Kurz und knapp – darum geht’s
Ein Kopfschuss, fünf Kugeln in der Brust – der Star der Dresdner Szenegastronomie, Joachim Benda, wird brutal in seinem Restaurant hingerichtet. Die Kommissarinnen Gorniak und Winkler vermuten zunächst Schutzgelderpressung durch die Mafia, zumal Bendas Witwe Katharina von einem nächtlichen Überfall maskierter Männer auf die Familie berichtet. Doch je tiefer die Ermittlerinnen in das Familienleben der Bendas eintauchen, desto mehr Zweifel kommen auf: Warum sollte Joachim seine Frau in die Psychiatrie einweisen lassen? Als die Kommissarinnen endlich das Vertrauen des älteren Sohnes Viktor gewinnen, geraten sie in einen Strudel familiärer Abgründe, der sie an die Grenzen des Vorstellbaren führt…
Inhalt der Tatort-Folge „Nemesis“
Blutbesudelte Tapeten im Büro eines noblen Restaurants – das ist der Anblick, der Katharina Benda erwartet, als sie gegen den Rat von Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel die Leiche ihres Mannes Joachim sehen will. Mit zitternden Händen nimmt die elegant gekleidete Frau später ihre beiden Söhne in den Arm, die im silbergrauen SUV vor dem Lokal warten. „Ich bin bei euch“, flüstert sie den verstörten Jungen zu, während Schnabel – selbst tief erschüttert vom Mord an dem Restaurantbesitzer, den er persönlich kannte – schützend eingreift, um der Familie den Kontakt mit den frisch eingetroffenen Ermittlerinnen zu ersparen.
In Dresden liegt ein grauer Schleier über der Stadt, als wollte der Himmel selbst trauern. Gorniak und Winkler nehmen die Spurensuche auf, doch die polierte Oberfläche des Edelrestaurants gibt wenig preis. „Keine Überwachungskameras, keine Zeugen, nur eine blutverschmierte Kreditkarte und ein Terminbuch“, fasst Gorniak die magere Ausbeute zusammen. „Als hätte jemand bewusst jede Spur vermieden“, ergänzt ihre junge Kollegin mit skeptischem Blick.
Während die Bendas in ihrer modernen Nobelvilla am Stadtrand trauern, verdichten sich die Hinweise auf einen Mafia-Hintergrund. „Diese Stadt geht vor die Hunde“, murmelt Schnabel, als die Ballistik bestätigt: Die Tatwaffe wurde bereits bei einem Mordfall im Amsterdamer Rotlichtmilieu benutzt. „Organisierte Kriminalität ist ein Business“, erklärt Otto Winkler, der pensionierte Vater der jungen Kommissarin, der ebenfalls ein Stammgast in Bendas Restaurant war. Seine Tochter beäugt ihn misstrauisch – war da mehr als nur eine harmlose Bekanntschaft?
„’Ich wurde erpresst'“, zitiert Katharina Benda unter Tränen die Worte ihres Mannes. „’Die wollten Schutzgeld, jeden Monat mehr.'“ Sie berichtet vom Überfall Maskierter auf die Familie – ein Vorfall, bei dem der jüngere Sohn Valentin heimlich den Notruf wählte. Die Aufzeichnung des Anrufs hallt gespenstisch durch den Konferenzraum des Präsidiums: die ängstliche Stimme eines Kindes, das Erwachsene belauscht, die um ihr Leben flehen.
Doch Leonie Winklers Bauchgefühl meldet Zweifel an. „Was, wenn wir in die falsche Richtung schauen?“, fragt sie ihre erfahrene Kollegin Gorniak. Die blauen Flecken an Katharinas Arm, die seltsam distanzierte Beziehung zum älteren Sohn Viktor, die auffällige Nähe zum jüngeren Valentin – etwas stimmt nicht in dieser Familie, deren Trauer wie eine perfekt einstudierte Theateraufführung wirkt.
Die Ermittlungen gleichen einem Tanz auf dünnem Eis. Einerseits der zwielichtige Bauunternehmer Levon Nazarian, der Bendas Restaurant offenbar zur Geldwäsche nutzte, andererseits eine Familie mit toxischen Beziehungen. „Was, wenn beide Spuren richtig sind?“, sinniert Gorniak während einer nächtlichen Fahrt durch die menschenleeren Straßen Dresdens, wo die Laternen wie stumme Zeugen eines dunklen Geheimnisses wirken.
Als ein verdeckter Ermittler eine überraschende Information liefert – die Tatwaffe gehörte Benda selbst, illegal erworben – bricht die Mafia-Theorie wie ein Kartenhaus zusammen. Doch Katharinas Alibi für die Tatnacht ist lückenlos. Die Antwort muss in den Computerdateien des Toten liegen, dessen Browserverlauf eine verzweifelte Suche nach Informationen über psychische Erkrankungen offenbart. „Er wollte seine Frau einweisen lassen“, stellt Winkler fest. „Er fürchtete um seine Kinder.“
In einer beklemmenden Szene werden die Ermittlerinnen Zeugen, wie Katharina ihren älteren Sohn zwingt, in eine Badewanne mit kochendem Wasser zu steigen. Die psychische Manipulation der Mutter nimmt bedrohliche Ausmaße an. Beim Verhör von Viktor, der zusehends unter dem Druck seiner Mutter zerbricht, deuten sich unfassbare Dinge an. Als Valentin im Wald beim Üben mit einer Pistole erwischt wird, führt die Spur zu einem entscheidenden Projektil in einem Baumstumpf.
Gorniak und Winkler rasen zur Villa der Bendas, doch die Familie ist bereits auf der Flucht. Ihr Wagen wird gestoppt, aber die in die Enge getriebene Katharina flüchtet mit ihren Söhnen auf ein Parkdeck, droht mit dem Sprung in die Tiefe. In der dramatischen Konfrontation auf dem Dach enthüllt sich die grausame Wahrheit: Valentin, der jüngere Sohn, tötete seinen Vater, nachdem sein älterer Bruder sich weigerte, den tödlichen Befehl seiner Mutter auszuführen. Wie eine antike Rachegöttin steht Katharina am Abgrund – Symbol für die zerstörerische Kraft einer kranken Mutterliebe.
Hinter den Kulissen
Der MDR-Tatort „Nemesis“ wurde vom 19. November bis zum 18. Dezember 2018 in Dresden und Umgebung gedreht. Die Kameras liefen unter anderem im historischen Kurländer Palais, am atmosphärischen Neustädter Elbufer, in der 46. Oberschule in der Südvorstadt sowie in einem Haus an der Calberlastraße im malerischen Stadtteil Loschwitz.
In der Besetzung brilliert vor allem Britta Hammelstein als psychisch instabile Katharina Benda, deren verstörende Darstellung der Mutterfigur von Kritikern einhellig gelobt wurde. Karin Hanczewski (Gorniak) und Cornelia Gröschel (Winkler) bilden ein überzeugendes Ermittlerinnenduo, unterstützt von Martin Brambach als Kommissariatsleiter Schnabel. Als Söhne des Opfers überzeugen Juri Sam Winkler (Viktor) und Caspar Hoffmann (Valentin), während Uwe Preuss als pensionierter Polizist Otto Winkler für zusätzliche Spannung sorgt. In einer Gastrolle ist Marko Dyrlich als zwielichtiger Bauunternehmer Levon Nazarian zu sehen. Eine Besonderheit: Die Leiche des Gastronomen Joachim Benda wird vom echten Dresdner Gastronomen Gerd Kastenmeier dargestellt.
Die Erstausstrahlung am 18. August 2019 verfolgten 8,58 Millionen Zuschauer, was einem beeindruckenden Marktanteil von 27,3 Prozent entspricht. Damit war „Nemesis“ die erfolgreichste Sendung seit sieben Wochen. Auch in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen erreichte der Film mit 23,9 Prozent Marktanteil einen Spitzenwert.
Die Kritiken fielen gemischt aus: Während die Frankfurter Allgemeine Zeitung den Film als „sehenswert“ lobte und die „große emotionale und psychologische Wahrhaftigkeit“ hervorhob, bezeichnete die Münchner Abendzeitung den Krimi als „dröge“. Besonders die kühle Bildgestaltung von Kameramann Hendrik A. Kley wurde positiv hervorgehoben – die Grautöne und die unwohnliche Atmosphäre der Benda-Villa unterstreichen die psychologische Spannung des Films. Als Teil des Soundtracks wurde der Song „Nothing Breaks Like a Heart“ von Mark Ronson und Miley Cyrus eingesetzt.
Nach der Ausstrahlung von „Nemesis“ stellten zahlreiche Zuschauer im Internet die Theorie auf, dass nicht Valentin, sondern in Wahrheit Viktor seinen Vater erschossen haben könnte – ein Hinweis auf die vielschichtige Erzählstruktur des Films, die unterschiedliche Interpretationen zulässt und den Zuschauer zum Mitdenken anregt.
Schon seit der Trimmel-Folge „Der Richter in Weiß“ wissen wir ja, dass psychisch erkrankte Menschen durchaus zu planvollem Handeln in der Lage sind (Ewig her, ich weiß). Gut erzählte Geschichte, geschickte Nebelkerze mit der Schutzgelderpressung und in die Situation der Jungen konnte man sich förmlich hineinfühlen. Um es mit zwei Worten zu sagen: sehr gelungen!
Schlechte Schauspieler, unglaubwürdige Handlung, haarsträubende Story.
Tatort auf dem Tiefpunkt.
Super Tatort!
Bis zum Ende spannend!
Ein gutes Ermittler Team welches dauerhaft bleiben muss!!!
Recht spannend gemacht, wenn natürlich auch hanebüchen gelöst (wobei recht schnell klar war, dass die Jungen da in irgendeiner Weise verstrickt waren). Intensiv das Spiel der Mutter und vor allem von Viktor, das ganze eher kammerspielartig und somit dialogorientiert aufgezogen. Erschreckend gut dargestellt das grausliche familiäre Binnenklima von Mutter und Söhnen. Das Team funktioniert gut, insgesamt eher zurückgenommen, das ist durchaus auch mal wohltuend. Der Vater-Tochter-Konflikt ebenso zurückhaltend angedeutet, die Privatgeschichten kommen also wohldosiert – wenn überhaupt -, und das ist ausdrücklich zu loben, da sind die Tatorte der letzten Zeit auf einem guten Wege, nachdem das phasenweise fast umgekippt ist.
Insgesamt also durchaus gelungen, und dennoch hat mir etwas Drive gefehlt, und, wie gesagt, die Auflösung war dann doch haarsträubend. Guter Dreier, 3,5 Sterne.
Endlich wieder mal ein richtig guter Tatort.
Tolle Schauspieler und gute Handlung.
Da freut man sich wieder auf den Sonntag Abend.
T
Man fragt sich am Ende: wieso war es mir nicht schon früher klar gewesen? Gutes Buch, gute Schauspielern, gute Dramaturgie. Ich habe eigentlich nichts, um Sterne abzuziehen, also 5 Sterne von mir.
Ein sehr guter Tatort, Dresden scheint die richtige Richtung gefunden zu haben.
Das Dresdner Team findet seinen Platz, der Klamauk wurde gestrichen. Martin Brambach funktioniert immer. Cornelia Gröschel wurde eine Rolle zugeteilt, die in den nächsten Folgen noch ausgebaut werden kann (denke da an die Vater Figur).
Ein Mord führt zu Ermittlungen im Bereich organisiertes Verbrechen. Der Zuschauer weiss schnell, dass es sich um eine Geschichte im Familienumfeld handelt. Die Witwe manipuliert ihre Kinder nach der Methode Zuckerbrot und Peitsche. Die Auflösung ist zwar nicht ganz glaubwürdig, aber was solls. Der ältere Sohn kann nicht schiessen, der jüngere übernimmt, während der Vater erwartungsvoll sitzen bleibt. Auch lassen sich vom Verlauf der Projektile Rückschlüsse auf die Grösse des Täters ziehen, hier wäre wohl von der Kriminaltechnik ein früherer Hinweis erfolgt. Fazit: Der Tatort hat gut unterhalten. Überflüssig war aber die Szene in der Autowaschanlage, damit bedient man sich zu sehr in der Welt der Klischees. Gute vier Sterne.
Woher waren die alten Verletzungen des Opfers?
Ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen. 5 Sterne für gute Unterhaltung, Spannung und Top-Schauspielern. Weg vom Klamauk (steht Brambach eh nicht) zu einem richtigen Krimi. Ich würde es auch gut finden, wenn die düstere Vater/Tochter-Figur noch weiter ausgebaut würde/wird!!
Gute Unterhaltung, aber schlecht konstruirter Fall:
– Man macht es sich mit dem „Informanten“ doch sehr einfach den Fall an den jeweils passenden Stellen weiter zu treiben
– Der Hinweis „Oybin“ vom älteren Sohn is nicht nachvollziehbarer. Er hätte nicht ernsthaft damit rechnen können, dass die Handyortung genau genug ist um die Ermittler zum Schauplatz der Schießübungen zu führen
– Die position der Leiche passt nicht zum Tathergang, selbst wenn der jüngere Sohn geschossen hätte, wäre der Vater nicht sitzen geblieben, sondern wäre wohl aufgestanden und auf den Sohn zugegangen
– Wer hat die Kinder Nachts rein gelassen?
– Keiner hat in der Innenstadt nachts sieben Schüsse gehört / irendetwas gesehen?
Tatort Dresden ist viel besser geworden. Respekt. Gerne weiter so.
Der mit Abstand Beste Tatort aus Dresden. Wie der Vater am Ende zu Tode kam, OK, etwas Fragwürdig. – Doch die spannende Handlung und die exzellenten Akteure wiegen das mehr als auf. Was für ein toller Auftakt nach der Sommerpause.
Gute Krimikost aus Dresden. Frau Winkler hat sich nach ihrem verkorsten Antritt mit ihren Eingebungen rehabilitiert, das Team hat sich gefunden und harmoniert. Es macht Spaß, ihm gemeinsam mit dem kautzigen Chef Schnabel zuzuschauen. Der Fall war an einigen Stellen unplausibel aber das phsychatische bedingte Motiv hat tatsächlich gegriffen. Am Ende wurden sogar die Augen feucht. Weiter so!
Ich fand diesen Tatort ultra spannend. Von Anfang bis Ende saß ich gefesselt am Bildschirm. Team Dresden gefällt mir echt gut
Eigentlich ein Minus-Stern. Bin eingeschlafen. Story völlig abstrus. Da war ja die „Chefin“ besser….
Die Handlung selbst war durchschnittlich, teilweise auch unglaubwürdig. Interessant finde ich die Rolle von Cornelia Gröschel als Komm. Winkler angelegt und wie sie sich in dieser Figur langsam vom (bloß scheinbar) übermächtigen Vater emanzipiert. Wie eine Raupe, die sich zum Schmetterling schält … Hier ist jedenfalls noch einiges weiteres Potential vorhanden.
Ich fand den Tatort sehr spannend und das Ermittlerteam ist mir sehr sympathisch. Die schauspielerische Leistung aller Familienmitglieder war auch klasse, fand ich. Die Identität des Mörders ist zwar ein bißchen unglaubwürdig, aber gut, diese Unplausibilität ist wohl der Preis für den spannenden Plot.
Auch sehr positiv ist in meinen Augen, dass der „Dark Lord“ eine Frau war. Gleichberechtigung haben wir nämlich erst, wenn im Tatort genauso viele Täterinnen wie Täter auftauchen, und NICHT, wenn es genauso viele Kommissarinnen wie Kommissare gibt… ;-)
Da wird soviel ermittelt und getan, um Kinderpronografie zu unterbinden, und dann steht ein damals knapp 16 jähriger Schauspieler nackt vor der Kamera. Echt widerlich….
Ich stimme User:in @TH im Wesentlichen zu:
Letzte Woche wurde hier über das Thema ‚Jugend-Pornographie‘ diskutiert. Die Szene, in welcher der nackte Junge von seiner Mutter im Bad genötigt wird, ins eiskalte Wasser zu steigen, stellt durchaus so einen grenzwertigen Akt dar (m.E.).
Da die Szene keinerlei sexuellen Kontext hat, finde ich das aus dieser Perspektive ziemlich unproblematisch (Nacktheit ist nicht gleich Pornographie), vorausgesetzt, der junge Schauspieler war einverstanden und bei den Dreharbeiten ausreichend begleitet/geschützt.
Nastassja Kinskis Vorwurf ist ja auch vor allem, das eben dies in ihrem Fall nicht gegeben war. Zudem haben ihre Szenen durchaus sexuellen Kontext und sind jahrzehntelang ziemlich unreflektiert auf sexualisierte Weise kommentiert worden. Die Sensibilität, die wir heute zu dieser Thematik haben, war in den 70ern nicht gegeben und daher ist es schwierig, aus heutiger Sicht moralische Urteile zu fällen (was auch Nastassja Kinski nicht tut). Ihr heutiges Unwohlsein kann ich sehr gut verstehen, ebenso wie ihren Wunsch, dass diese Szenen nicht mehr in dieser Form gezeigt werden. Andererseits sollte ein Kunstwerk – und Filme sind solche – nicht nachträglich verändert werden, daher besteht hier ein klarer Konflikt von persönlicher Freiheit vs Kunstfreiheit, der nicht einfach zu lösen ist.
@kressin, volle Zustimmung. Die Bedingungen für Kinderdarstellern in Drehs generell und bei solchen Szenen im Speziellen sind heute ganz anders.
Wer mag kann sich dazu diesen Podcast von Deutschlandfunk Kultur anhören: „Nacktszenen wie im Tatort „Reifezeugnis“ sind heute unvorstellbar“ von Tan, Chun Mei · 21. Februar 2024, 14:15 Uhr
Teaser:
„Nastassja Kinski geht vor Gericht. Sie will, dass ihre Nacktszenen im Tatort „Reifezeugnis“ von 1977 herausgeschnitten werden. Chun Mei ist Intimacy Coordinatorin und erklärt, warum Kinskis Nacktszenen heute nie so gedreht werden könnten.“
@kressin:
Da bin ich d’accord. Wobei die Szene, in der beide Söhne mit der Mutter im Ehebett (ich glaub‘ sogar, unter 1 Decke!) schlafen – als Belohnung für die Erschießung des Gatten/Vaters – ist schon auch ziemlich ‚ungewöhnlich‘ …