Anfänger auf dem Gymnasium, als diese Folge zum ersten Mal ausgestrahlt wurde. Als 11-jähriger erlaubten mir meine Eltern den „Tatort“ noch nicht. Fast 45 Jahre später kam ich endlich mal zum Genuß dieser Folge :-) Die Zeiten waren wirklich so, wie im Film dargestellt. Für heutige Verhältnisse spießig und überholt wirkend, aber für mich ein echter Flashback.
In der Filmbeschreibung steht, der Matrose trifft auf offener Straße auf sein ahnungsloses Opfer Joachim Fehrlein, an dem er seine angestauten Aggressionen auslässt. Blind vor Wut, provoziert er den friedfertigen Passanten, zieht ein Messer – und sticht zu. Immer und immer wieder.
Das stimmt doch überhaupt nicht. Der junge Matrose war völlig entäuscht, die große Liebe war ein großer Reinfall, die ihm noch sein Geld aus der Tasche gezogen hat. Er lief nun ohne Geld und ohne Bleibe durch die Gegend, da kläffte in ein Hund an. In seinem Schreck hat er dem Hund dann einen Tritt gegeben. Dann machte das ältere Besitzer-Paar des Hundes einen Aufstand. Der Matrose haute ab, aber die Alte zeterte auf offener Straße und schrie nach der Polizei. Daraufhin nahm ein Mann die Verfolgung auf. Der Matrose wollte weglaufen, doch der Mann holte ihn ein und wollte ihn niederringen. Der Matrose wollte sich aus dem Griff befreien, als das nicht gelang zog er sein Messer um den Angreifer loszuwerden. Es bestand keine Tötungsabsicht. Er stellte sich etwas später freiwillig, war geschockt, als er vom Kommissar erfuhr, das der Mann tot war.
@ Uwe
Drei Rosen für den Staatsanwalt. Prima.
Wir begleiten einen dahergelaufenen Strolch, wie er nachts durch Stuttgart streift. Mal ist er im Puff und Mal am Bahnhof dann wieder im Puff dann tritt er ein Hund und sticht ein ab. Kommissar Lutz kommt erst in Minute 42. Was bleibt von diesem Frühwerk? Eine lustige Dralle Puffmutter und Kommissar Brinkmann als Bordell-Kellner. Null Spannung teilweise überhaupt keine Dialoge und nur herumgelaufe durch die Nacht. Der arme Hund!!! Der sich das ansehen muss. Ein Rohrkrepierer!
Sehr, sehr ausführlich und dokumentarisch erzählt. Man ist stiller Beobachter und das war’s dann auch schon. Tatort Nr 4, damals musste sich das neue Format erst noch finden.
Zum Glück ist das Schauspiel viel kürzer als gewöhnlich.
Eigentlich eine schwache Nummer, der aber wegen der authentischen Szenen von mir gerade so 2 Sternchen bekommt.
Zum Ende der Folge sind Sequenzen vom Eishockey zu sehen. Hierbei handelt es sich um das Bundesliga-Spiel Mannheimer ERC vs. EV Füssen im Eisstadion am Friedrichspark. Es dürfte die Partie vom 09.12.1970 sein, der spätere Meister Füssen gewann 5:4. Der MERC stieg am Saisonende 1971 mit nur 3 Siegen aus 36 Spielen und 6:66 Punkten in die Oberliga ab, die Rückkehr ins Eishockey-Oberhaus gelang erst 1978 wieder.
Lutz im Double-Feature am 30./31.12.2020 auf SWR mit den Folgen 004 & 132:
Uiuiui, ein Krimi mit Rückblende! Wird hier das deutsche Publikum nicht überfordert?
Die sind doch eigentlich gemäß „Wie schreibe ich ein Drehbuch“-Seminar verpönt, weil die den Zuschauer zu sehr verwirren würden, seien nicht zumutbar.
Doch anno ’71 hatte der Tele-Michel damit keine Probleme und war durchaus in der Lage, der Handlung zu folgen. Damals wurden die Drehbücher noch von Leuten geschrieben, die ihr Handwerk verstanden – hier aus der Feder von Leonie Ossowski („Die große Flatter“ von 1977 mit Richy Müller/Lannert) – und dann weiß man auch um das Lokalkolorit: Sie lebte lange Jahre in Mannheim!
Leider kein Fahndungserfolg für Kommissar Lutz bei seiner Premiere – und kein TO im klassischen Sinne à la „Wer war’s?“, sondern eher Milieustudie.
Hier die Welt der Binnenschiffer, später auch bei Schimanski gern genommen.
Ein Anlegemanöver ist in aller Ausführlichkeit zu bewundern, ebenso die frühmorgendliche Auslieferung des „Mannheimer Morgen“.
Ein Bier kostete in der Eckkneipe 65 Pfg., Cola/Pernod hingegen satte 10,50 Mark im Nepp-Lokal! Dem durstigen Zuschauer stellt sich allerdings die Frage: Wo kriege ich ein Ecklbaum-Bier her? ;-))
Ach ja: Karl-Heinz von Hassel konnte damals nicht wissen, daß er ab 1985 als Hauptkommissar Brinkmann – mit Fliege – in Frankfurt auch mal TO-Karriere machen wird.
Weiß jemand, in welcher Straße das „Cha cha cha“ in Mannheim war, und was da heute ist?
Aus den Anfängen der Tatortserie ist dieser Stuttgarter Krimi aus dem Jahr 1971 und mit der Nummer 004 immer noch sehenswert, die Bekleidung der Darsteller erscheint fast zeitlos.
Die Meinung vom 02.02.2015 halte ich.
Dieser Tatort spielt weder in Hamburg, noch in Stuttgart. ich bin gespannt, welche Städte noch aufgezählt werden.
Was für ein langweiliger Tatort!!! Da passiert gefühlt überhaupt nichts, bis auf den Messerstich nach 42 Minuten, und dann stellt der Täter sich noch selbst. Der einzige Grund, warum ich ihn trotzdem bis zum Ende geschaut habe, war die 70er-Jahre Atmosphäre. Echt krass, dass ich zu der Zeit schon gelebt habe. Das kommt mir vor wie eine andere Welt.
Den Kommentatoren kann man es ja noch nachsehen, wenn sie ortstechnisch (von Stuttgart bis Hamburg) und bei Personen total danebenliegen – aber selbst die halboffizielle Plot-Skizzierung dieses Frühzeit-TOs wirkt, als hätte der Verfasser diesen gar nicht gesehen und arbeitet hauptberuflich für die Blödzeitung ! „Matrose blind vor Wut provoziert friedfertigen Passanten und sticht auf ihn ein“ – das ist so ganz einfach nicht passiert! Ansonsten wirklich eher Milieustudie als Krimi – etwas zuviel Realismus auf Kosten der Spannung. Fängt die Stimmung der 70er Jahre aber wohl ganz gut ein – auch wenn ich anno 1971 wortwörtlich gerade mal so aus den Windeln raus war! :-)
Ich schaue ja wirklich gerne alte Filme und bin sehr offen, aber dieser Tatort ist einfach unterirdisch schlecht. So schlecht, dass wir uns wenigstens gut amüsiert haben.