Kurz und knapp – darum geht’s
Ein niedergebrannter Bauernhof und eine tote Frau – hinter beiden Verbrechen soll Leo Koczyk stecken, der in Untersuchungshaft auf seinen Prozess wartet. Nach monatelangem Leugnen überrascht der Bauer plötzlich mit einem Geständnis gegenüber seinem Zellengenossen: Ja, er habe seine Schwägerin Thea getötet, weil sie ihn mit ihrem Wissen über seine Brandstiftung erpresst habe. Oberinspektor Veigl, der den Fall noch einmal aufrollen muss, spürt jedoch Unstimmigkeiten in der scheinbar klaren Beweislage. Als der Münchner Ermittler beginnt, im Umfeld des beschaulichen Dorfs und einer örtlichen Ziegelfabrik nachzuforschen, gerät er selbst ins Visier des wahren Täters…
Inhalt der Tatort-Folge „Das zweite Geständnis“
Grauer Beton und kaltes Neonlicht: Rastlos wandert Leo Koczyk in seiner engen Gefängniszelle auf und ab, während sein Mitinsasse Huber ihn mit Sticheleien provoziert. Als Huber ihm auch noch sein karges Abendessen stiehlt, platzt dem sonst so kontrollierten Bauern der Kragen. „Ich hab die Thea umgebracht, und dich krieg ich auch noch!“, schreit Koczyk im Affekt. Ein folgenschwerer Ausbruch – denn am nächsten Morgen steht sein Mordprozess an, und Huber wird nicht zögern, das vermeintliche Geständnis weiterzugeben.
Die Münchner Frühlingssonne wirft lange Schatten durch das Fenster des Gerichtssaals, als Oberinspektor Melchior Veigl zur Vernehmung hinzugerufen wird. Mit seiner behäbigen, aber scharfsinnigen Art hat der bayerische Ermittler bereits den Brandfall auf Koczyks Hof untersucht, ohne zu einem eindeutigen Ergebnis zu kommen. Nun soll er prüfen, ob das nächtliche Geständnis des Bauern glaubwürdig ist.
Veigls Kollege Brettschneider erinnert sich noch gut an die Ermittlungen nach dem Brand: Koczyk hatte damals behauptet, Nachbarskinder hätten in seiner Scheune gezündelt. Seine Schwägerin Thea hatte diese Version bestätigt – dieselbe Thea, die wenige Wochen später erwürgt aufgefunden wurde. Der Verdacht gegen Koczyk schien erdrückend: widersprüchliche Aussagen, Fahrradspuren am Tatort, ein Zeuge, der ihn mit Thea gesehen hatte.
„Die Spuren am Tatort sind eindeutig“, versichert der Staatsanwalt, doch Veigl bleibt skeptisch. Etwas an der Geschichte passt nicht zusammen, wie Puzzleteile aus verschiedenen Schachteln. Warum sollte ein Bauer erst sein eigenes Anwesen anzünden und dann seine Mitwisserin beseitigen, die seine Alibi-Zeugin war?
Die Fahrt zum Tatort führt Veigl durch eine ländliche Idylle, die mit ihren sanften Hügeln und gepflegten Bauernhöfen wie ein Bilderbuch wirkt – nur Koczyks abgebrannter Hof steht als schwarzer Fleck in dieser Landschaft. In der Dorfgaststätte, wo Thea gearbeitet hatte, trifft Veigl auf Koczyks Frau, die auffällig vertraut mit Otto Tamm zu sein scheint, einem technischen Leiter der örtlichen Ziegelfabrik. Der Wirt flüstert Veigl zu: „Die beiden sieht man öfter zusammen, seit der Leo im Gefängnis sitzt.“
Veigls Gespräch mit dem Ziegelfabrikbesitzer Mergentheimer wirft neue Fragen auf. Thea hatte vor ihrem Tod einen Deal mit ihm aushandeln wollen: Sie würde ihren Schwager zwingen, ein wertvolles Ackergrundstück zu verkaufen, das für die Fabrik lebenswichtig schien – und sie besaß angeblich einen Beweis für Koczyks Schuld an der Brandstiftung. Doch dann kam alles anders.
Die Rekonstruktion der Tatnacht vor Ort gleicht einem bizarren Schauspiel: Mit Koczyks schadhaftem Fahrrad kann der Transport des Opfers zum Tatort nicht funktioniert haben, wie von der Anklage behauptet. „Das halte ich nicht mehr für plausibel“, notiert Veigl, während die Dämmerung über dem Tatort hereinbricht und die Silhouette der Ziegelfabrik am Horizont bedrohlich wirkt.
Als Veigl erfährt, dass die Fabrik ihre Produktion trotz des fehlenden Grundstücks bereits umgestellt hat, beginnt er, den Fall aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Seine Ermittlungen führen ihn zu einer alkoholisierten Sekretärin, zu heimlich abgefangenen Briefen und schließlich zu einem verborgenen Schreiben, das Thea kurz vor ihrem Tod verfasst hatte – ein Schreiben, das für jemanden im Dorf gefährlicher war als für Koczyk selbst.
„Es war also nie um den Bauern gegangen“, murmelt Veigl, als sich die Wahrheit langsam vor ihm entfaltet. Während er im Gefängnis erneut auf Koczyk trifft, der zwar die Brandstiftung, nicht aber den Mord gesteht, ahnt Veigl bereits, wer der wahre Täter sein muss. Die entscheidende Konfrontation steht ihm noch bevor – und der Mörder hat nichts mehr zu verlieren…
Hinter den Kulissen
„Das zweite Geständnis“ ist die 51. Folge der Tatort-Reihe und wurde vom Bayerischen Rundfunk produziert. Am 11. Mai 1975 flimmerte der sechste Fall von Kriminaloberinspektor Veigl, verkörpert vom bayerischen Urgestein Gustl Bayrhammer, über die deutschen Bildschirme.
Für die Inszenierung zeichnete sich Regisseur Wilm ten Haaf verantwortlich, der mehrere Veigl-Tatort-Folgen realisierte. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Michael Molsner. Die Dreharbeiten fanden in München und Umgebung statt, wobei besonders die ländlichen Szenen authentisch das Bayern der 1970er Jahre einfangen.
In der Besetzung findet sich eine besondere familiäre Konstellation: Veronika und Lisa Fitz, die im Film Schwestern spielen, sind im tatsächlichen Leben Tante und Nichte. In der Rolle des Bauern Leo Koczyk ist Wilmut Borell zu sehen, während Heinz Schimmelpfennig als Gastkommissar Franz Gerber aus Baden-Baden auftritt.
Bei der Erstausstrahlung erzielte die Folge einen beeindruckenden Marktanteil von 51 Prozent – mehr als die Hälfte aller Fernsehzuschauer verfolgten damals die kniffligen Ermittlungen des gemütlichen, aber scharfsinnigen Oberinspektors Veigl. Die Episode gilt unter Kennern als klassischer 70er-Jahre-Tatort, der mit seiner bedächtigen Erzählweise und den psychologisch komplexen Charakteren den typischen Stil dieser Ära repräsentiert.
Nach der Ausstrahlung wurde besonders die Darstellung des Konflikts zwischen ländlicher Tradition und wirtschaftlichen Interessen diskutiert – ein Thema, das in den 70er Jahren mit dem zunehmenden Strukturwandel in vielen bayerischen Dörfern hohe Aktualität besaß.
Besetzung
Oberinspektor Veigl – Gustl Bayrhammer
Kriminalobermeister Meindl – Eberhard Peiker
Kriminaloberwachtmeister Lenz – Helmut Fischer
Kriminalwachtmeister Brettschneider – Willy Harlander
Kriminalkommissar Gerber – Heinz Schimmelpfennig
Kriminalrat Härtinger – Hans Baur
Staatsanwalt – Thorwald Lössl
Adelheid Koczyk – Veronika Fitz
Leo Koczyk – Wilmut Borell
Thea Schwaiger – Lisa Fitz
Verteidigerin Frau Dr. Saarstedt – Eva Christian
Jonny Mergentheimer – Siegfried Raudch
Otto Tamm – Peter Schiff
u.a.
Stab
Drehbuch – Michael Molsner
Regie – Wilm ten Haaf
Musik – Arpad Bondy
Bilder: BR/Foto Sessner
Gedreht wurden einige Sequenzen Ende 1974 / Anfang 1975 im Landkreis Erding. Das Waldcafe befindet sich in Buch am Buchrain und die Ziegelfabrik in Isen – beide sind noch in Betrieb, das Waldcafe nach knapp 40 Jahren natürlich in renoviertem Zustand.
Ich würde diese Folge gerne mal wieder sehen. Aber weder bei YouToube, wo man die meisten alten Tatorte sehen kann, noch bei Amazon oder sonst irgendwo findet man das Video. Kann mit jemand einen Tip geben ??
Der Tatort mit der Nummer 051 aus dem Jahr 1975. Ja! Und es tritt auf der Oberinspektor Veigl, zusammen mit seinen Mithelfern, dem Brettschneider und dem Lenz. Und eine Adelheid Koczyk kommt auf die bajuwarische Bühne. Mir aus der Erstsendung immer noch bekannt. Dieser, nach meiner Meinung nach, eher mittelmäßige Tatort-Fernsehfilm, vertritt trotzdem einen Kult-Status. Tiefste landmännische Traditionen suchen ihre strafrechtliche Ahndungen. Und dafür zeichnet der Veigl nun einmal ab, seine unbestechliche Beamtenseele bei der Münchener Mordkommission, arbeitet unerbittlich der Gerechtigkeit zur Genüge und ist nur augenscheinlich behäbig. Dieser Kult-Kommissar der 1970ziger Jahren, konnte aber, trotz großer Sympathie, nicht den Haferkamp aus Essen oder den Finke aus Kiel toppen. Trotzdem, ein sehens- und wiederholungswerter Tatort-Spielfilm. Und die authentischen Drehkulissen sind heute noch vorhanden. Ist doch toll.
Die Sender wie ARD ZDF Br WDR usw. könnten viel mehr alte Serien bringen. Nachts würden das bestimmt viele schauen, gerade ältere Menschen wo Nachts nicht schlafen können. So toll ist viel von dem neuen Zeug nicht. Lg Mel
Richtig Klasse dieser Münchner Tatort mit Kommissar Veigl. Sehr gut besetzt und Klasse umgesetzt. Schönes Piano Spiel im Hintergrund. Super 5 Sterne
Schönes Kriminalstück, spannend inszeniert. Gustl Bayerhammer alias Veigl nebst seinen Kollegen sind eine angenehm sympathische Besetzung gewesen, wie sie heute wohl nicht mehr gelingen mag. Warum eigentlich nicht?
Ein echter Krimi, bei dem es um Mord aus Habgier geht, mit verschlungen angelegten Handlungen. Gut gemacht und gut gespielt, wenn auch der ganz große Wurf es nicht war. Aber sehr empfehlenswert.
Und ewig rauschen die Wälder! Gerade angeschaut und das war es Wer!
Grüße gehen raus aus München!
Sehr guter Tatort, man kann die Handlung gut verfolgen. Die Darsteller sind gut zu verstehen.
Leider ist dies bei den neuen „Tatorten“ kaum der Fall! Schade, dass solche Sendungen nicht
öfters kommen.
Das war wieder ein Abend, drei alte Tatorte hintereinander, absolut genial. Diesen kannte ich noch nicht. Spannend gemacht, nicht so leicht durchschaubar, und gute Schauspieler. Er wirkte auch nicht so künstlich, sondern ziemlich real. Und auch die Örtlichkeiten passten hervorragend.
Wenn man öfters Filme aus den 70er Jahren anschaut, sind auch die Nebendarsteller nicht mehr so unbekannt, wie z.B. Eva Christian, die in der Serie „Drüben bei Lehmanns“ mitspielt. Auch interessant war die Tatsache, dass die Feuerwehr teilweise rote Helme hatte; genauso wie die Playmobil-Männchen aus der damaligen Zeit.
Der BR sendet die alten Tatorte in 16:9. Das finde ich richtig gut. Ausser BR und WDR macht das sonst kaum ein Sender. Ich hoffe, dass noch mehr alte Tatorte kommen. Fans gibt es jedenfalls viele.
Oberinspektor Veigl alias Gustl Bayrhammer, war auch ein Unikum in dieser damaligen filmischen Tatort-Zeit; nebst Kollegen. Schwierig zu toppen, fast unmöglich.
Lisa Fitz noch ganz jung; wird dieses Jahr 70.
Zu den Autos sei noch anzumerken: die alten 02er BMW`s noch mit runden Rückleuchten ausgestattet; ab`75 waren diese dann in rechteckiger Ausführung. Der VW Passat I, bereits als Polizeiwagen. 1975 kam dieses Modell erst auf den Markt (indirekte Werbung?). Und natürlich ein SL Cabrio von Mercedes; dieses Modell war damals auch noch nicht allzulange erhältlich. War übrigens eine Top-Karte im Auto-Quartett.
Ja, da hast du recht. Die alten Autos sind auch ein guter Grund, die früheren Tatorte anzuschauen. Der Mercedes (vermutlich ein 350SL) ist mein absolutes Lieblingsauto. Wenn man Glück hat, kommen die alten Autos auch in neueren Filmen vor, wie z.B. genau dieser Mercedes in „Der letzte Lude“ (am Anfang; in gold).
Die alten Tatorte sind natürlich ein Garant für alte Autos.
3er-Pack Veigl am 10. April 2021 beim BR, darunter zwei Premieren – der Nostalgiker hat alle Hände voll zu tun!
Der Auftaktfolge vermag ich nicht 5 Sterne zu geben, allzu gemächlich kommt der – zugegeben reichlich verzwickte – Fall daher. Schon etwas skurril mutet der Beginn an, Koczyk liegt in der Zelle auf dem Bett und betet: „Ich bin klein, mein Herz ist rein…“ Was mag das wohl werden?
Aber 4 Sterne gibts allemal, ist er doch spannend aufgebaut, und es wird jede Menge Personal aufgeboten:
Die Damen Veronika & Lisa* Fitz, im echten Leben Tante (‚Die Hausmeisterin‘ Haslbeck) & Nichte (Kabarettistin) als Schwestern mit Zündpotential und Siegfried Rauch*, unvergessen als Käpt’n vom Traumschiff und Erich Stahler in Steve McQueens epochalem Film ‚Le Mans‘ (sehr empfehlenswert ist das Buch „Unser Le Mans – Der Film. Die Freudschaft. Die Fakten“ hrsg. von Hans Hamer, Delius Klasing 2016), ist in der Rolle des Jonny Mergentheimer ist schon mal ein Kandidat im Kreis der Verdächtigen.
Dann ist da der zurückhaltende, freundliche Oberingenieur Otto Tamm, verkörpert von Peter Schiff*: Da hab ich immer die Stimme von HAL, dem freundlichen Computer aus ‚2001: Odyssee im Weltraum‘ im Ohr!
Allen voran jedoch der Hauptverdächtige Leo Koczyk „aus der DDR“, Wilmut Borell – der mir, das muß ich zugeben, bislang unbekannt war. Er bestach durch eindrucksvolle Präsenz, war lt. Wikipedia in den 60/70/80er Jahren oft in Serien zu sehen, erinnert mich ein wenig an Edgar Selge.
Beides gelernte Bühnenschauspieler halt…
Der hatte Dreck am Stecken, das war klar, aber Mord? Da kämen doch eher der smarte Herr Mergentheimer im grünen 350 SL-Roadster oder sein Prokurist Tamm in Frage, der nur nen roten Fiat 125 fährt und in recht bescheidenen Verhältnissen lebt, worauf auch das äußerst karge Wohnzimmer hindeutet.
Kleinigkeiten, am Rande wahrgenommen: Der Enzian blühte noch blau; früher war alles Bio, die Kühe hatten Hörner und bekamen hackgeschnitzelte Rüben als Futter; das schwarz gerahmte Erinnerungsfoto von Dackel Oswald auf Veigls Schreibtisch; das hölzerne Ungetüm von Fernschreiber aus den 50er Jahren im Büro des Kriminalrats – und ein déjà-vu: Eva Christian, die Verteidigerin, haben wir kürzlich erst als Mordopfer Eva Konalsky in ‚Saarbrücken, an einem Montag‘ gesehen.
* Diese Namen vermisse ich in der Besetzungsliste:
Thea Schwaiger – Lisa Fitz
Jonny Mergentheimer – Siegfried Rauch
Otto Tamm – Peter Schiff
Sodele, jetzt auf zum nächsten Fall: 094 Schwarze Einser!
@Al.Ter
Sind Sie sich wirklich sicher, dass der Prokurist Tamm einen Fiat 125 fuhr? Mir kam es so vor, dass dies ein roter Simca (nicht mehr existierende französische Marke) war. Kann mich aber auch irren.
@Smokie
Ja, ist tlw. schwer auseinanderzuhalten, bei unklarer Lage konsultiere ich gerne die IMCDb.org, die Angaben dort sind recht zuverlässig: imcdb.org/movie_73938-Tatort-Das-zweite-Gestandnis.html
Ähnlich bei ‚Schwarze Einser‘: Da kommt zu Beginn in der Auffahrt ein grüner Fiat zum Stehen, ich hätte ihn für einen 131 Mirafiori gehalten (Röhrl/Geistdörfer wurden 1980 mit dem Rallye-Weltmeister!), lt. imcdb.org soll es jedoch der Typ 132 sein.
Ja Simca, welch ein Name, ging bedauerlicherweise mit dem franz. Konglomerat Matra-Simca-Talbot unter.