Kurz und knapp – darum geht’s
Berlin im Bauboom der Nachwendezeit: Der Berliner Kaufhausbesitzer Lothar Studick wird erschossen in seiner Villa aufgefunden, nachdem kurz zuvor ein Beamter der Eigentumsbehörde und ein mysteriöser Amerikaner einem Profikiller zum Opfer fielen. Für Kommissar Ernst Roiter wird der Fall zur persönlichen Katastrophe, denn als Teilhaber an Studicks Bauprojekt profitiert er von dessen Tod und gerät selbst unter dringenden Tatverdacht. Als Roiter einer Verbindung zwischen den drei Morden auf die Spur kommt und die Behördenmitarbeiterin Katrin Mertineit ins Visier des Mörders gerät, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem er nicht nur ihres, sondern auch sein eigenes Leben retten muss…
Inhalt der Tatort-Folge „Mordsgeschäfte“
Grau und nebelverhangen liegt der Tegeler Forst im fahlen Morgenlicht, als der Schuss fällt. Manfred Lilienthal, ein unscheinbarer Abteilungsleiter der Eigentumsbehörde LAKEV, sinkt lautlos im toten Laub zusammen – ein präziser Kopfschuss aus dem Hinterhalt, der keine Fragen offenlässt. Kommissar Ernst Roiter und sein Assistent Michael Zorowski, von allen nur „Zorro“ genannt, stehen ratlos am Tatort. Die Spuren deuten auf einen Profikiller hin, doch das Motiv bleibt im Dunkeln wie die Schatten zwischen den kahlen Bäumen.
Kaum haben die Ermittler ihre Arbeit aufgenommen, erschüttert ein zweiter Mord die Stadt: Ein unbekannter Amerikaner wird niedergestreckt, ausgerechnet auf der Baustelle von Roiters Tennisfreund Lothar Studick in der Schützenstraße. Die gleiche Tatwaffe, der gleiche professionelle Stil. Der Verbindungspunkt: Studicks altes Familienbesitztum in Ostberlin, ein Kaufhaus, das wie ein Diamant in der grauen Nachwendezeit funkelt und zum Objekt grenzenloser Begierden geworden ist.
Die Spuren führen zu einem ehemaligen französischen Besatzungssoldaten, der als Scharfschütze sein tödliches Handwerk beherrscht wie kaum ein anderer. Seine Festnahme gleicht einem präzise choreografierten Tanz aus Feuer und Bewegung, der in einer Berliner Hinterhofwohnung sein Ende findet. Doch der Killer ist nur das Werkzeug – wer führt die Hand?
Die Antwort überschattet Roiters Leben wie eine dunkle Wolke, als am nächsten Morgen Studick tot in seiner luxuriösen Villa aufgefunden wird – erschossen mit seiner eigenen Waffe. Für Roiter bricht eine Welt zusammen, denn durch eine perfide Klausel im Gesellschaftervertrag wird er plötzlich Haupterbe des millionenschweren Projekts. Sein Vorgesetzter zieht die unvermeidlichen Konsequenzen: Roiter wird suspendiert, überall lauern misstrauische Blicke seiner Kollegen wie Dolche im Halbdunkel.
Während die Stadt draußen im hektischen Rhythmus des Wiederaufbaus pulsiert, zieht sich die Schlinge um Roiter immer enger. Die Suche nach dem wahren Täter gleicht der verzweifelten Jagd nach einem Phantom in den labyrinthischen Gängen der Behörden und Akten. Wer hatte ein Motiv? Der ambitionierte Architekt Eichhorn mit seinen finanziellen Schwierigkeiten? Oder der unauffällige Steuerberater Jacobi, dessen Vergangenheit so undurchsichtig scheint wie die Eigentumsverhältnisse in der Nachwendezeit?
Als sich die ehemalige LAKEV-Mitarbeiterin Katrin Mertineit hilfesuchend an Roiter wendet, beginnen die Puzzleteile sich langsam zusammenzufügen. Ihre Angst ist greifbar wie der kalte Schweiß auf ihrer Stirn – sie weiß mehr, als sie zunächst zugibt. Zwischen ihr und dem toten Lilienthal bestand eine heimliche Verbindung, nicht nur beruflicher Natur. Und der ermordete Amerikaner? Er trug den Namen Roman Testorp und war keineswegs ein Zufallsopfer.
Was sich schließlich in Lilienthals versteckter Luxusvilla enthüllt, ist ein Netz aus Lügen, Manipulationen und gefälschten Dokumenten, das bis in die Wirren der Nachwendezeit zurückreicht. Der Kampf um Eigentum und Identität, um verlorene Rechte und neue Chancen hat seine tödlichen Früchte getragen. Als Roiter und Zorro der Wahrheit ins Auge blicken, müssen sie erkennen, dass in den Mordsgeschäften der Wendezeit die Grenze zwischen Täter und Opfer manchmal so dünn ist wie die Akte, auf der ein manipulierter Eigentumstitel verzeichnet ist…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Mordsgeschäfte“ wurde vom Sender Freies Berlin (SFB) produziert und feierte seine Erstausstrahlung am 25. Mai 1997 im Ersten. Es handelt sich um den fünften Fall des Ermittlerduos Ernst Roiter und Michael „Zorro“ Zorowski, verkörpert von Winfried Glatzeder und Robinson Reichel. Die Dreharbeiten fanden vollständig in Berlin statt, wobei die boomende Baulandschaft der Nachwendezeit mit ihren zahllosen Baustellen eine eindrucksvolle Kulisse bot.
Eine Besonderheit der SFB-Tatorte mit Winfried Glatzeder war die damals ungewöhnliche Aufnahmetechnik: Statt auf herkömmlichem Filmmaterial wurden die Folgen mit Betacam-Videokameras gedreht, was ihnen eine charakteristische Videoclip-Ästhetik verlieh. Diese technische Entscheidung wurde von Kritikern häufig bemängelt, da sie dem klassischen Filmcharakter der Reihe widersprach.
Bei seiner Erstausstrahlung erreichte „Mordsgeschäfte“ 7,09 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 23,07 Prozent entsprach – ein respektables Ergebnis für die Berliner Tatort-Variante, die sich im Wettbewerb mit etablierteren Ermittlerteams behaupten musste.
Thematisch griff der Film ein hochaktuelles Thema der 1990er Jahre auf: die komplizierte Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach der deutschen Wiedervereinigung. Die „Landesanstalt zur Klärung ungeklärter Eigentumsverhältnisse“ (LAKEV) im Film spiegelt die tatsächlich existierenden Behörden wider, die mit der enormen Aufgabe betraut waren, enteignete Besitztümer an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben – ein Prozess, der in der Realität ähnlich anfällig für Korruption und Manipulation war wie im Tatort dargestellt.
Nach insgesamt zwölf Fällen endete die Ära des Berliner Ermittlerduos Roiter und Zorowski im Jahr 2000, bevor der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) 2003 mit einem neuen Team in die Tatort-Familie zurückkehrte.
Besetzung
Hauptkommissar Ernst Roiter – Winfried Glatzeder
Assistent Michael Zorowski – Robinson Reichel
Katrin – Leslie Malton
Studick – Felix von Manteuffel
Jacobi – Nikolaus Paryla
Huber – Hanns Zischler
Paczula – Heinz-Werner Kraehkamp
Stab
Drehbuch – Andreas Plüger
Regie – Jürgen Brauer
Produkte – SFB
Der Tatort aus Berlin mit der Nummer 361. Die Hauptkommissare Roiter und Zorowski von der Mordkommission, ermitteln in Fällen mehrerer Morde, begangen durch einen beauftragten Profi-Killer. Es geht um Fälle von Endeignungen in und dann wieder nach der DDR-Zeit, Grundstücks- und Eigentumsfragen, Betrogene und Betrüger, illoyale und geschmierte Beamte und um viel viel Geld. Dann taucht auch noch die Autonome-Szene von Berlin auf. Sehr interessanter und realistischer Tatort-Krimi aus den langsam auslaufenden 1990iger Jahren, über ungeklärte Eigentumsfragen aus den Zeiten der DDR und diesbezügliche kriminelle Machenschaften. Die augenscheinlich in Vergessenheit geratenen Tatort-Polizisten Roiter und Zorowski haben alle Hände voll zu tun, den Faden in diesem verstrickten Fall nicht zu verlieren. Sehenswert, insbesondere wegen der früheren Aufarbeitung der DDR-Machenschaften, die auch in anderen Tatort-Filmen dieses Duos zur Sprache kommt.