Kurz und knapp – darum geht’s

Fabian Pavlou, erfolgreicher Außendienstler bei „Correct Inkasso“, ist auf dem abendlichen Rückweg zur Firma, als er Opfer eines brutalen Raubüberfalls wird. Als die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk eintreffen, stellen sie fest: Dienstwagen weg, Handy weg, Geld weg. Und von Pavlou selbst fehlt ebenso jede Spur. Gut möglich, dass sich einer seiner „Klienten“ an dem skrupellosen Schuldeneintreiber gerächt haben könnte. Und so tauchen die Ermittler ein in eine Parallelwelt aus Armut, Verzicht, Verschweigen, Scham, Angst, Wut und Verzweiflung, aus der es für die Betroffenen kein Entrinnen zu geben scheint. Und über allem schwebt die immer drängendere Frage, was wirklich mit Pavlou passiert ist – denn plötzlich sendet sein Handy wieder Signale …
Die ganze Geschichte ist am Sonntag, den 05.01.2025 um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.

Inhalt der Tatort-Folge „Restschuld“

Fünf Mal in Folge „Mitarbeiter des Jahres“ – keine Frage, Fabian Pavlou versteht sein Handwerk. Und das besteht vor allem aus einem: Geld eintreiben. Von Schuldnern, die im Zweifel renitent, manipulativ und generell asozial sind. Diese Vorstellung ihrer „Kundschaft“ scheinen die meisten Mitarbeiter bei „Correct Inkasso“ zu teilen. Und ebenso fragwürdig wie das Menschenbild sind auch die Methoden der Schuldeneintreiber: systematische Überwachung, Ausfragen von Nachbarn, Sturmklingeln, Daueranrufe – vor kaum etwas schrecken sie zurück. Und nun ist ausgerechnet Fabian Pavlou, einer ihrer Besten, verschwunden. Nach allem, was sein Ehemann David Gross am Handy mithören musste, ist er wohl Opfer eines Raubüberfalls geworden. Es passierte auf dem Rückweg nach Feierabend, direkt neben dem Firmengelände: Fabian hat einen E-Scooter angefahren, er ist ausgestiegen, dann: Gerangel, dumpfe Schläge – das war alles, was David mithören konnte, bevor er die Polizei verständigt hat.
Und die findet am mutmaßlichen Tatort im TV-Krimi „Restschuld“ zwar keine Leiche, dafür aber viel Blut, das sehr wahrscheinlich von Fabian Pavlou stammt. Sein Dienstwagen, mit dem er unterwegs war, ist verschwunden, ebenso sein Handy und sämtliche Einnahmen des Tages. Und als sie von Pavlous Kollegen erfahren, mit welchen Methoden bei „Correct Inkasso“ gearbeitet wird, verwundert es die Kölner Ermittler Max Ballauf und Freddy Schenk keineswegs, dass sie in seinen Kontakten jede Menge Leute finden, die schlecht auf ihn zu sprechen sind – um es zurückhaltend auszudrücken.
Da ist zum Beispiel Stefanie Schreiter, eine auf den ersten Blick solide Steuerfachangestellte, die aber mit der Finanzierung für das Start-up ihres Ex-Manns in den Sog der Schulden hineingeraten ist. Wohnen muss sie notgedrungen bei ihrem Vater, das Sorgerecht für ihre zwei Söhne hat sie verloren. Zuletzt hat Pavlou auch noch ihren Lohn pfänden lassen; als der entsprechende Bescheid ihrem Chef in die Hände fällt, verlässt sie fluchtartig ihren Arbeitsplatz – aus Scham, aber auch aus Verzweiflung. Ihren Söhnen verspricht sie kostspielige Shoppingtouren, obwohl sie sich doch eigentlich gar nichts leisten kann. Aber Stefanie Schreiter ist erfinderisch, wenn es darum geht, die Fassade aufrecht zu erhalten – doch wäre sie auch zu einem brutalen Raubmord in der Lage?
Noch aussichtsloser ist die Situation von Monika und Jost Lehnen, zwei weiteren Verdächtigen im Tatort „Restschuld“. Beide sind arbeitsunfähig, dennoch muss das Ehepaar weiterhin den Hauskredit abbezahlen. Kein Problem, solange Jost als Lehrer und Monika als Geigerin beim Rundfunkorchester gearbeitet hat – doch nun: Jost leidet am Burnout, seine Frau kann wegen einer Gelenkentzündung kein Instrument mehr spielen. Kredit um Kredit musste Jost bei der „Correct Inkasso“ aufnehmen, allein um seine alten Schulden zu begleichen – doch genützt hat es alles nichts: Fabian Pavlou hat ihm sogar mit der Zwangsversteigerung des Eigenheims gedroht. Ein perfektes Mordmotiv, doch Monika gibt ihrem Mann zunächst ein Alibi.
Das bräuchte auch Timo Eckhoff dringend, denn das Ermittlerduo Ballauf und Schenk interessiert sich sehr für ihn. Der Physiotherapeut steht ebenfalls mächtig in den Miesen und kommt einfach auf keinen grünen Zweig, obwohl er arbeitet bis zum Umfallen. Christa Dahmen, die alte Dame, bei der er als Untermieter fast umsonst wohnt, weil er für sie die Einkäufe und Gartenarbeiten erledigt, hat keine Idee, wo er stecken könnte, hat jedoch auch ganz andere Sorgen: Seit Wochen wurde die Stromrechnung nicht mehr beglichen, eine Sperre droht. Für die Bezahlung war immer Timo zuständig, aber nun ist sein Konto gesperrt. Und verantwortlich dafür ist – natürlich – Fabian Pavlou. Vielleicht aber kann Timos Schwester Annika Wójcik den Kommissaren helfen, ihren Bruder zu finden?
Vor allem Freddy Schenk gehen die menschlichen Schicksale nahe, mit denen die altgedienten Kriminalisten hier konfrontiert werden, während Kollege Ballauf das Prinzip der Selbstverantwortung hochhält: Wer einen Kredit aufnimmt, muss ihn auch irgendwann zurückzahlen – Ende der Durchsage. Und überhaupt: Die Kölner Kripo ist nicht die Caritas, sondern hat im WDR-Tatort „Restschuld“ einen Raubüberfall mit womöglich tödlichem Ausgang aufzuklären. Und vielleicht ist Pavlou sogar noch am Leben? Denn plötzlich sendet sein Handy wieder Signale. Es ist bisher die einzige Spur, die die Kommissare haben – doch wird sie ausreichen in einem Fall, in dem so viel Wut, Hass und Verzweiflung im Spiel sind?

Hinter den Kulissen

Drehbuchautorin Karlotta Ehrenberg ließ sich durch eigene Erfahrungen mit „Inkasso-Post“ inspirieren, aber auch durch Gespräche mit Schuldnerberatern, die ihr schilderten, dass Überschuldung ein Problem ist, das mittlerweile bis tief in die Mittelschicht hineinreicht. Im „Tatort: Restschuld“ wird dies an den drei beispielhaften Schicksalen deutlich: „In jeder der drei Schuldnergeschichten […] finden wir eine tragische Verkettung der Ereignisse, die zu Ohnmacht, Verzweiflung und Wut führen […]. Ich wollte dicht an den Figuren erzählen, was ihre Situation so ausweglos und verzweifelt macht, dass wir um sie ernsthaft bangen müssen. Zu einer unterschwelligen Spannung führen auch die Geheimnisse, die mit Schuldnergeschichten stets einhergehen; was hier jeweils verschwiegen und versteckt wird, bleibt bis zum Schluss offen“, so Ehrenberg.
Die Drehklappen für den mittlerweile 92. Einsatz der Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) fielen vom 14. November bis zum 14. Dezember 2023 in Köln. Zu sehen ist der Kriminalfilm des Westdeutschen Rundfunks am Sonntag, den 5. Januar 2025 um 20:15 Uhr im Ersten.

Tatort-Kritik

Die Redaktion von Tatort-Fans meint:
Zugegeben: „Restschuld“ ist mehr ein gesellschaftskritisches Sozialdrama als ein spannungsgeladener Krimi-Thriller. Das fängt an bei der ausführlichen Schilderung der drei Schuldnergeschichten, die zeitweise mehr im Fokus stehen als die eigentliche Verbrecherjagd, geht über die düster-melancholische Atmosphäre, die auch durch die Bildsprache und die dunklen, schweren Motive (Stichwort: Stein) unterstützt wird, und endet bei Details wie bestimmten Nachnamen: „Wójcik“ erinnert wohl nicht zufällig an Büchners „Woyzeck“, das erste große Sozialdrama in deutscher Sprache.
Ja, das alles ist moralisierend und teilweise schwer erträglich – und gerade deshalb sehr gut gemacht: Wenn man sieht, wie Frau Schreiter verzweifelt durchs Kaufhaus irrt und Frau Lehnen bei der Tafel klaut – dann muss man einfach Mitgefühl mit diesen tragischen Figuren empfinden.
Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, hinter die brüchige Fassade schauen – das können sie einfach in Köln. Und das ist gut so, denn dieser gleichsam kritische wie empathische Blick ist nötiger denn je.

Besetzung

Hauptkommissar Max Ballauf – Klaus J. Behrendt
Hauptkommissar Freddy Schenk – Dietmar Bär
Oberkommissar Norbert Jütte – Roland Riebeling
Kriminaltechnikerin Natalie Förster – Tinka Fürst
Stefanie Schreiter – Katharina Marie Schubert
Monika Lehnen – Tilla Kratochwil
Jost Lehnen – Roman Knižka
Susanne Peters – Tanja Schleiff
Timo Eckhoff – Ben Münchow
Christa Dahmen – Gabriele Schulze
Annika Wójcik – Lea Gerstenkorn
Marcin Wójcik – Sebastian Hülk
Silja Mayer – Karolina Horster
Fabian Pavlou – Thomas Hauser
David Gross – Vladimir Korneev
Thorsten Kohlmann – Daniel Wandelt
u. v. a.

Stab

Drehbuch – Karlotta Ehrenberg
Regie – Claudia Garde
Kamera – Lena Katharina Krause
Musik – Florian Tessloff
Casting – Siegfried Wagner
Kostümbild – Petra Kray
Szenenbild – Julian Augustin
Maske – Ulrike Bruns-Giffel, Peggy Lilkendey
Ton – Matthias Haeb
Licht – Gilmar Steinig
Schnitt – Claudia Wolscht
Produktionsleitung – David Hils
Produktionsleitung (WDR) – Oliver Wißmann
Herstellungsleitung – Jens Metzler
Produzent – Jan Kruse
Redaktion – Götz Bolten