Kurz und knapp – darum geht’s
Eine 51-jährige Witwe wird nachts erwürgt in einem Hannoveraner Park aufgefunden – mit leerem Portemonnaie, aber wertvollem Schmuck am Körper. Hauptkommissar Heinz Brammer, gerade erst in die Stadt versetzt, übernimmt den Fall als seine erste Ermittlung in Hannover. Schnell wird klar, dass die Tote ein unstetes Leben führte und zahlreiche Männerbekanntschaften in Kneipen pflegte. Als Brammer und sein misstrauischer Assistent Henkel den Verdächtigen immer weiter auf die Spur kommen, geraten sie in einen Strudel aus Lügen, Eifersucht und unerwarteter Gewalt…
Inhalt der Tatort-Folge „Kneipenbekanntschaft“
Mit Gitarre und Schlapphut betritt Hauptkommissar Brammer sein neues Büro im Ersten Kommissariat Hannover, während draußen der Novemberregen gegen die Fenster prasselt. Die skeptischen Blicke seiner Kollegen perlen an ihm ab wie das Wasser an seinem Ledermantel. Denn der Neue hat Rückendeckung – kein Geringerer als Udo Lindenberg hat ihn am Vorabend im „Onkel Pö“ musikalisch verabschiedet.
Seine Einstandsfeier wird jäh unterbrochen: Das gelbliche Licht der Straßenlaternen wirft gespenstische Schatten auf die Leiche einer älteren Dame im Park. Anna Schmidt, 51 Jahre, wohlhabende Witwe, wurde mit einem Strumpf erdrosselt. Ihr Geldbeutel ist leer, der teure Schmuck aber noch an ihrem Körper – ein Raubmord, der keiner ist.
Die Vernehmungen führen Brammer und seinen widerspenstigen Assistenten Henkel in ein Labyrinth aus Kneipen, in denen Biergläser klirren und Zigarettenrauch die Luft trübt. Hier war Anna Schmidt Stammgast, suchte die Gesellschaft deutlich jüngerer Männer. „Die kam immer allein und ging selten so“, raunt die Wirtin vielsagend. „Und zahlte oft für die Herren mit.“
Das missbilligende Gesicht ihres Stiefsohns Horst Schmidt spricht Bände: „Diese Kneipenbekanntschaften entstammten einem schlechten Milieu“, behauptet er steif. Hatte er sie tatsächlich entmündigen lassen wollen? Oder war es der Bierfahrer Kolltasch, dessen Verhältnis mit der älteren Dame seinen Stolz verletzte? Der Herrenausstatter Höfer schuldet ihr Geld, behauptet aber, sie sei seine Geschäftspartnerin gewesen. Der Binnenschiffer Lörring mit den zerkratzten Händen schweigt beharrlich.
Im Polizeipräsidium an der Waterloostraße laufen die Fäden zusammen. Die Ermittlung gleicht einem Puzzle, dessen Teile nicht passen wollen. Während Brammer nachts seine Gitarre zupft, ahnt er nicht, dass ihm der entscheidende Hinweis längst vorliegt – die Lösung des Falls ist verknüpft wie ein Seemannsknoten…
Hinter den Kulissen
Die Tatort-Folge „Kneipenbekanntschaft“ ist nicht nur das Debüt von Knut Hinz als Hauptkommissar Brammer, sondern auch die erste Episode, die in Niedersachsen spielt. Die Dreharbeiten fanden vom 2. bis 27. September 1974 in Hannover statt, wobei für die Außenaufnahmen das tatsächliche Gebäude der Polizeidirektion in der Waterloostraße genutzt wurde.
Für den NDR als „Drei-Länder-Anstalt“ war es wichtig, neben Hamburg und Schleswig-Holstein auch Niedersachsen als Tatort-Standort zu etablieren. Regie führte Jörg-Michael Baldenius, der zuvor vor allem als Kameramann mit Wolfgang Petersen zusammengearbeitet hatte. Das Drehbuch stammte aus der Feder von Rüdiger Humpert und dem renommierten Dramaturgen Hans Drawe.
Eine Besonderheit der Produktion war die Besetzung: Neben dem Gastauftritt von Udo Lindenberg und seinem Panikorchester trat auch Klaus Schwarzkopf als Kieler Kommissar Finke auf. In den Nebenrollen versammelte der NDR etablierte Hamburger Schauspieler wie Hans Fitze, Gerhard Hartig, Gustav Burmeester und Ferdinand Dux.
Bei der Erstausstrahlung am 10. November 1974 erreichte „Kneipenbekanntschaft“ einen beeindruckenden Marktanteil von 68 Prozent – das Publikum honorierte den tempoarmen, aber realistischen Kriminalfall, der die deutschen Moralvorstellungen der 70er Jahre ungeschönt widerspiegelte. Film-Experten loben bis heute die dokumentarische Qualität einiger Szenen, in denen die „Vierte Wand“ durchbrochen wird, sowie die hervorragende Kameraführung von Frank A. Banuscher.
Besetzung
Kommissar Brammer – Knut Hinz
Kriminalhauptmeister Henkel – Günther Heising
Ossi Lörring, Binnenschiffer – Dieter Prochnow
Herr Höfer, Herrenausstatter – Karl Michael Vogler
Marga Höfer, seine Frau – Rosemarie Fendel
Frau Schmidt, seine Frau – Hanni Vanhaiden
Eva Meinert, seine Freundin – Edda Pastor
Horst Schmidt, Kohlenhändler – Til Erwig
Lore, Bedienung – Dorothea Kaiser
Peter Jacob, Hilsarbeiter – Gottfried Kramer
Kriminalobermeister Leibig – Günther Bothur
Fräulein Waller, Verkäuferin – Marina Genschow
Frau Schneider, Brammers Sekretärin – Uta von Mickwitz
Kriminalobermeister Batke – Hartmut Rütting
Hermann Kolltasch, Bierfahrer – Peter Kuiper
Kommissar Finke aus Kiel – Klaus Schwarzkopf
Stab
Regie: Jörg-Michael Baldenius
Kamera: Frank A. Banuscher
Musik: Rolf Kühn
Produktionsleitung: Günter Handke
Produktionsleitung: Dieter Meichsner
S/B: Gonsela-Beatrix Dahlke
Autor: Hans Drawe
Autor: Rüdiger Humpert
zunächst: ich finde dieses Archiv ganz exzellent!
aber bei dieser Folge – wie auch bei anderen – würde ich die Angabe des ORTs begrüßen!
außerdem habe ich bemerkt, dass bei manchen Folgen in der Aufzählung der Darsteller der Hauptdarsteller (also der jeweilige Ermittler) ausgelassen wird – die Kenntnis „Kommissar xy = Darsteller xy“ wird offensichtlich vorausgesetzt
Grüße an alle Fans
Der neue Dienststellenleiter Kommissar Brammer mit Gitarre und Schlapphut. Verworrene Story, aber trotzdem noch Unterhaltsam. Der neue Kommissar ist allerdings kein wahres Highlight.
Der Tatort 045. Ein solider und logisch aufgebauter Kriminalfilm, wie aus einer Ermittlungsakte der Stadtpolizei von Hannover. Die Anzahl der Verdächtigen in einem Mordfall, an einer, auf Kneipentouren und Männerbekanntschaft festgelegten und finanziell unabhängigen Fuffi, sind enorm und liegen in der Gesellschaftsschicht ganz oben und auch ganz unten. Der neue und nunmehr zuständige Hauptkommissar Brammer, der seinen Stellvertreter aufgrund der besseren Ausbildung bei Besetzung des Postens übertrumpft hatte, ermittelt penibel und nimmt auch die Hilfe von Hauptkommissar Finke aus Kiel in Anspruch, da sich der Fall auf die Binnenschifffahrt und Wasserstraßen konzentriert. Interessanter Tatortspielfilm mit Panik-Udo-Schmusi als Nebendarsteller. Diesen Tatort habe ich in Erstsendung gesehen, stand aber, wie die gesamte damalige Clique eher auf Slade, Sweet, Depp Purple und Alice Cooper. Aber so einen Mantel wie Brammer, mit Fellkragen, habe ich tatsächlich auch getragen, damals noch zweirädrig motorisiert. Seltener im Tatort. Der Täter entkam, der Fall konnte trotzdem at acta gelegt werden.
Der Täter entkam?
Habe ich da was verpasst?
Der Täter (Dieter Prochnow) lief vor der Polizei davon, lief blindlings auf die Straße, oder vielleicht sogar mit Absicht und wurde von einem Sandkipper mit Anhänger erfasst.
Wieso jener Anhänger sich dabei allerdings auf die Seite legte, bleibt mir als Berufskraftfahrer ein Rätsel.
Der Zugwagen ist auch ein schönes Highlight.
Daimler-Benz mit langer Schnauze
ziemlich chaotische und unlogische geschichte.
nicht gerade fesselnd, wie auch die umsetzung.
Richtig guter Fall aus Hannover. Kommissar Brammer ist mir äußerst sympatisch. Klasse
@ HK-S
Der Täter entkam…seiner gerechten Strafe…(durch Unfall/Suizid)… der Fall konnte trotzdem…
Sorry
Zusammenhanglose, undursichtige Handlung.
Spannungsarm und lieblos inszeniert.
Ein Tiefpunkt in der Tatortreihe.
Udo Lindenberg, auch bekannt als Panik-Rocker, feierte am 17. Mai seinen 75. Geburtstag – der gut informierte Tatort-Fan weiß um dessen Verdienste, die er sich als Trommler in Klaus Doldingers Band für die Titelmelodie erwarb.
Dazu griff der NDR tief ins Schatzkästlein und förderte die erste Brammer-Folge zutage – lt. fernsehserien.de überhaupt erst die dritte Ausstrahlung nach der ES 1974 und Wh. 2008.
Udo damals noch ohne die Markenzeichen Sonnenbrille & den albernen Hut – nun wissen wir, woher Udo die Marotte mit dem Hut hat: Brammers breitkrempige Kopfbedeckung hat ihn wohl dazu inspiriert! :) Die Sonnenbrille hat er schon als Kleinkind getragen, das ist auf Fotos zu sehen!
Das Brammer-Debüt ist im nostalgischen 4:3-Format dargebracht- es gibt beim NDR also tatsächlich noch Leute, die sorgsam & respektvoll mit dem Originalmaterial umgehen und nicht an ihm rumschnibbeln – Danke dafür!
Zur Warnung: Dies ist kein Film für zartbesaitete Tierfreunde, da werden Pelzkragen getragen und eine Person ist nicht gut zu Vögeln (wie gut, daß es Groß- & Kleinschreibung gibt :-) ) – wat’ne fiese Möp, der feine Herr Höfer, das macht ihn doch gleich mal zum Hauptverdächtigen!
Anmerkung: Ich vermisse den mittlerweile obligatorischen Hinweis im Abspann „Für diese Sendung ist kein Tier zu Schaden gekommen“.
Originell der Auftakt mit einem Konzert von Udo & dem Panikorchester; Brammer, privat in legerem Jeansanzug unterwegs, outet sich als Fan; in der nächsten Einstellung verrät der Koffer, daß er selbst zur Gitarre greift. Gern hätten wir gehört, was er beim abendlichen Einstandsumtrunk Marke ‚Früher war mehr Alkohol‘ zur Klampfe vorgetragen hätte – doch da rief die Pflicht, wie schade.
Mit dabei sind Prochnow (Dieter, nicht Jürgen), Fendel, Vogler (Karl-Michael, nicht verwandt mit Rüdiger V., der gerade erst in Odenthals ‚Flashback‘ zu sehen war), Erwig, Vanhaiden (wußte gar nicht, daß sie auch geschauspielert hat) und Peter ‚Pit‘ Kuiper – erinnert sei an dessen außergewöhnliche darstell. Leistung im 5. Derrick ‚Tod am Bahngleis‘ v. 1975.
J.-M. Baldenius führte hier zum ersten und einzigen Male Regie und nicht die Kamera, das übernahm Frank A. Banuscher, legendärer Kameramann beim NDR (für seine Freunde „Frankie“, wie Vanhaidens Ansagerkollege Dénes Törzs zu sagen pflegte, der selbst zweimal im TO aufgetreten ist: In ‚Exklusiv!‘ und ‚Kressin u. d. tote Mann im Fleet‘). Banuscher hat ‚Dinner for One‘, etliche Tatorte (Stücker acht) sowie die Serien ‚Dem Täter auf der Spur‘ und ‚Schwarz-Rot-Gold‘ ins Bild gesetzt.
Die Musik steuerte Rolf Kühn bei, der übrigens mal mit Judy Winter verheiratet war (wen’s interessiert…)
Solide Krimikost aus Hannover, etwas überkonstruiert mit all den Verdächtigen (5) und verwirrend ob der vielen Falschaussagen; mit einigen guten Einstellungen, so richten die Zeugen aus dem persönl. Umfeld der Toten ihre Aussagen direkt via Kamera an den Zuschauer sowie zum Schluß der schön lange Kameraschwenk aus Augenhöhe bis Vogelperspektive.
Ein wenig unterkühlt fällt der Empfang auf der neuen Dienststelle aus, wir spüren förmlich, daß es schwer wird für ihn; die Familie weilt noch in Hamburg, der Sohn Matthias schreibt Fünfen, Vaddern nicht da. Mit Hannover wird er nicht warm werden, ist absehbar: „Mit Hut gibt’s hier kein Bier“, sagt der Wirt; und auch sonst zeigt sich die Leine-Stadt nicht von der schönen Seite. Brammer ermittelt nicht in den Herrenhäuser Gärten, sondern in schnöden städtischen Parkanlagen, nicht im schönen Kleefeld (nur re. der Bahnlinie) oder Kirchrode, sondern am tristen Aegidientorplatz, einem wilden Campingplatz und Gaststätten mit Namen wie ‚Parkblick‘ oder ‚Gildekrug‘.
Dabei hat Arno Schmidt, der Schriftsteller aus dem Heidedorf Bargfeld, doch so schön formuliert: „Was heißt schon New York? Großstadt ist Großstadt; ich war oft genug in Hannover.“
Wenigstens ist ein Ausflug zur Ostsee drin zum Kollegen Finke; denn Assistent Bartke hat den zündenden Einfall: Der Knoten wird als Mastwurf identifiziert, als Mann von der Küste kennt der Kieler sich in der christl. Seefahrt natürlich aus und der Täter steht fest – wieder mal jemand aus dem Milieu der Partikuliere vulgo Binnenschiffer, ein von Drehbuchautoren gar zu gern genommenes Sujet (obwohl wir wir hier nicht bei Schimanski sind – wer zählt das mal?)
Ermitteln durfte Knut Hinz nur noch drei weitere Folgen, schon 1977 war Feierabend und damit stellte der Ab- den Anschluß zu den drei MAD-Folgen her – und es dauert geschlagene 25 Jahre oder 415 Folgen, bis mit der schrecklichen Fr. Burda, ähhh Lindholm, wieder ein Team in Hannover stationiert wird.
Zwar steht am Ende ein Fahndungserfolg, doch der Täter kann sowohl den Beamten als auch der weltlichen Strafe entkommen und gerät unter einen LKW – wahrlich kein guter Auftakt…
Nachtrag Besetzung:
Zimmerwirtin – Lilli Schoenborn
Schmidts Anwalt – Günter Kütemeyer
Ich habe nicht kapiert, wieso die Polizei bei Kolltaschs Mutter auftaucht. Niemand hat der Polizei gegenüber seinen Namen erwähnt.
Auch in der NDR – Wiederholung ist der 045. Tatort aus dem Jahr 1974 spannend zu sehen und insgesamt auch ein schönes Zeitdokument.
Die Meinung vom 12.06.2015 halte ich.
Wie schon von anderer Stelle bereits erwähnt, ein ganz nettes Zeitdokument (Erstausstrahlung Nov. 1974). In einer kurzen eingeblendeten Szene war Udo Lindenberg samt Panikorchester zu sehen. Dies war – zeitlich betrachtet – noch zu Beginn seiner Karriere. Lindenberg hatte es sicherlich zu dem damaligen Zeitpunkt auch nicht erahnen können, dass seine Karriere noch über Jahrzehnte fortwährt. Zu vermuten, dass der NDR gerade gestern diesen Klassik-Tatort wiederholte, mag auch an dem Umstand liegen, dass Udo Lindenberg an diesem Tag (17. Mai) 76 Jahre alt wurde.
Des Weiteren war bei den unterschiedlichen Darstellern ersichtlich, dass doch einige von ihnen solide Theatererfahrung mitbrachten.
Immer wieder schön solche Klassiker zu sehen. Knut Hinz top