# Tatort: Reifezeugnis – Episodenbeschreibung

Kurz und knapp – darum geht’s

Die 17-jährige Gymnasiastin Sina Wolf unterhält eine verbotene Liebesbeziehung mit ihrem verheirateten Lehrer Helmut Fichte, die beide sorgfältig vor der Außenwelt verbergen. Als ihr eifersüchtiger Mitschüler Michael Harms das heimliche Paar am See ertappt, erpresst er Sina und verlangt sexuelle Gefälligkeiten für sein Schweigen. Bei einem arrangierten Treffen im Wald eskaliert die Situation und Sina erschlägt Michael mit einem Stein – doch als Kommissar Finke den vermeintlichen Überfall untersucht, beginnt ihre raffiniert konstruierte Lügengeschichte zu bröckeln…

Inhalt der Tatort-Folge „Reifezeugnis“

Kühler Nebel liegt über dem Schwarzen See, als die junge Sina Wolf leidenschaftlich ihre Lippen auf die ihres Lehrers Helmut Fichte presst. Im schützenden Dunst des frühen Morgens fühlen sie sich unbeobachtet – doch aus der Ferne verfolgt Michael Harms, ein Mitschüler mit unerwiderter Liebe zu Sina, das verbotene Treiben mit wachsendem Zorn. Die hübsche Tochter aus reichem Hause hat ihn zuletzt immer wieder abgewiesen, und nun wird ihm der Grund dafür schmerzhaft bewusst.

Kommissar Finke, ein Mann mit scharfem Blick und noch schärferem Verstand, ahnt zunächst nichts von der Affäre, als er zum Fundort einer Leiche gerufen wird. Der verheiratete Lehrer Fichte lebt derweil in ständiger Angst – nicht nur vor der Entdeckung seiner Beziehung zur minderjährigen Schülerin, sondern auch vor seiner eigenen Frau Gisela, die als Mathematiklehrerin an derselben Schule unterrichtet. Die Eheprobleme, die sich wie ein langsam wachsender Schatten über ihre Beziehung legen, lassen ihn innerlich zerrissen zurück.

„Den General gibt es nicht“, behauptet Sina kaltblütig bei ihrer Vernehmung, als Finke sie nach dem angeblichen Angreifer befragt. Ihre Aussage klingt einstudiert, fast wie ein Theaterstück, das jemand auswendig gelernt hat. Doch im Spiel um Schuld und Unschuld ist sie eine meisterhafte Darstellerin. Wie neonbeleuchtete Nachtclubs, die wie verwelkte Blumen wirken, erstrahlt die idyllische Kleinstadt Eutin in einem trügerischen Licht der Normalität, während darunter dunkle Geheimnisse brodeln.

Die Fahndung nach der Wahrheit gleicht für Finke einer Suche nach der Nadel im Heuhaufen – bis plötzlich eine versetzungsgefährdete Mitschülerin namens Inge den entscheidenden Hinweis liefert. Sie hat Michael kurz vor seinem Tod gesehen, als er aufgeregt von seiner Entdeckung erzählte. Nun nutzt sie dieses Wissen, um Fichte zu erpressen – doch die zunehmende Zahl der Mitwisser macht das fragile Lügengebäude immer instabiler. Als Sinas wachsende Verzweiflung sie schließlich an den See zurücktreibt und sie mit der Waffe ihres Vaters hantiert, steht Finke vor der größten Herausforderung dieses Falls…

Hinter den Kulissen

Der Tatort „Reifezeugnis“ wurde zwischen dem 23. August und 24. September 1976 in der Holsteinischen Schweiz gedreht, wobei die Kreisstadt Eutin als Hauptdrehort diente. Die atmosphärischen Szenen am „Schwarzen See“ entstanden am Kolksee bei Kasseedorf, während das elegante Elternhaus von Sina Wolf an der Stadtbeker Straße in Bosau am Großen Plöner See lag – ein 1965 erbauter Bungalow, der 2018 abgerissen wurde. Als Kulisse für das Gymnasium fungierte die authentische Johann-Heinrich-Voß-Schule in Eutin, was dem Film zusätzliche Realitätsnähe verlieh.

In der Besetzung brillierte vor allem die damals erst 15-jährige Nastassja Kinski, Tochter des bekannten Klaus Kinski, in ihrer Rolle als verführerische Schülerin Sina Wolf. An ihrer Seite überzeugte Christian Quadflieg als innerlich zerrissener Lehrer Helmut Fichte, während Klaus Schwarzkopf als Kommissar Finke seinen sechsten Fall in der Tatort-Reihe meisterte. Für den noch wenig bekannten Regisseur Wolfgang Petersen wurde die Produktion zum Karrieresprungbrett, das ihn später nach Hollywood führte, wo er internationale Erfolge wie „Das Boot“ feiern sollte.

Bei seiner Erstausstrahlung am 27. März 1977 löste der Film einen veritablen Fernsehskandal aus – die Darstellung einer sexuellen Beziehung zwischen einem Lehrer und seiner minderjährigen Schülerin sowie die Nacktszenen mit der jungen Kinski machten „Reifezeugnis“ zum landesweiten Gesprächsthema. Mit einer Sehbeteiligung von 67 Prozent erreichte die Folge einen außergewöhnlichen Erfolg und gilt heute als einer der meistwiederholten Klassiker der Tatort-Reihe. Im Februar 2024 machte der Film erneut Schlagzeilen, als Nastassja Kinski rechtliche Schritte einleitete, um die weitere Ausstrahlung der Nacktszenen zu untersagen – ein Umstand, der die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung solcher Darstellungen über die Jahrzehnte hinweg verdeutlicht.

Besetzung

Kommissar Finke – Klaus Schwarzkopf
Helmut Fichte – Christian Quadflieg
Sina Wolf – Nastassja Kinski
Michael Harms – Marcus Boysen
Franke – Rüdiger Kirschstein
Dr. Gisela Fichte – Judy Winter
u.a.

Stab

Drehbuch – Herbert Lichtenfeld
Regie – Wolfgang Petersen
Kamera 1 – Jörg Michael Baldenius
Kamera 2 – Hans Schreiber
Musik – Nils Sustrate
Schnitt – Karin Wagner und Hannelore Pitscheck
Kostüme – Elisabeth Schewe
Szenenbild / Bauten – Leo Karen
Ton – Jürgen P.P. Meissner

Bilder: NDR/TelePress