Kurz und knapp – darum geht’s

Ein ermordetes Mädchen im Berner Flussbad Marzili weckt düstere Erinnerungen: Vor sechs Jahren wurde am selben Ort schon einmal ein Kind getötet – der Täter von damals wurde gerade erst aus der Psychiatrie entlassen. Während die Bevölkerung nach schneller Vergeltung ruft, stößt Kommissar von Burg bei seinen Ermittlungen auf verstörende Details, die nicht ins Bild des vermeintlichen Wiederholungstäters passen wollen. Als seine engste Vertraute im Fall eigene Nachforschungen anstellt, ahnt sie nicht, dass sie damit dem wahren Killer direkt in die Falle geht…

Inhalt der Tatort-Folge „Rückfällig“

Schlaflos wandert Kommissar Philipp von Burg durch die schwülheiße Sommernacht Berns. Die Schreie der Badegäste im Marzili-Bad hallen noch in seinen Ohren nach, der metallische Geruch von Blut scheint an seiner Kleidung zu kleben. „Den haben wir. Diesmal kommt er nicht davon“, hatte sein Kollege Gertsch am Fundort der Leiche triumphierend verkündet. Doch von Burg plagen Zweifel.

Das traditionsreiche Marzili-Bad, sonst ein Ort sommerlicher Freuden, liegt wie ein verwundetes Tier im gleißenden Mittagslicht. Zwischen planschenden Kindern und sonnenbadenden Erwachsenen wurde die Leiche eines jungen Mädchens gefunden – brutal ermordet, mit einem rätselhaften Kreuz in der Brust. Der Hauptverdächtige Manuel Bossert, ein scheuer Hilfsgärtner der Anlage, ist wie vom Erdboden verschluckt. Seine Flucht gleicht für viele einem Schuldeingeständnis.

„Er war es nicht“, beteuert seine Psychiaterin Dr. Loredana Castelli mit einer Überzeugung, die von Burg aufhorchen lässt. Der Fall von vor sechs Jahren, erklärt sie im dämmrigen Licht ihres Büros, war ein tragischer Unfall – kein Mord. Doch die Stadt hat ihr Urteil längst gefällt. Wie ein giftiger Nebel kriecht die Vorverurteilung durch die Gassen der Altstadt, erreicht selbst die gediegene Nachbarschaft von Bosserts Mutter, wo plötzlich Fensterläden geschlossen werden, wenn sie vorbeigeht.

Die Ermittlungen gleichen einem Gang durch ein Labyrinth aus Vorurteilen und falschen Fährten. An jeder Ecke lauert die Gefahr, den einfachen Weg zu wählen – doch von Burg spürt, dass die Wahrheit tiefer liegt. Als Bossert brutal zusammengeschlagen im Krankenhaus landet, verdichten sich die Hinweise: Der wahre Mörder ist ihnen näher, als sie ahnen.

Hinter den Kulissen

Die 311. Tatort-Folge „Rückfällig“ wurde vom Schweizer Fernsehen unter der Regie von Daniel Helfer vom frühen Frühjahr bis in den Hochsommer 1994 in Bern gedreht. Das historische Marzili-Bad, eines der ältesten Flussbäder Europas, spielt dabei nicht nur als Drehort eine zentrale Rolle – es wird zum atmosphärischen Mittelpunkt der Geschichte.

László I. Kish brilliert in seinem dritten Fall als nachdenklicher Detektivwachtmeister Philipp von Burg, während Ernst C. Sigrist als sein ehrgeiziger Assistent Markus Gertsch die moralischen Konflikte der Geschichte verschärft. In der komplexen Rolle des Manuel Bossert überzeugt Karl Spoerri, der für seine nuancierte Darstellung des vermeintlichen Täters von der Kritik besonders gelobt wurde.

Die Erstausstrahlung am 5. Juni 1995 erreichte mit 7,78 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von 26,0 Prozent einen der höchsten Werte des Jahres für einen Schweizer Tatort. Besonders die beklemmende Atmosphäre und die gesellschaftskritische Dimension wurden von den Kritikern hervorgehoben.

Nach der Ausstrahlung sorgte die Folge für intensive Diskussionen: Der reale Fall eines zu Unrecht Verdächtigten in der Schweiz wies erschreckende Parallelen zur Handlung auf. Das Drehbuch hatte die Ereignisse unbewusst vorweggenommen. Noch heute gilt „Rückfällig“ als eine der atmosphärisch dichtesten Folgen der Schweizer Tatort-Geschichte.

Besetzung

Kommissar Philippe von Burg – Laszlo I. Kish
Wachtmeister Markus Gertsch – Ernst C. Sigrist
Dr. Isabelle Schlegel – Verena Peter
Loredana Castelli – Andrea Gloggner
Manuel Bossert – Karl Spoerri
Lydia Andermatt, geb. Bossert – Anne – Marie Kuster
Jo Andermatt – Wolfgang Maria Bauer
Rolf Zehnder – Hans Schenker
Valerie Zehnder – Sybille Courvoisier

Stab

Regie – Daniel Helfer
Buch – Ulrike Bliefert Kish · Marcus P. Nester
Kamera – Martin Fuhrer
Schnitt – Lilo Gerber
Musik – Cyril Boehler
Produktion – SF

Erstsendung: 05.06.1995