Kurz und knapp – darum geht’s

Zwei Häftlinge brechen aus der JVA Bruchsal aus, doch einer von ihnen wird später tot vor einem Karlsruher Polizeirevier aufgefunden – kein Unfall, wie Kommissar Eugen Lutz sofort vermutet. Seine Ermittlungen führen ihn zu einer Ölraffinerie, in deren Laboratorien mysteriöse Abhörwanzen entdeckt werden. Während sein Vorgesetzter ihn ausbremst und auf falsche Fährten schickt, stößt Lutz auf ein Netzwerk aus Industriespionage und Verrat. Als er dem ehemaligen Polizisten Wöhrle und einem mysteriösen Wirt auf die Spur kommt, begibt er sich selbst in große Gefahr… Wie alles ausgeht, ist am 29. September 1974 um 20:15 Uhr im Ersten zu sehen.

Inhalt der Tatort-Folge „Gefährliche Wanzen“

Mit verbissenem Gesicht steht Kommissar Eugen Lutz über einen Autowrack gebeugt, der Herbstwind zerrt an seinem Mantel. Im fahlen Morgenlicht ist die Szenerie gespenstisch: Ein Fahrzeug liegt kopfüber im Straßengraben, darin ein toter Mann. Es ist der Häftling van Ammen, während sein Komplize Scholl verschwunden ist. Beide sind erst kürzlich aus der JVA Bruchsal ausgebrochen. Die Spuren im aufgewühlten Erdreich erzählen eine Geschichte von Flucht und Verrat.

Während sein Vorgesetzter Oberrat Mangold von einer Flucht nach Frankreich ausgeht, verfolgt Lutz seinen eigenen Instinkt. „Scholl spricht kein Wort Französisch. Wie soll er dort überleben?“, knurrt er seinem Assistenten Bechthold zu. Die beiden könnten unterschiedlicher nicht sein – Lutz, der eigenwillige Ermittler mit dem untrüglichen Gespür, und sein zurückhaltender Assistent, der noch an die Unfehlbarkeit von Vorgesetzten glaubt. Ihre angespannte Beziehung zu Oberrat Mangold gleicht einem ständigen Drahtseilakt über einem Abgrund aus Bürokratie und Misstrauen.

Als Scholls Leiche wie ein makabres Geschenk vor einem Polizeirevier in Karlsruhe abgelegt wird, ist für Lutz klar: Hier wurde nachgeholfen. Doch Mangold, der Lutz‘ Eigensinn schon lange missbilligt, blockt ab: „Wir haben wichtigere Fälle als den Tod eines Kriminellen bei einem Verkehrsunfall.“ Lutz‘ Hartnäckigkeit treibt ihn dennoch weiter.

Die Spuren führen zu einer Ölraffinerie bei Karlsruhe, wo sich Lutz mit seinem ehemaligen Kollegen Wöhrle trifft, der nun den Werkschutz leitet. Die Raffinerie selbst wirkt wie ein Labyrinth aus Rohren und Dampf, ein industrielles Ungetüm, das seine Geheimnisse tief im Inneren verbirgt. Im Labor werden schließlich winzige Abhörgeräte entdeckt – jemand belauscht die Forschungsarbeit, stiehlt das Wissen mühevoller Arbeit so leise wie ein Dieb in der Nacht.

Die Fahndung nach dem Urheber der Installation gleicht der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Immer wieder stoßen Lutz und sein Team auf falsche Fährten, während im Hintergrund ein Netzwerk aus Täuschung und Spionage die Fäden zieht. Der elegante Chemiker Dr. Benz mit seinem auffälligen Lebensstil weckt Lutz‘ Misstrauen, ebenso wie der ungewöhnlich gut gekleidete Wirt Witkowsky.

Die Atmosphäre verdichtet sich wie der Nebel, der über dem Rhein aufsteigt, als Lutz bei seiner Observation Witkowskys Restaurant beobachtet. Im gedämpften Licht des Lokals trifft sich Dr. Benz mit seiner ahnungslosen Freundin Fräulein Melchinger, einer Angestellten des Kernforschungszentrums. „Ich brauche diese Unterlagen für meine Forschung“, beteuert er mit einer Überzeugungskraft, die selbst Lutz durch das Fenster hindurch zu spüren glaubt.

Als Lutz und sein Team schließlich zu einer abgelegenen Hütte am Rheinufer gelangen, wo das Wasser dunkel und bedrohlich an die Ufer schwappt, ahnen sie nicht, dass sie dabei sind, ein weit gespanntes Netz aus Industriespionage zu zerreißen – und sich dabei selbst in tödliche Gefahr begeben…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Gefährliche Wanzen“ ist der vierte Fall für Kriminalhauptkommissar Eugen Lutz, verkörpert von Werner Schumacher, und wurde vom Süddeutschen Rundfunk (SDR) produziert. Regie führte der Tatort-Routinier Theo Mezger, bekannt durch seine Arbeit an der Kultserie „Raumpatrouille“. Das Drehbuch stammte aus der Feder des renommierten Autors Wolfgang Menge, der mit seiner sozialkritischen Serie „Ein Herz und eine Seele“ deutsche Fernsehgeschichte schrieb.

Gedreht wurde der Film in Karlsruhe und Umgebung, wobei besonders die imposanten Industrieanlagen der Region als atmosphärische Kulisse dienten. Die Erstausstrahlung am 29. September 1974 im Ersten erreichte einen bemerkenswerten Marktanteil von 59 Prozent – mehr als die Hälfte der deutschen Fernsehzuschauer verfolgte an diesem Abend die spannenden Ermittlungen von Kommissar Lutz.

Besonders bemerkenswert ist die hochkarätige Besetzung: Mit Dietz-Werner Steck und Karl-Heinz von Hassel sind gleich zwei spätere Tatort-Kommissare in Nebenrollen zu sehen. Steck, der später den Stuttgarter Ermittler Ernst Bienzle verkörperte, spielt einen Pförtner, während von Hassel, später bekannt als Frankfurter Kommissar Edgar Brinkmann, einen entflohenen Häftling darstellt. Auch Claus Theo Gärtner, der später als Privatdetektiv Matula in der ZDF-Serie „Ein Fall für zwei“ Berühmtheit erlangte, mimt einen Ausbrecher. Werner Kreindl, später Leiter der „SOKO 5113″, ist als Industriespion zu sehen, ebenso wie der renommierte Regisseur Rolf von Sydow, der hier eine Rolle vor der Kamera übernahm.

Das Szenenbild für diese atmosphärische Kriminalgeschichte gestaltete Jürgen Schmidt-Oehm, während Karl Schopp für die Maske verantwortlich zeichnete und Marieluise Weißkirchner die Kostüme entwarf. Die Produktionsqualität und der spannende Plot mit seinen unerwarteten Wendungen machten „Gefährliche Wanzen“ zu einem besonderen Highlight der frühen Tatort-Jahre und einem Meilenstein in der langjährigen Krimireihe.

Besetzung

Kommissar Lutz – Werner Schumacher
Oberrat Dr.  Magold – Helmut Stange
Wöhrle – Werner Kreindl
Witkowski – Günther Ungeheuer
Bechtold – Peter Drescher
Dr.  Alfred Benz – Rolf von Sydow

Stab

Regie – Theo Mezger
Kamera – Justus Pankau
Buch – Wolfgang Menge
Szenenbild – Jürgen Schmidt-Oehm