Kurz und knapp – darum geht’s

Eine grausige Entdeckung erschüttert die Bundesbahn: Auf Güterwaggons werden in verschiedenen Teilen Deutschlands französische Margarinekartons mit Leichenteilen einer Frau gefunden. Kommissar Brammer aus Hannover nimmt mit Hilfe eines Bundesbahnexperten die Ermittlungen auf und stößt auf eine Brücke im niedersächsischen Rhüden, von der die Pakete auf die Züge geworfen wurden. Seine Spur führt zum verschlossenen Fleischfabrikanten Edmund Freese, dessen Frau angeblich nach Brasilien verreist ist – doch als Brammer tiefer in die Geheimnisse der Kleinstadtbewohner eintaucht, gerät seine Überzeugung, einen Mord aufzuklären, plötzlich ins Wanken…

Inhalt der Tatort-Folge „Mordgedanken“

Verstört starrt der Rangierer auf den geöffneten Margarinekarton zwischen den Kohlewaggons. Das fahle Licht der Bahnhofslaterne enthüllt zwischen Sägespänen eine blasse Frauenhand – ein Fund, der selbst den erfahrenen Kommissar Brammer erschaudern lässt. Die nebelverhangenen Bahngleise von Hannover-Seelze markieren den Beginn einer Ermittlung, die sich wie ein dunkles Netz durch ganz Deutschland ziehen wird.

Kommissar Heinz Brammer, ein Mann mit ruhiger Hand am Gitarrengriff, aber rastlosem Geist bei der Verbrecherjagd, steht vor einem Puzzle aus Körperteilen. Seine Vorgesetzten drängen auf schnelle Ergebnisse, doch Brammer spürt, dass dieser Fall mehr Geduld erfordert als üblich. „Wir suchen eine Nadel im Heuhaufen“, erklärt er seinem Team, „oder besser gesagt: eine Frau, die in Kartons durch Deutschland reist.“

Die Spur führt ins beschauliche Rhüden im Harz. Dort lebt in einem stattlichen Haus der Fleischfabrikant Edmund Freese, dessen zweite Ehefrau angeblich nach Brasilien verreist ist. Eine merkwürdige Koinzidenz für einen Mann, der mit Fleisch arbeitet und in dessen Nähe Leichenteile gefunden werden. „Manchmal sprechen die Zufälle eine deutlichere Sprache als die Menschen“, murmelt Brammer, während er das Fabrikgelände beobachtet.

Die kleine Stadt hüllt sich in Schweigen wie in einen schützenden Mantel. Hier hat jeder seine Geheimnisse: der Apotheker Georgie, der am Rande eines Nervenzusammenbruchs steht; seine Tochter Ricki, die eine Beziehung mit einem älteren Anwalt führt; und Freeses loyale Sekretärin Ida, deren Blicke mehr verraten als ihre Worte. Derweil reist die junge Belgierin Daniele mit dem Zug an, um ihren Verehrer Freese zu treffen – nichtsahnend, in welch düstere Angelegenheit sie gerät.

In einer regnerischen Nacht beobachten Brammer und sein unfreiwilliger Helfer Sperling von der Bundesbahn, wie eine Gestalt einen weiteren Karton von der Brücke wirft. Der Wagen, mit dem der Unbekannte flüchtet, gleicht verdächtig dem von Freese. „Der Fall schließt sich wie ein Schraubstock“, denkt Brammer, als er später in Freeses Fabrik Margarinekartons der gleichen französischen Marke entdeckt.

Als Brammer Freese verhaftet, scheint der Fall gelöst. Doch dann taucht plötzlich dessen Frau Tina wieder auf – quicklebendig und keineswegs zerstückelt. Die Ermittlungen nehmen eine unerwartete Wendung, die Brammer zu einer Familienversammlung im Hause Freese führt, wo die angespannte Stimmung beinahe greifbar ist. Während draußen der Herbstwind durch die Bäume fegt, offenbart sich im Inneren ein ganz anderes Verbrechen als vermutet…

Hinter den Kulissen

Der NDR-Tatort „Mordgedanken“ von 1975 ist der zweite Fall des Hannoveraner Kommissars Heinz Brammer, gespielt von Knut Hinz. Die Idee zu diesem ungewöhnlichen Krimi stammte von Stefan Murr, das Drehbuch verfassten Rainer Boldt und Rüdiger Humpert. Unter der Regie von Bruno Jantoss entstand ein düsterer Fall, der zu Beginn auf Schrifttafeln darauf verweist, dass sich diese Geschichte tatsächlich so zugetragen haben soll – nur Namen und Orte seien verändert worden.

Die Dreharbeiten fanden in Niedersachsen statt, wobei insbesondere die herbstliche Harzlandschaft eine atmosphärische Kulisse für die Geschichte bot. Neben dem Hauptdarsteller Knut Hinz, der nur in insgesamt vier Tatort-Folgen als Kommissar Brammer zu sehen war, spielten zahlreiche namhafte Schauspieler mit, deren Namen jedoch in den vorliegenden Quellen nicht vollständig dokumentiert sind.

Bei der Erstausstrahlung am Sonntag, den 6. Juli 1975, im Ersten Programm der ARD erreichte der Film eine beeindruckende Einschaltquote von 55 Prozent – mehr als jeder zweite Fernsehzuschauer verfolgte also die unkonventionelle Auflösung des Falls. Bemerkenswert ist die ungewöhnliche Erzählstruktur, die schon früh mit dem Motiv von verstreuten Körperteilen in Margarinekartons Aufsehen erregte und zu vielen Spekulationen in der Fernsehpresse führte.

„Mordgedanken“ gilt unter Tatort-Kennern als ein besonderes Beispiel für die experimentierfreudige Phase der Krimireihe in den 1970er Jahren, als die Fälle oft noch stärker von psychologischen Studien und gesellschaftlichen Beobachtungen geprägt waren als von reiner Spannungsdramaturgie.

Besetzung

Alfred Georgie, Apoth. – Peter Herzog
Bundesbahnoberrat Sperling – Ulrich Matschoss
Daniele Bontoux – Silvia Reize
Dr. Düren, Arzt in Rhüden – Günther Dockerill
Dr. Robert Kenzie, Rechtsanwalt – Herbert Bötticher
Edmund Freese, Fabrikant – Gunnar Möller
Fotograf – Peter Petran
Groetsch – Jochen Köppl
Hauptkommissar Brammer – Knut Hinz
Hotel-Chefin – Gerda Schöneich
Ida Kotelecki, Sekretärin – Angela Hillebrecht
Kommissar Gerber – Heinz Schimmelpfennig
Kriminalobermeister Batke – Günther Bothur
Kriminalobermeister Henkel – Günter Heisig
Kriminalrat Malincke – Karl-Ulrich Meves
M. Bontoux – Albert Johannes
Mme. Bontoux – Antje Mestern
Ricki Georgie – Jutta Speidel
Tina Freese – Kyra Mladeck
Voss, Polizist in Rhüden – Rudolf Voss
Wolters, Polizist in Rhüden – Udo Wulff

Stab

Regie – Bruno Jantoss
Buch – Rainer Boldt · Rüdiger Humpert
Vorlage – Stefan Murr
Kamera – Frank A. Banuscher, Wolf Wiedenroth
Schnitt – Anja Wilken
Musik – Nils Sustrate