Kurz und knapp – darum geht’s

Im saarländischen Kernkraftwerk Rosdorf ereignet sich ein gefährlicher Störfall, den die Betreiberfirma unter allen Umständen vertuschen will. Als der kritische Chefingenieur Georg Bekker tot aufgefunden wird – scheinbar an einer Überdosis Drogen gestorben – nimmt Kommissar Max Palu die Ermittlungen auf und stößt bald auf ein Netz aus Lügen und Korruption in der Atomwirtschaft. Die Schwester des Toten erhält geheimnisvolle Disketten und wird mit ihrer Tochter zum Ziel bedrohlicher Einschüchterungsversuche durch einen skrupellosen Sicherheitsdienst. Als Palu kurz davor ist, den mächtigen Hintermännern auf die Spur zu kommen, setzt die Atomlobby alle Hebel in Bewegung, um ihn von den Ermittlungen abzuziehen …

Inhalt der Tatort-Folge „Kesseltreiben“

Reglos liegt der Tote auf der Baustelle, die Spuren an seinem Arm deuten auf einen Drogentod hin. Doch Kommissar Max Palu, der mit schweren Schritten durch den frühmorgendlichen Nieselregen um den Leichnam herumgeht, schöpft sofort Verdacht. „Der sieht mir nicht aus wie ein Junkie“, murmelt er seinem Assistenten Schröder und dem Austauschkommissar „Tschämp“ Zander zu, während über ihnen ein kalter Wind durch die Stahlträger pfeift. Etwas an diesem Tod stimmt nicht – ein Gefühl, das Palu nicht loslässt.

Palu ist ein Einzelgänger, ein Kommissar der alten Schule, der sich zwischen politischen Interessen und wirtschaftlicher Macht seinen eigenen Weg bahnt. Seine Hartnäckigkeit bringt ihn immer wieder in Konflikte mit seinen Vorgesetzten, doch in diesem Fall wird sein Instinkt auf eine besonders harte Probe gestellt. Denn als die Schwester des Toten, Anna Fromm, ihm versichert, dass ihr Bruder niemals Drogen genommen hätte, beginnt Palu zu graben – und stößt auf ein Geflecht aus Lügen, das bis in die obersten Etagen der Atomwirtschaft reicht.

„Der General gibt es nicht“, behauptet Meyer-Mühlendorff, der Manager der Luxemburger Betreiberfirma, als Palu ihn zu den mysteriösen Disketten befragt, die Bekker hinterlassen hat. Doch je tiefer Palu in den Fall eintaucht, desto bedrohlicher wird das Klima um ihn herum. Wie ein unsichtbarer Feind bewegt sich der lange Arm der Atomlobby durch die verschachtelten Gassen Saarbrückens und die glänzenden Bürokomplexe in Luxemburg. Die Fahndung nach der Wahrheit gleicht der Suche nach einem Strahlenpartikel im Reaktorkern – winzig, tödlich und nahezu unmöglich zu fassen.

Als Anna und ihre kleine Tochter Evi mit radioaktiver Verstrahlung bedroht werden, erreicht der Fall eine neue Dimension der Skrupellosigkeit. In einer nervenaufreibenden Szene, in der Evi im Krankenhaus auf Verstrahlung untersucht wird, während draußen vor dem Fenster ein Stein durch die Scheibe fliegt, wird klar: Die Gegenseite schreckt vor nichts zurück. Mit jedem Schritt, den Palu der Wahrheit näher kommt, zieht sich die Schlinge enger – nicht nur um die Täter, sondern auch um ihn selbst.

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Kesseltreiben“ ist die 272. Folge der Krimireihe und wurde vom Saarländischen Rundfunk produziert. Die Dreharbeiten fanden in Saarbrücken und Umgebung sowie in Lothringen und Luxemburg statt, was dem Film seine charakteristische grenzübergreifende Atmosphäre verleiht. Die Erstausstrahlung erfolgte am 7. März 1993 und erreichte beachtliche 11,41 Millionen Zuschauer, was einer Einschaltquote von 33,50 % entsprach.

In der Besetzung brilliert Jochen Senf als Kommissar Max Palu in seinem sechsten Fall. Die Rolle der Anna Fromm, Schwester des ermordeten Ingenieurs, sowie die weiteren Darsteller trugen zum beklemmenden Realismus dieser brisanten Folge bei.

Besonders bemerkenswert ist die Geschichte hinter dem Drehbuch: Es stammt ursprünglich von dem renommierten österreichischen Filmemacher Michael Haneke, der jedoch mit der Umsetzung durch den Saarländischen Rundfunk derart unzufrieden war, dass er auf die Verwendung des Pseudonyms „Richard Binder“ in den Credits bestand.

Ein interessantes Detail am Rande: Die Folge war ursprünglich als „Schimanski“-Tatort geplant, wie ein im Österreichischen Filmmuseum aufgetauchtes Titelblatt mit dem Verweis „Ein Schimanski Tatort“ belegt. Dies zeigt, wie der Fall ursprünglich für den Ruhrgebiets-Ermittler konzipiert war, bevor er für Kommissar Palu im Saarland adaptiert wurde.

Nach der Ausstrahlung wurde der Tatort „Kesseltreiben“ für seine kritische Auseinandersetzung mit der Atomwirtschaft beachtet, wobei die Folge sich von vielen anderen Tatort-Episoden dadurch unterscheidet, dass sie nicht nur die Aufklärung eines Mordes, sondern auch die problematischen Strukturen einer ganzen Branche thematisiert.

Besetzung

Kommissar Max Plau – Jochen Senf
Anna – Michaela May
Tschämp – Jean-Paul Raths
Mertens – Jürgen Arndt
Meyer-Mühlendorff – Karlheinz Hackl
Evi – Anna Gütter
Bekker – Friedrich K. Praetorius
Späth – Klaus-Jürgen Steinmann
Rieser – Klaus Mikoleit
Gröhlinger – Hans Schödel
Witschewsky – Peter Mohrdieck
Klaus Schröder – Arno Jos Graf
Frau Dr. Prieberg – Dinah Hinz
Mauch – Achim Grubel
u.a.

Stab

Drehbuch – Richard Binder
Regie – Peter Schulze-Rohr
Szenenbild – Lothar Kuhn
Kamera – Klaus-Peter Weber
Musik – Jürgen Wolter