Von Kindesmissbrauch bis Sterbehilfe, von Marathon bis Bigamie: Das Tatort-Jahr 2006 bot thematische Vielfalt und experimentelle Erzählformen. Der SPIEGEL blickt zurück auf ein Jahr voller gesellschaftskritischer Krimis.

Brisante Themen im Sonntagskrimi

Gleich zum Jahresauftakt wagten sich die Kölner Ermittler Ballauf und Schenk an ein heikles Thema: In „Blutdiamanten“ verfolgten sie die Spur illegal gehandelter Konfliktdiamanten bis nach Antwerpen. Der Fall zeigte exemplarisch, wie der Tatort aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen aufgriff.

Familiäre Abgründe taten sich in mehreren Folgen auf. Charlotte Lindholm ermittelte in „Pauline“ zum Mord an einem 12-jährigen Mädchen in einem Dorf voller Geheimnisse. In München deckten Batic und Leitmayr in „Das verlorene Kind“ einen erschütternden Fall von häuslicher Gefangenschaft auf.

Auch die Themen Alter und Pflege rückten in den Fokus. Während sich Bienzle in Stuttgart eines behinderten jungen Mannes annahm, spielte der Münchner Fall „Außer Gefecht“ in einem Pflegeheim und thematisierte Sterbehilfe.

Innovative Erzählformen

2006 experimentierten die Tatort-Macher mit neuen Erzählformen. „Das letzte Rennen“ wurde während eines echten Marathons gedreht – ein logistischer Kraftakt. In „Außer Gefecht“ lief die Handlung fast in Echtzeit ab, während „Pechmarie“ mit Rückblenden und Perspektivwechseln spielte.

Neue Gesichter, alte Bekannte

Personell gab es Veränderungen: In Saarbrücken startete mit Franz Kappl und Stefan Deininger ein neues Ermittlerteam. Ihr Einstand „Aus der Traum“ führte in die Musikszene. In Münster feierten die Publikumslieblinge Thiel und Boerne mit „Das zweite Gesicht“ bereits ihren 10. Fall.

Spiel mit den Erwartungen

Viele Folgen überraschten die Zuschauer. In „Der Lippenstiftmörder“ schien der Täter von Anfang an festzustehen – saß aber in der Psychiatrie. „Liebe macht blind“ führte in die Berliner Single-Szene, während „Mann über Bord“ einen bigamistischen Kapitän in den Mittelpunkt stellte.

Ermittler als Hauptfiguren

Immer häufiger rückten die Kommissare selbst in den Fokus. Charlotte Lindholm kämpfte in „Schwarzes Herz“ mit dem Verlust ihres Freundes, Borowski litt unter Schlaflosigkeit. Die Charaktere wurden vielschichtiger, ihre persönlichen Probleme Teil der Handlung.

Fazit: Erfolgreiches Krimi-Jahr

Mit durchschnittlich über 7 Millionen Zuschauern pro Folge blieb der Tatort auch 2006 ein Publikumsliebling. Das Format bewies seine Wandlungsfähigkeit, griff aktuelle Debatten auf und experimentierte mit neuen Erzählformen. Von klassischen Whodunits über gesellschaftskritische Themen bis hin zu innovativen Konzepten – das Tatort-Jahr 2006 bot für jeden Geschmack etwas.