Das Krimi-Flaggschiff der ARD bot auch in diesem Jahr eine facettenreiche Mischung aus experimentellen Ansätzen, bewährten Erzählmustern und brisanten Themen. Von Zeitschleifen über Hexenjagd bis hin zu sozialkritischen Betrachtungen – der Tatort blieb seinem Ruf als Seismograph gesellschaftlicher Entwicklungen treu, polarisierte aber auch wie selten zuvor.

Mutige Experimente und Quotenerfolge

Das Tatort-Jahr 2019 startete mit einem vielbeachteten Paukenschlag: In „Murot und das Murmeltier“ erlebte der Wiesbadener Ermittler Felix Murot (Ulrich Tukur) denselben Tag immer wieder. Das Zeitschleifen-Experiment erwies sich nicht nur als Quotenerfolg, sondern gewann auch den Filmkunstpreis beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen. Kritiker lobten die innovative Erzählweise und Tukurs schauspielerische Leistung.

Auch der Münsteraner Beitrag „Spieglein, Spieglein“ mit dem beliebten Duo Thiel und Boerne lockte wie gewohnt ein Millionenpublikum vor die Bildschirme. Die humorvolle Inszenierung und die Chemie zwischen den Hauptdarstellern Axel Prahl und Jan Josef Liefers bewiesen einmal mehr, warum das Team aus Münster zu den Quoten-Garanten der Reihe zählt.

Gesellschaftliche Brennpunkte im Fokus

Viele Folgen griffen aktuelle und brisante Themen auf, was dem Tatort seinem Ruf als „Spiegel der Gesellschaft“ gerecht wurde. Der Berliner Tatort „Das Leben nach dem Tod“ thematisierte die lange verschwiegene Todesstrafe in der DDR und verband geschickt Vergangenheitsbewältigung mit einem aktuellen Mordfall. Besonders Mark Waschke als Robert Karow erhielt für seine intensive Darstellung viel Lob.

Der Schwarzwald-Tatort „Für immer und dich“ setzte sich mit dem heiklen Thema Missbrauch auseinander und sorgte für kontroverse Diskussionen. Die realitätsnahe Inszenierung und die schauspielerischen Leistungen wurden gelobt, gleichzeitig gab es Kritik an der Darstellung der Missbrauchsbeziehung.

In Köln nahm „Kaputt“ Homophobie in den eigenen Polizeireihen ins Visier. Die Folge zeigte mutig, dass Diskriminierung auch vor Institutionen wie der Polizei nicht Halt macht und regte zu wichtigen Debatten an.

Jubiläen und emotionale Abschiede

2019 war auch ein Jahr der Jubiläen und Abschiede, die das Publikum emotional berührten. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) feierte mit „Die Pfalz von oben“ ihr 30-jähriges Dienstjubiläum. Die Folge knüpfte an den Fall „Tod im Häcksler“ von 1991 an und zeigte eindrucksvoll, wie sich sowohl die Figur als auch die Gesellschaft in drei Jahrzehnten verändert haben.

Gleichzeitig mussten sich die Zuschauer von beliebten Teams verabschieden. Die Bremer Ermittler Lürsen und Stedefreund lösten in „Wo ist nur mein Schatz geblieben?“ ihren letzten Fall. Die emotionale Abschiedsvorstellung von Sabine Postel und Oliver Mommsen nach 18 gemeinsamen Jahren wurde von vielen Fans mit Wehmut aufgenommen.

Auch das Luzerner Duo Flückiger und Ritschard verabschiedete sich mit „Der Elefant im Raum„. Die Folge markierte das Ende des Schweizer Tatorts in seiner bisherigen Form und warf Fragen nach der zukünftigen Ausrichtung der Reihe in der Schweiz auf.

Kontroverse Folgen und neue Gesichter

Für heftige Diskussionen sorgte der Stuttgarter Tatort „Hüter der Schwelle„, der sich in eine obskure, mystische Welt begab. Die ungewöhnliche Mischung aus Krimi und übernatürlichen Elementen polarisierte das Publikum und die Kritiker gleichermaßen. Während einige die mutige Erzählweise lobten, sahen andere darin einen Bruch mit der Tatort-Tradition.

In Dresden trat mit „Das Nest“ die neue Ermittlerin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) ihren Dienst an und führte das Team in dunklere Gefilde. Der psychologisch dichte Thriller zeigte, dass der Dresdner Tatort nach dem Weggang von Alwara Höfels eine neue, ernstere Richtung einschlägt.

Zwischen Klamauk und ernsthaften Themen

Die Balance zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik blieb auch 2019 eine Herausforderung für die Tatort-Macher. Während Münster-Fans mit „Lakritz“ und dem Weihnachtsspecial „Väterchen Frost“ gewohnt humorvolle Kost serviert bekamen, wagte sich der Hamburger Tatort „Querschläger“ an das brisante Thema Altersarmut. Die Folge zeigte eindrücklich, wie soziale Not Menschen zu verzweifelten Taten treiben kann.

Zum Jahresabschluss griff „One Way Ticket“ aus München die wahre Geschichte von Rentnern als Drogenkuriere auf. Die Folge verband gekonnt Krimi-Spannung mit einer kritischen Betrachtung der Entwicklungshilfe und der wachsenden Altersarmut in Deutschland.

Fazit: Tatort bleibt relevanter Publikumsmagnet

Trotz einiger kritisch aufgenommener Folgen blieb der Tatort auch 2019 ein Quotengarant für die ARD und ein wichtiger Teil der deutschen Fernsehlandschaft. Mit einer Mischung aus bewährten Teams, experimentellen Ansätzen und der Behandlung relevanter gesellschaftlicher Themen gelang es der Reihe, ihre Position als beliebteste Krimireihe im deutschen Fernsehen zu behaupten.

Die Vielfalt der Folgen zeigte einmal mehr, dass der Tatort weit mehr ist als nur eine Krimireihe. Er fungiert als Plattform für gesellschaftliche Debatten, als Experimentierfeld für innovative Erzählformen und als Spiegel deutscher Befindlichkeiten. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Balance zwischen Innovation und Tradition eine ständige Herausforderung bleibt.

Für 2020 darf man gespannt sein, wie sich neue Teams etablieren, welche Themen in den Fokus rücken werden und ob der Tatort seinen Spagat zwischen Unterhaltung und Relevanz weiterhin meistern kann. Eines ist sicher: Die Diskussionen um Deutschlands beliebteste Krimireihe werden auch im kommenden Jahr nicht abreißen.