Kurz und knapp – darum geht’s
Ein kaltblütiger Mord an einem Frankfurter Geschäftsmann während seiner morgendlichen Joggingrunde erschüttert die Mainmetropole. Kommissar Edgar Brinkmann und seine Assistentin Alice Bothe stoßen bei ihren Ermittlungen auf eine junge Zeugin namens Laura, die den Mord beobachtet hat, aber jegliche Zusammenarbeit mit der Polizei verweigert. Der Killer verschont Laura überraschend, obwohl sie ihn identifizieren könnte – doch seine Auftraggeber fordern, dass er diese gefährliche Zeugin beseitigt. Als Brinkmann und Bothe endlich verstehen, warum Laura schweigt und der Killer zögert, geraten alle Beteiligten in ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel, das niemand unbeschadet überstehen wird …
Inhalt der Tatort-Folge „Gefährliche Zeugin“
Der morgendliche Nebel liegt noch über dem Frankfurter Park, als das rhythmische Knirschen von Joggingschuhen auf dem Kiesweg plötzlich von zwei präzisen Schüssen durchbrochen wird. Der Geschäftsmann Bernd Heine sackt leblos zusammen – ein Herzschuss und ein Sicherheitsschuss haben sein Leben beendet. Zufällig radelt die junge Laura Barth vorbei und stürzt über die Leiche. Der Killer, der italienische Profi Enrico Gramci, richtet seine Waffe auf sie, doch etwas in ihrem Blick lässt ihn zögern. Entgegen jeder Professionalität verschont er das Mädchen und flüchtet.
Als Kommissar Edgar Brinkmann am Tatort eintrifft, ist die Zeugin längst verschwunden. Der erfahrene Ermittler wirkt müde, die Jahre im Dienst haben ihre Spuren hinterlassen. Seine deutlich jüngere Assistentin Alice Bothe drängt ihn immer wieder zu neuen Ermittlungsansätzen – ein Generationenkonflikt, der die beiden trotz gegenseitigen Respekts immer wieder aneinandergeraten lässt. „Man findet keinen Mörder, indem man hinter jeder Ecke einen vermutet“, mahnt Brinkmann seine übereifrige Kollegin.
Die Witwe des Opfers, Leonce Heine, gibt sich erschüttert, verweist die Beamten aber bei Nachfragen zu den Geschäften ihres Mannes an dessen Teilhaber Frank David. Heines Spezialität war es, Konkursfirmen aufzukaufen und zu verwerten – ein lukratives, aber moralisch fragwürdiges Geschäft, das ihm viele Feinde eingebracht hat. Der Kreis der Verdächtigen gleicht einem undurchdringlichen Dickicht aus geschäftlichen Verstrickungen und persönlichen Animositäten.
Durch akribische Kleinstarbeit – eine am Tatort gefundene Füllerkappe führt sie schließlich auf die richtige Spur – können Brinkmann und Bothe die junge Laura als Zeugin identifizieren. Sie lebt bei ihrer wohlhabenden Großmutter und besucht ein nahegelegenes Gymnasium. Doch das Mädchen verweigert jegliche Kooperation, selbst als die Ermittler sie direkt mit ihrem Wissen konfrontieren. Ihre Augen verraten Angst, aber auch eine seltsame Faszination, als wäre der Tod ein alter Bekannter für sie. Die Informationen über Lauras Vater, der Selbstmord begangen hat, werfen weitere psychologische Fragen auf.
Währenddessen wird der Killer Gramci von seinem mysteriösen Auftraggeber unter Druck gesetzt. „Finde das Mädchen und beseitige sie, oder du bekommst dein Geld nicht“, lautet die unmissverständliche Anweisung. Doch Gramci, sonst ein eiskalter Profi, zögert. Laura erinnert ihn an seine eigene Tochter, die bei einem von ihm verschuldeten Unfall ums Leben kam – eine offene Wunde in seiner Seele.
Die Jagd nach der Wahrheit entwickelt sich zu einem Balanceakt zwischen polizeilicher Pflicht und menschlichem Verständnis. Brinkmann, dessen Erfahrung ihm sagt, dass hinter Lauras Schweigen mehr steckt als bloße Angst, setzt seine Assistentin als Personenschutz für das Mädchen ein. Alice Bothe versucht, das Vertrauen der verschlossenen Laura zu gewinnen, doch die nächtlichen Schatten, die das Haus umkreisen, kündigen bereits an, dass die Zeit knapp wird.
Als Gramci schließlich Laura gegenübersteht, die Waffe auf sie gerichtet, prallen zwei verwundete Seelen aufeinander. Die Entscheidung, die in diesem Moment getroffen wird, setzt eine Kettenreaktion in Gang, die niemand mehr aufhalten kann und die alle Beteiligten – Täter, Zeugin und Ermittler – in einen Strudel von Gewalt und unerwarteten Offenbarungen zieht…
Hinter den Kulissen
Die 382. Tatort-Folge „Gefährliche Zeugin“ wurde vom Hessischen Rundfunk (HR) produziert und am 13. April 1998 im Ersten ausgestrahlt. Es ist der 19. Fall für den von Karl-Heinz von Hassel verkörperten Kriminalhauptkommissar Edgar Brinkmann. An seiner Seite ermittelt Ulrike Panse als Assistentin Alice Bothe.
Die Dreharbeiten fanden in Frankfurt am Main und Umgebung statt, wobei die Mainmetropole mit ihren Kontrasten zwischen glitzernden Bankentürmen und ruhigen Grünanlagen als atmosphärischer Hintergrund für den Fall dient. In den Gastrollen sind unter anderem Isabell Gerschke als die junge Zeugin Laura und Michele Oliveri als italienischer Killer Enrico Gramci zu sehen.
Bei der Erstausstrahlung erreichte „Gefährliche Zeugin“ beachtliche 7,12 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 20,03 Prozent entsprach. Die Folge wurde für ihre psychologische Tiefe und die ungewöhnliche Perspektive auf die Täter-Opfer-Beziehung von Kritikern positiv aufgenommen.
Interessantes Detail am Rande: Die Figur des „Il Pedone“ (italienisch für „Der Fußgänger“) – wie Enrico Gramci in Krimikreisen genannt wird – war inspiriert von realen Mafia-Killern, die in den 1990er Jahren für Aufsehen sorgten. Nach der Ausstrahlung der Folge wurde besonders die moralische Ambivalenz der Hauptfiguren diskutiert, die weit über das klassische Schwarz-Weiß-Schema vieler Krimis hinausging.
Besetzung
Kommissar Brinkmann – Karl-Heinz von Hassel
Alice Bothe – Ulrike Panse
Laura Barth – Isabell Gerschke
Enrico Gramci – Michele Oliveri
Leonce Heine – Konstanze Breitebner
Frank David – Siemen Rühaak
u.a.
Stab
Drehbuch – Klaus Gietinger
Regie – Klaus Gietinger
Kamera – Armin Alker
Schnitt – Carmen Vieten
Musik – Klaus Roggors
Produktion – HR
Der Tatort mit der Nummer 382 mit Hauptkommissar Brinkmann, noch ein Tatort-Kriminalist der alten Art. Zusammen mit seiner jungen Kollegin, Kommissarin Bothe ermittelt er in einem geheimnisvollen Mordfall, ausgeübt in einem hübschen Stadtpark der Main-Metropole Frankfurt. Ein Jogger, unbeliebt und zur Art der kaufmännischen Heuschrecken zählend, wurde kaltblütig erschossen, nach Profi-Killer-Art, so was erkennt ein altgedienter Mordermittler so gleich. Die Tat wurde beobachtet, durch eine junge Frau, noch Schülerin auf einem Gymnasium. Die meldet sich aber nicht bei der Polizei und ein Aufruf über die Medien bringt nunmehr auch den italienischen Mördergesellen auf den Plan. Der Titel des Tatort-Films ist anfänglich ein wenig irreführend, der Sinn wird aber im Laufe des filmischen Geschehens erkennbar. Es entwickelt sich ein spannender und interessanter Tatort-Krimi über geschäftliche Auftragsmorde, Konkurrenzdenken, nicht eingehaltenen Absprachen und mörderischen Abrechnungen. Einer der letzten Spielfilme mit Hauptkommissar Brinkmann im auslaufenden 1990iger Jahrzehnt. In Wiederholung gerne gesehen.
Kommissar Brinkmann wahrte immer die Form. Das nicht nur, was seine Kleidungsgewohnheiten betraf (die Fliege zum Anzug war ihm obligatorisch) sondern auch in seinen Worten und Taten. Der „Ladestock im Rücken“ war ihm angeboren und der „Hauch von Eleganz“ s-ein Markenzeichen. Seine Fälle löste er mit Logik und Konsequenz. Ein echter Sohn seiner Zeit. Ein „cooler“ Schimanski wäre ihm sicher ein Greuel gewesen
Gehört zu den besseren Brinkmann Fällen auch nach 22 Jahren noch sehr gut anzusehen. Solide Story und Spannung. Eine Prise Humor. Hier passt fast alles. Guter 90er Tatort aus Frankfurt
Also bei aller Liebe: Das Bild, das in diesem Tatort von der Polizei gezeichnet wird, grenzt schon an Unverschämtheit. Man könnte meinen, dass es ein Einstellungskriterium ist, dass niemand einen IQ hat, der höher als der eines Hohlblocksteins ist. Das führt zwar zu (vermutlich gewollt) komischen Situationen, aber muss doch nun wirklich nicht sein. Dazu noch die Rentnerband aus dem Park, die entweder mit Blindheit geschlagen, oder von der LSD-Generation der 60er übrig geblieben ist. Etwas überzogen, aber nicht ohne jeden Witz. Und – die Anmerkung darf nicht fehlen – war natürlich auch wieder Ehebruch im Spiel. Zwar nicht unbedingt als treibendes Motiv, aber ohne geht es wohl nicht.
Bei wikipedia ist zu lesen: „David und Heine versuchen, Laura Drogen einzuflößen und sie von der Brücke in den Main zu werfen. Gramci kommt jedoch hinzu, erschießt David und schlägt Heine nieder. Kurz darauf tauchen Brinkmann und Alice mit einem Großaufgebot an Polizei auf. Gramci täuscht vor, Laura als Geisel zu nehmen, nimmt aber heimlich das Magazin aus der Waffe. Ein Polizist erschießt ihn in vermeintlicher Nothilfe für Laura. Die Beamten nehmen Leonce Heine fest. Sie ist geständig.“ Der Italiener Gramci ist ein im Kern guter Mensch, der durch unglückliche Umstände zum Killer geworden ist. Was hätte er in seiner Heimat auch anderes lernen können? Wirklich schlimm sind nur die deutschen Profiteure. Wenn Udo Wachtveitl erst jetzt mit seiner Kritik am Tatort hervortritt, dann hat er einige Jahrzehnte verschlafen: „’Ich glaube, da ist ein bißchen 1968er-Kitsch dabei. Diese Leute sind jetzt alle in den entsprechenden Positionen. Bei denen darf der hart arbeitende Ausländer unter den drei Verdächtigen sicher nicht der Täter sein‘, sagte er der Zeit.“ „Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!“ kann man da nur sagen, und verharmlosend ist es obendrein.
Wirklich dümmer als die Polizei erlaubt, oh warte…
Da haben die Hamburger Tatorte mit Herr Nuschelkopf noch bessere Drehbücher.
So wie Veigl sagen würde: „So ein Schmarrn!!!“
Ein Tatort aus dem Jahr 1998 mit der Folgenummer 382, merkenswert, da erstklassig gespielt und gedreht. Frankfurter lassen grüßen.
Die Meinung vom 05.04.2016 halte ich.