Kurz und knapp – darum geht’s
Eine Wasserleiche auf einem Hamburger Campingplatz reißt Kommissar Stoever aus seinem Englischkurs, den er eigentlich für seine neue Flamme aus London besucht. Während sein Kollege Brockmöller offiziell ermittelt, schlüpft Stoever in die Rolle eines Barpianisten, um undercover die merkwürdige Gemeinschaft der Dauercamper zu infiltrieren. Doch nicht nur die Kommissare suchen auf dem Platz nach Antworten – auch ein zweiter Fremder hat sich eingeschlichen und scheint ein ganz anderes Ziel zu verfolgen, das die Ermittler bald in größte Gefahr bringt…
Inhalt der Tatort-Folge „Undercover-Camping“
Völlig entnervt drückt Hauptkommissar Paul Stoever die Schulbank eines Englischkurses, dessen feuchte Frühlingsluft von den Vokabeln „English is a window to the world“ erfüllt ist. Die ganze Plage nimmt er nur auf sich, um bei seiner neuen Flamme, der Londoner Kommissarin Sally Braxton, besser „Süßholz raspeln“ zu können – so sieht es zumindest sein leicht eifersüchtiger Kollege Peter Brockmöller. Als eine gefesselte Wasserleiche auf einem Campingplatz an der Alster gefunden wird, kommt die Rettung: Stoever kann dem Sprachunterricht entfliehen, muss sich aber dafür als Barpianist „Paul R. Gründel“ unter die skurrile Gemeinschaft der Dauercamper mischen.
Mit seinem Luxuswohnwagen rollt Stoever auf den vom Frühlingsregen durchweichten Platz und erregt sofort Aufmerksamkeit. Die mütterliche Fricka Hackel stürzt sich fürsorglich auf den „Neuling“, während ihr Mann, der Fleischermeister, misstrauische Blicke auf den Eindringling wirft. Zur Camper-Gemeinschaft gehören auch der stets wachsame ehemalige Polizist und jetzige Platzwart Böhlich sowie dessen Lieblingsstreitpartner Robert Wagner, ein fanatischer Öko-Aktivist, dessen Stimme über den Platz hallt, wann immer er auf Böhlich trifft. „Das Leben ist wie ein Caravan ohne Räder. Wir sind alle Dauercamper auf der Prärie unserer Träume“, philosophiert einer der Bewohner, während Stoever versucht, die Gruppendynamik zu durchschauen.
Stoevers Ermittlungen werden zusätzlich verkompliziert, als er bemerkt, dass er nicht der einzige Fremde ist, der sich auf dem Campingplatz einquartiert hat. Ein angeblicher Deutschlehrer namens Jan Kott quartiert sich ebenfalls ein – und auch er scheint ein ganz spezielles Interesse an dem toten „Kahlscheid“ zu haben, der in Wirklichkeit ein polizeibekannter Einbrecher namens Rüdiger Köhler war. Die Fahndung nach dem Täter in der geschlossenen Campingplatz-Gemeinschaft gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, denn jeder scheint hier seine eigenen kleinen und großen Geheimnisse zu haben.
Während Kommissar Brockmöller von außen ermittelt, erkennt Stoever, dass die Spur zu Sofie führt, einem haltlosen jungen Mädchen, das von Fricka mütterlich umsorgt wird. Sie war mit dem Ermordeten liiert, und als Stoever dies herausfindet, bemerkt er nicht, dass sich auch der vermeintliche Deutschlehrer Kott zunehmend für sie interessiert. Als ein zweiter Toter gefunden wird, verstrickt sich der Fall immer weiter – und plötzlich findet sich Stoever inmitten einer gefährlichen Geiselnahme wieder, bei der nicht nur seine Tarnung, sondern auch sein Leben auf dem Spiel steht…
Hinter den Kulissen
Der Tatort „Undercover-Camping“ wurde vom Norddeutschen Rundfunk unter der Regie von Jürgen Bretzinger produziert und am 2. November 1997 erstmals im Ersten Programm der ARD ausgestrahlt. Das Drehbuch stammte von Michael Illner, der eine geschickte Mischung aus Kriminalfall und humorvoller Milieustudie erschuf. Die Dreharbeiten fanden im Frühjahr 1997, überwiegend auf einem Campingplatz an der Hamburger Alster statt.
Für Manfred Krug als Kriminalhauptkommissar Paul Stoever war es bereits der 32. Fall, während sein Kollege Charles Brauer als Peter Brockmöller zum 29. Mal ermittelte. Das beliebte Hamburger Ermittlerduo zeichnete sich besonders durch seine musikalischen Einlagen aus – auch in „Undercover-Camping“ singen die beiden gemeinsam das Lied „Goodie Goodie“ von Frankie Lymon, während Stoever solo den Schlager „Peterle“ von Mimi Thoma zum Besten gibt.
Bei der Erstausstrahlung erreichte der Film beeindruckende 10,67 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 29,02 Prozent entsprach – fast ein Drittel aller deutschen Fernsehzuschauer verfolgte damals die Ermittlungen auf dem Campingplatz. Obwohl der NDR den Film nicht in seine spätere Retrospektive der Stoever-Brockmöller-Ära aufnahm, gilt „Undercover-Camping“ unter Tatort-Fans als einer der besten und unterhaltsamsten Fälle des Hamburger Teams – nicht zuletzt wegen der gelungenen Milieustudie und der humorvollen Dialoge mit philosophischen Alltagsweisheiten.
Nach dem Tod von Manfred Krug im Oktober 2016 erlebte der Film eine erneute Wertschätzung, und viele Kritiker lobten ihn für seine zeitlose Qualität und klassische Machart, die mit Witz, Ironie und Menschlichkeit gepaart ist. Besonders die Darstellung der Campingplatz-Gemeinschaft als eigenständige kleine Welt voller skurriler Charaktere macht diesen Tatort zu einem besonderen Erlebnis, das auch heute noch Zuschauer begeistert.
Ui…ein Tatort mit Manfred Krug…der muss ja gut sein:)
War gut und auch zum schmunzeln!
Danke
Ach menno…der tatort lief doch erst im Fernsehen:( War ganz enttäuscht, als das mitbekommen hab. Da gibt es so viele Tatort Folgen und die Sender bekommen es nicht gebacken, sich abzustimmen.
Hallo, kann mir jemand sagen auf welchem Hamburger Campingplatz dieser Tatort „Undercover“ gedreht wurde ?
Einer der besten tatorte aus Hamburg.
Gut gemachter Tatort aus Hamburg. Manne als Camper der keine Ahnung hat (weder von Englisch noch wie sein vorletzter Campingwagen hieß – Marke Zigeuner). Spannend, menschlich und es wird auch wieder gesungen. Was will man mehr? Ein Klassiker!
Ich moechte heute noch einmal Angelas Frage vom 15.04.2012 aufgreifen: ist der Campingplatz, der als Drehort diente real? Falls ja, kann mir jemand sagen, wo er sich befindet? Ich moechte mit meinem „Zigeuner“ dort zelten.
Der Tatort mit der Nummer 374 aus der Elb-Stadt Hamburg und aus dem Jahr 1997. Der Hauptkommissar Stoever, von der dortigen Mordkommission, ermittelt zusammen mit dem Kollegen Brockmöller. Der ist auch Hauptkommissar, scheint es aber ab und an nicht zu wissen. Ein interessanter Tatort-Fernsehfilm mit den damals durchaus beliebten Tatort-Polizeibeamten, welche mit am besten die Polizeiarbeit filmisch auf den Krimi-Bildschirm bringen konnten. Ein richtiger Fan von denen war ich damals nicht, schaute aber gerne jeden Tatort mit den beiden Murren, wie auch diesen, der beiden lern- und weiterbildungsbedürftigen Mordermittler. Tolle Undercover-Arbeit von Stoever und auch Brockmöller hinterlässt eine gute Frisur. Aber damals wie heute war ich, zusammen mit meiner Frau, nie ein Anhänger des Camping-Urlaubs. Ehrlich.
Bitte Mehr Krug Tatorte!!!!!
War Super und endlich mal was Neues altes in der Wiederholung!
Schade, daß man all die schönen Krimis mit Manfred Krug im Fernsehen seinem Dahinscheiden zu verdanken hat. Hier steht jedenfalls Stoever ganz im Mittelpunkt, und man kann sich an seiner Schauspielkunst erfreuen. Das Zusammenspiel mit Brocki ist in voller Entfaltung. Auch die Veralberung der zeitgeistkonformen Hochschätzung der englishen Sprache trägt zur Heiterkeit bei. Daß auch die Handlung fesselt und keinen Augeblick Langeweile aufkommen läßt, erscheint da schon fast selbstverständlich. Das waren noch Zeiten.
Dieser Tatort gehört in die Top Ten. 90 Minuten Spaß und Spannung. Wunderbares zusammenspiel zwischen Brauer und Krug. Nur das runträllern nervt. Peterle oh Peterle aiaiaaiai no es bueno
Die Wirkung dieses Films ist überwiegend dem idyllischen Campingplatz geschuldet.
Die swinging Cops ermitteln im Camper Milieu sehr witzig und schräg aber das machte die beiden auch aus ich kenne keinen Fall mit Ihnen wo kein Humor drin vorgekommen ist das waren noch die guten alten Zeiten des Tatort schade das sie nicht mehr als Kommissare existieren R.I.P Manfred Krug
Toller Tatort der klassischen Art. Sehr sehenswert!
Ich habe diesen Tatort nach einigen Jahren nun erneut gesehen, und auch wenn man ihn kennt, verliert er nichts von seiner Ausnahmemestellung. Interessante Handlung, treffsichere Dialoge, Spielfreude der Darsteller und ein wunderbarer Ort der Handlung. Hier stimmt einfach alles und bereitet von Anfang bis Ende durchgehend ein großes Vergnügen. Und: Der Tatort mit Humor wurde nicht in Münster erfunden, sondern hier ist er mindestens ebenbürtig, nur weniger zotig. Fazit: Ein Klassiker, der ruhig öfter wiederholt werden könnte!
Manfred Krug war ja einer der talentierten, bekannten Schauspieler mit interessanter Vita: geboren in Duisburg, aufgewachsen in der DDR und noch viele Jahre vor der Wiedervereinigung, wieder zurück in die BRD. Bekannt wurde er in Westdeutschland Ende der Siebzigerjahre in der Serie „Auf Achse“.
Leider ließ er sich von Ron Sommer 1996 (damaliger Chef der Telekom) zu einer Werbung für die Telekom-Aktie überreden. Dies ging, im Nachhinein, was sein bis dato wirklich gutes Image betraf, ziemlich in die Hose.
Am 8. Februar 2022 wäre Manfred Krug, Jg. 37, 85 Jahre alt geworden (verst. 2016), weshalb der rbb mit dieser sehenswerten Folge an den großen Schauspieler & Chansonier erinnerte.
Der sein Privatleben nicht so ganz im Griff hatte wie seine Filmrollen, worüber die kürzlich von seinen drei Kindern freigegebenen Tagebuchnotizen Auskunft geben („Ich sammle mein Leben zusammen“ Tagebücher 1996-1997, Kanon-Verlag, Berlin).
Erlaubt sei eine Frage an die Verantwortlichen der NDR-Sendeanstalt: Warum habt ihr eigentlich nix zu diesem Gedenktag eures einstigen Zugpferds gebracht?
Man hätte ja mal ‚Fetischzauber‘ (lief letztmalig 2011) rausrücken können!
Diese Frage beantwortet das Ermittlerduo am Ende gleich selbst: „Wir sind keine Hamburger, wir sind Berliner!“ (was nicht ganz korrekt ist, denn Krug ist gebürtiger Duisburger; Brauer hingegen, der eigentlich Knetschke heißt, ist tatsächlich in Berlin zur Welt gekommen).
Um die aufgeworfene Frage bzgl. der Örtlichkeit zu beantworten: Der Campingplatz befindet sich vor den Toren Hamburgs am Großensee bei Trittau, worauf der Gasthof „Alter Dorfkrug“ hinweist.
Die Markensammlung des belgischen Königs Baudouin („Ich bau ihn nicht, bau du ihn“, frei nach Otto) ist futsch – aus dieser Petitesse entwickelt sich eine der besseren – wenn nicht sogar besten – Folgen des Hamburger Tandems, weshalb ich meinem Vorsatz „Kommentiere nur Folgen unter Nr. 300“ gern auf- und eine Bewertung abgebe:
Viereinhalb Sterne – so man sie denn vergeben könnte!
Beginnend mit einer wilden Schießerei in Antwerpen ist’s nur ein Katzensprung zur berühmten Treppe am Holländischbrookfleet in der Hamburger Speicherstadt, besser bekannt als „Fleetschlößchen“ (oder auch „Wasserschloß“). Und aus einigen Edgar-Wallace-Filmen der 60er Jahre – ‚Die toten Augen von London‘ und ‚Die seltsame Gräfin‘ lassen grüßen!
Ja, alles wurde in der Speicherstadt gedreht, Reisespesen fielen nicht an – das ist filmische Geografie, Fernsehen macht’s möglich!
Der Umschnitt von den Schüssen auf den im Wasser treibenden Komplizen zum anschließenden Fund einer Leiche am Ufer des Sees (der Alster, wie Stoever meint) ist sehenswert.
Gewürzt mit Witz und Ironie (Paul R. Gründel, Barpianist) werfen sich die Kommissare die Bälle und Sprüche nur so zu („Rasping sweetwood“, Brocki), ob beim Musizieren oder beim Telefonat mit einer gewissen Sally „Ich steh im Matsch and I love you so much“ sowie „English is the window to the world“, der gleich mehrmals auftaucht – samt flockigen Dialogen mit den Verdächtigen: „Frühstück ist das Dessert der Nacht“ (Stoever), „Ich hab’n Pech-Abo – unkündbar“ (Sofie) – Gelegenheit zum Schmunzeln gibt es häufig, und ein wenig menschelt es auch.
Englischkurse waren in den 80er/90er Jahren in vielen Firmen und Betrieben ‚en vogue‘, weil viele ältere Mitarbeiter es noch nicht in der Schule lernen konnten – bei uns Jüngeren hieß es dagegen „Thank you very much, Englisch lern‘ ist Quatsch“.
Einige Teilnehmer am Kurs seien genannt: Bretzinger mit Note 6 im schriftlichen Test ist der Regisseur und Sellentin mit ’ner 3 der Tontechniker.
Und sollte Paul Stoever (nur ’ne 5-, was nicht verwundert, war doch in der DDR Russisch die Fremdsprache Nr. 1) womöglich der Erfinder des Spruchs „Wie war das noch im Mittelteil?“ sein?
Der weiß seine Dienstwaffe übrigens vorzüglich zu führen, wie er im Finale beim Rettungsschuß beweist, bis dato ist er mir nicht als schießfreudiger Waffenfreund aufgefallen.
Beim Ensemble kann man sich nicht beklagen – „Das ist ja vom Feinsten“, würde Schimanski sagen: Die erfahrenen Theaterleute Hans Teuscher (siedelte 1988 in den Westen über) und Peter – aus der Schauspielerfamilie – Striebeck als Zampano des Campingplatzes, leider nur 2x im Tatort zu sehen gewesen (großartig in Dieter Wedels ‚Wilder Westen inclusive‘ von 1988; erhielt 2020 den Götz-George-Preis für verdienstvolle Schauspieler, den dessen Tochter Tanja seit 2018 vergibt).
Sven Martinek (auch nur 2x dabei), bekannt aus den Actionserien ‚Alarm für Cobra 11‘ und ‚Der Clown‘ sowie neuerdings ‚Morden im Norden‘ mit Ingo Naujoks (der ‚Wasauchimmer‘ von Frau Lindholm) gibt den Fiesling, besonders gut in der perfiden Szene mit dem Augenbrauenpiercing zu sehen; dann Theresa – Tochter von ‚Old‘ Henry – Hübchen (4x TO, u.a. im weggeschlossenen ‚Krokodilwächter‘ von 1996) und Horst Frank, der in ‚Timm Thaler‘ von 1979/80 den teuflischen Baron Lef[o]uet (!) gab – sehr gefällig die Einführungsszene, als er nur von hinten im Bild zu sehen ist und sich dann betont langsam dem Zuschauer zuwendet.
Am Ende halten wir es mit Shakespeare, den der brave Brocki beim Candlelight-Dinner im Wohnwagen vortrefflich rezitiert:
„Schnöde Taten, verbirgt sie die Erd auch, müssen sich verraten“.
Fußnote: Nicht unerwähnt bleiben darf die Personalie Doris J. Heinze, seinerzeit Fernsehspielchefin beim NDR: Stichwort „Drehbuch-Affäre“ …