Kurz und knapp – darum geht’s

Ein vermeintlicher Selbstmord entpuppt sich für Lena Odenthal als Mord, als sie herausfindet, dass der Tote Lutz Bergmann mit Medikamenten vergiftet wurde. Die Spuren führen zu einem Strukturvertrieb namens „Rocket Marketing“, für den das Opfer als charismatischer Verkäufer tätig war. Als die Kommissarin und ihr Kollege Mario Kopper tiefer in die zwielichtige Welt der Schneeballsysteme eintauchen, stoßen sie auf ein Netz aus Betrug, Ausbeutung und zerstörten Existenzen, in dem mehr als eine Person ein Motiv für den Mord gehabt haben könnte…

Inhalt der Tatort-Folge „Abgezockt“

Auf einer leeren Straße kracht ein Auto ungebremst gegen einen Brückenpfeiler. Doch was wie ein tragischer Selbstmord aussieht, lässt Kommissarin Lena Odenthal keine Ruhe. Noch am Abend zuvor hatte sie den Toten, Lutz Bergmann, beim Karatetraining kennengelernt – als selbstbewussten, lebensfrohen Mann, der sie mit seinem Charme beeindruckte. Ihr Instinkt sagt ihr: Dieser Mann hatte keinen Grund, sich umzubringen. Die Obduktion gibt ihr Recht: Im Blut des Opfers findet sich eine tödliche Mischung verschiedener Medikamente.

Bei ihren Ermittlungen im Umfeld des Toten begegnet Odenthal einem Netzwerk, in dem Freundschaft und Betrug eng beieinanderliegen. Ihre direkte Art und ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn lassen sie schnell anecken, besonders als sie auf Bergmanns Freund Ritchy trifft – einen smarten Verkäufer, dessen oberflächlicher Charme sie sofort misstrauisch macht. „Ich würde doch nie meinen besten Verkäufer umbringen“, behauptet er mit einem Lächeln, das Odenthal nicht überzeugt.

Gemeinsam mit ihrem Kollegen Mario Kopper, dessen bodenständige und pragmatische Art die Ermittlungen vorantreibt, deckt sie nach und nach auf, worum es bei dem dubiosen Unternehmen „Rocket Marketing“ wirklich geht. Das Geschäftsmodell gleicht einem Kartenhaus – jeder neue Verkäufer zahlt 5000 Euro Einstand für Ware, die kaum ein Zehntel wert ist, und kann nur durch Anwerben neuer Mitglieder Provisionen kassieren. Die glänzenden Versprechungen vom schnellen Reichtum und beruflichen Erfolg sind nichts als Fassade.

In einem schäbigen Apartment türmen sich bei Sus, der Ex-Freundin des Opfers, unverkäufliche Energydrinks bis zur Decke. Pauls Gesicht ist gezeichnet von den Folgen des finanziellen Ruins – durch die Teilnahme am Strukturvertrieb hat er nicht nur sein Haus, sondern auch seine Frau verloren. Zwischen energiegeladenen Werbeveranstaltungen, bei denen der charismatische Deutschland-Chef Max Hüllen wie ein Prediger auftritt, und leeren Energydrink-Dosen zeichnet sich für Odenthal und Kopper ein immer düstereres Bild.

Um tiefer in die Strukturen des Vertriebssystems einzudringen, schlüpft Kopper in die Rolle eines neuen Verkäufers. Was er dabei über die psychischen Manipulationstechniken erfährt, lässt selbst den erfahrenen Kommissar erschaudern. Die Liste der Verdächtigen wird immer länger: War es Ritchy, der seinen Freund aus Eifersucht tötete? Oder steckt Max Hüllen dahinter, den Bergmann zu erpressen drohte? Vielleicht war es auch einer der zahlreichen betrogenen Verkäufer, die durch Bergmanns Überredungskunst alles verloren hatten?

Als die Ermittler im Laptop des Toten eine merkwürdige Abschussliste finden, auf der auch die sanfte Pflegerin Ursula Schäfer verzeichnet ist, fügt sich plötzlich ein ganz neues Bild zusammen. Denn nicht nur hat die Frau ihre gesamte Familie in den finanziellen Ruin getrieben, indem sie sie für Rocket Marketing anwarb – sie hatte auch ein Verhältnis mit Ritchy, von dem ihr suizidgefährdeter Ehemann nichts wissen durfte…

Hinter den Kulissen

„Abgezockt“ ist die 568. Tatort-Folge und wurde als Produktion des Südwestrundfunks (SWR) am 16. Mai 2004 im Ersten Deutschen Fernsehen erstausgestrahlt. Der Film markierte den 31. Fall für die Ludwigshafener Ermittlerin Lena Odenthal, gespielt von Ulrike Folkerts, und den 22. Fall für ihren Kollegen Mario Kopper, verkörpert von Andreas Hoppe.

Unter der Regie von Christoph Stark, der sich auch durch seine Arbeit an der Psychothriller-Reihe „Bloch“ einen Namen gemacht hatte, entstand ein Krimi, der durch seine moderne, aber nie kühle Bildsprache überzeugte. Das Drehbuch stammte von Klaus-Peter Wolf, der eine dichte Geschichte mit zahlreichen Nebenhandlungen erschuf, ohne dabei den roten Faden zu verlieren.

Die Produktion trug während der Dreharbeiten zunächst den Arbeitstitel „Powerspiel“, bevor sie schließlich in „Abgezockt“ umbenannt wurde – ein Titel, der die Thematik des Films treffend auf den Punkt bringt. Bei der Erstausstrahlung verfolgten 8,19 Millionen Zuschauer die Sendung, was einem beachtlichen Marktanteil von 26 Prozent entsprach.

In der Kritik wurde besonders die konzentrierte Erzählweise und die dichte Atmosphäre des Films gelobt. Die Geschichte über die Macht der Verführung und das Spiel als Lebensprinzip bot nicht nur Spannung, sondern auch gesellschaftliche Relevanz. Insbesondere die moralische Entrüstung und emotionale Beteiligung der Ludwigshafener Kommissarin Odenthal, die sich als charakteristisches Merkmal der „Tatorte“ aus dem Südwesten etabliert hatte, kam bei den Zuschauern gut an und verlieh dem Fall eine persönliche Note.

Besetzung

Hauptkommissarin Lena Odenthal – Ulrike Folkerts
Mario Kopper – Andreas Hoppe
Ursula Schäfer – Anna Schudt
Lutz Bergmann – Tim Seyfi
Horst Huber – Volker Metzger
Becker-Spusi – Peter Espeloer
Frau Keller – Annalena Schmidt
Ritchy Horst – Sebastian Blomberg

Stab

Drehbuch – Klaus-Peter Wolf
Regie – Christoph Stark
Kamera – Jürgen Carle
Szenenbild – Christine Caspari
Musik – Thomas Osterhoff